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Extreme Trockenheit in DeutschlandDer nächste Dürresommer kommt

Obwohl es im Frühjahr ordentlich geregnet hat, sind viele Regionen in Deutschland zu trocken. Ex­per­t*in­nen mahnen zur Tat – mit Lösungsvorschlägen.

Staubtrockener Acker: Mancherorts ist die obere Bodenschicht aktuell trocken wie sonst im August Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin taz | Dürre wird immer präsenter in Europa und auch in Deutschland. Die langanhaltende Trockenheit ist oft eine Folge des menschengemachten Klimawandels. Mit vielen Folgen: Vielerorts brennen in Deutschland die Wälder, jüngst in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.

Einige landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland warnten vor Ernteausfällen durch Notreife. Hier muss Gemüse oder Getreide früher geerntet werden, bevor es vertrocknet. Global gesehen verbraucht die Landwirtschaft am meisten Trinkwasser. Die Berliner Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) erwägt eine Rationierung des Trinkwassers. Der Weltklimarat warnt vor mehr Hitzetoten.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnet für den gesamten Sommer 2023 mit hohen Temperaturen und extremer Trockenheit. Dabei war das Frühjahr 2023 in Deutschland vergleichsweise feucht. Der März 2023 sei zwar bundesweit der nasseste seit 2001, meldete der DWD. Seit Wochen regnet es aber in vielen Gebieten nicht mehr und die Temperaturen steigen bis zu 30 Grad an.

In weiten Teilen Ostdeutschlands und in Regionen Süd- und Westdeutschlands ist der viele Regen im Frühjahr längst wieder aufgebraucht. Er durchwässerte nur die erste Bodenschicht. Die Trockenheit in den tieferen Bodenschichten, die durch die letzten Dürrejahre 2018 bis 2020 und 2022 entstanden ist, behindert die Grundwasserneubildung. Trockene Böden können Wasser zusätzlich schlechter speichern.

Boden bräuchte ein Jahr Dauerregen

Um das Wasserdefizit im Boden wieder aufzubessern, müsse es ein gesamtes Jahr durchregnen, erklärte Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Niederschlag allein hilft also nicht gegen die anhaltende Dürre in Deutschland.

Insgesamt werden vor allem soziale Folgen der Dürre zu wenig betrachtet

Sassa Franke, Klimapraxis

„Es müssen andere – ganz individuelle – Maßnahmen geschaffen werden, die Dürre und ihre Folgen wie Wasserknappheit, Versalzung und Hitze zu bekämpfen“, meinte Stefan Schwarzer, physischer Geograf. Er sprach in dieser Woche auf einer Tagung mit der Autorin Ute Scheub und Na­tur­wis­sen­schaft­le­r*in­nen über Maßnahmen zur Anpassung an die Dürre.

Ein Ansatz: mehr Bäume pflanzen, denn die helfen nicht nur beim Regenmachen, sondern auch bei der Kühlung. Ein großer Baum kann etwa 400 Liter Wasser am Tag verdunsten. Das ist ein Kühlungseffekt der fünf Klimaanlagen entspricht, die 24 Stunden durchlaufen“, machte Schwarzer deutlich. Das funktioniert auf dem Land und in der Stadt. Frankfurt hat bereits im Mai einen Anfang gemacht: Gebäudebegrünung bei Neu- und Umbauten wird zukünftig Pflicht.

Weiterhin müssen Städte entsiegelt werden, sodass Regenwasser ungehindert in den Boden sickern kann. Dadurch werden die Hauptprobleme der Trockenheit in Städten verbessert. Diese Maßnahmen werden in dem städtebaulichen „Schwammstadtprinzip“ zusammengefasst. Kopenhagen macht es seit 2012 vor: Bis 2033 werden überall in der Stadt Flächen geschaffen, die in der Lage sind, eine Menge Wasser aufzunehmen und langsam wieder abzugeben.

Landwirtschaft braucht auch Strategien gegen Trockenheit

„Das Prinzip ‚Verlangsamen, Verteilen, Versickern‘ brauchen wir in der Landwirtschaft auch“, erklärte Sassa Franke vom Verein Klimapraxis. Sie zeigte bei der Tagung auf, welche Strategien der Anpassung an die zunehmende Trockenheit es in der Landwirtschaft gibt.

