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Pressefreiheit in Pakistan30 Stunden Todesangst

Der Journalist Gohar Wazir wurde von den Taliban entführt. Sein Fall zeigt, wie gefährlich es ist, über Machtmissbrauch in Pakistan zu berichten.

Wazir kam frei – unter der Voraussetzung, dass er schweigt Foto: Zahra Kazmi

ISLAMABAD Der 41-jährige Gohar Wazir ist ein angesehener Journalist aus Pakistans nördlichen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan. Als er 2008 seine journalistische Laufbahn begann, war dort die islamistisch-ethnische Gewalt auf dem Höhepunkt. Dagegen führte das Militär große Operationen durch. Wazirs Heimatregion Nord-Wasiristan gilt als Brutstätte militanter Gruppen, er selbst wuchs in der Nähe von bewaffneten Kämpfern auf. Diese Erfahrung ermöglichte ihm, über bewaffnete Gewalt, Militäreinsätze, Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen und die Folgen des Konflikts für die Bevölkerung zu berichten. Diese Themen werden von den Mainstream-Medien oft vernachlässigt. Doch Wazirs Berichte darüber bringen ihn oft in Gefahr. Drohungen und Einschüchterungen gehören zu seinem Alltag.

Am 29. April, als Wazir gerade für das bevorstehende Zuckerfest einkaufte, sprachen ihn zwei Mitglieder der pakistanischen Taliban (TTP) an. Sie forderten ihn auf, ihnen zu einem Fahrzeug in der Nähe zu folgen, weil ihr Anführer ihn sprechen wolle. Wazir wusste, dass er sich nicht widersetzen konnte. Als sie bei dem Fahrzeug ankamen, wurde er hineingestoßen. Ihm wurden die Augen verbunden und er wusste nicht, wohin er gebracht wurde. Schon unterwegs wurde er geschlagen. Nach einigen Stunden erreichten sie einen Ort, den die Taliban Markaz nennen: ein von ihnen als Haft- und Folterzentrum genutztes Gebäude. Dort wurde Wazir in einen Raum gesteckt. Blutflecken und Haarbüschel an Wänden und Boden deuteten auf Folter hin. Der einzige Teppich, der ihm als Bett diente, stank nach Urin.

Während seiner Gefangenschaft war Wazir psychischer und physischer Folter, Stromschlägen und wüsten Beschimpfungen ausgesetzt. Ihm wurde gesagt, dass seine Art, über Probleme zu berichten, die sowohl den Interessen des Militärs, der Geheimdienste wie der Taliban widersprächen, allein für seine derzeitige Situation verantwortlich sei. Später forderte ihn der Führer der Taliban-Gruppe auf, eine Videobotschaft aufzunehmen. Darin musste er sich selbst bezichtigen, vorsätzlich über Themen berichtet zu haben, die das Land und sein Militär in schlechtem Licht erscheinen ließen, und dass er dies auf Geheiß von Feinden des Landes getan hätte. Wazir hatte keine andere Wahl, als das Video aufzunehmen.

Angriffe und gezielte Tötungen

Nach mehr als 30 Stunden in der Gefangenschaft der Taliban teilte ihm deren Anführer mit, dass sie seine Tötung beschlossen hätten. Sie würden ihm aber noch eine Chance geben, wenn er über seine Entführer und was sie ihm antaten, Stillschweigen bewahre. Wazir wurden wieder die Augen verbunden und er wurde an einen Ort gebracht, von wo er mit öffentlichen Verkehrsmittel selbst weiterfahren konnte.

Danach musste er für mehrere Tage in einem Krankenhaus seine von den Folterungen stammenden Wunden behandeln lassen. Der Versuch, bei der Polizei Anzeige wegen der Entführung zu erstatten, scheiterte. Die Beamten weigerten sich einfach, die Anzeige anzunehmen. Ein Beamter erklärte ihm, dass sie dazu nicht in der Lage seien.

In Pakistan sind Drohungen gegen Journalisten und die Einschränkung der Pressefreiheit schon lange ein Grund zu Sorgen. In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen steht das Land auf Rang 150 von 180 Nationen. Journalisten, die sich mit heiklen Themen wie dem Verschwindenlassen, politischer Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Korruption oder Machtmissbrauch durch das Militär befassen, waren schon immer besonders gefährdet. Schikanen, Einschüchterungen, körperliche Angriffe und sogar gezielte Tötungen gehörten zum Alltag.

Internationale Medienorganisationen kritisieren Pakistans Regierung und Militär für die Einschränkungen der Pressefreiheit durch Gesetze und Vorschriften. Pakistans Medienaufsichtsbehörde (Pemra) wird vorgeworfen, Medieninhalte einzuschränken und zu kontrollieren.

Wazir hatte bereits 2018 von den Taliban Todesdrohungen erhalten. Und 2019 war er ohne Anklage von Polizisten in Zivil inhaftiert worden. Anschließend floh er beide Male für einige Monate ins Ausland und kehrte erst wieder nach Pakistan zurück, als er glaubte, dass sich die Lage beruhigt hatte. Derzeit lebt Wazir im Verborgenen. Wegen seiner wiederholten Verschleppung hält er Pakistan für unsicher. Um sein Trauma zu überwinden, hat er eine Therapie angefangen. Er hofft auf Hilfe von Organisationen, die sich für den Schutz der Menschenrechte, der Pressefreiheit und der Sicherheit von Journalisten einsetzen. Denn er fürchtet um sein Leben und das seiner Familie.

Aus dem Englischen: Sven Hansen

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