Zum Beispiel wird das „Mob Grazing“ untersucht. Das Prinzip diene dem Bodenaufbau in trockenen Gebieten mithilfe von Tieren. Kühe sollen dabei gezielt Weidereste wie trockene Gräser niedertrampeln. Gemischt mit dem Dung soll dann eine Mulchschicht entstehen, die den Boden vor Austrocknung schützt.

Ein weiteres Prinzip, um Wasser auf Flächen zu halten, ist das „Key Design“. Das ist eine höhenlinienparallele Bearbeitung, die das Wasser auf Feldern zurückhalten sollen. Das gesammelte Regenwasser soll dann auf dem gesamten Feld langsam verteilt werden. Auf einem Hof in Luzern in der Schweiz wird dieses Projekt aktuell in die Tat umgesetzt.

„Insgesamt werden vor allem soziale Folgen der Dürre zu wenig betrachtet“, sagte Sassa Franke. Sie kritisierte, dass es noch keine nationale Wasserstrategie in Deutschland gibt. Diese wurde erst im März dieses Jahres vom Kabinett beschlossen. Franke schlug vor, der Bund müsse eine Person einsetzen, die sich um Wasser kümmert. In Italien gibt es so jemanden bereits.

Zumindest eine Folge der Dürre will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach jetzt angehen. Am Dienstag schlug er einen Hitzeaktionsplan nach dem Vorbild Frankreichs vor. Hier werden je nach Schwere der Hitzewellen verschiedene Maßnahmen angesetzt, zum Beispiel Anrufe bei alten Menschen oder die Einrichtung von Kälteräumen.

Hinweis: Aus der ursprünglichen Fassung des Artikels ging hervor, bei der Landwirtschaft in Deutschland handle es sich um die größte Wasserverbraucherin. Das wäre nicht korrekt. Wir haben die unpräzise Stelle angepasst.

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17 Kommentare

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  • Das ockerfarbene Zeug, was da auf dem Foto weggewehr wird, ist Humus. Die Substanz, wegen der man überhaupt Sachen anbauen kann.

    "Wat fott es, es fott."

  • solange noch solche Gefährderautos wie SUVs gebaut werden, wird sich Deutschland nie an Klimaziele halten können.

    Deutschland ist so ein Versagerland in jeglicher Hinsicht.

    Dass man auf Klimaaktivisten Gesetze anwendet, die eigentlich für Terroristen gedacht waren, das ist Deutschland auf ner Nadelspitze.

    • @Tyramizou:

      Volle Zustimmung!

      Wasser rationieren wollen und (nicht nur) SUV‘ „lustig“ weiter mit 140+ km/h durch die Gegend düsen lassen – macht summa summarum „alte Leute anrufen“?

      „Die spinnen, die Römer!“ sagte schon Obelix.

  • Dankeschön für den richtungsweisenden Artikel. :-)

    Möglicherweise helfe auch Broschüren/Flyer/Infokampagnen was jeder tun kann um Wasser zu sparen.

    Z.B. zwei ganz einfache Maßnahmen im Privatbereich helfen schon enorm Wasser zu sparen:

    Das Verbot des Befüllens von privaten Swimming Pools/Gartenteichen bei weiter sinkendem Grundwasserstand mit Trinkwasser (Regenwasser sammeln und zum Baden/Duschen nutzen/weiterleiten sollte dagen ausdrücklich erlaubt und gefördert werden).

    Das Velegen von Grünflächenbewässerung von Mai bis September in die frühen Morgenstunden und Nachtstunden. Bewässerung von 11- 19 Uhr könnte bei entsprechender Hitzestufe direkt verboten werden müssen. In den Städten ebenso wie auf dem Lande (Tröpfenbewässerung bei Festinstallationen).

    PS: A propo Verbote. Mit der persönlichen Freiheit ist es sowieso vorbei, wenn kein Wasser mehr aus dem Wasserhahn kommt!!!

  • Wie wäre es wenn wir gemeinsam ernsthaft Tempo machen, um den längst vereinbarten Umwelt und Klimazielen zu erreichen, anstatt ewig Freie Fahrt auf noch mehr Autobahnen?

    • @Nilsson Samuelsson:

      Umsonst sitzen Klimaaktivisten wohl kaum auf deutschen Straßen. Das 1,5°-Ziel hat bereits abgewunken und ist eindeutig nicht mehr erreichbar. Vermutlich werden aber noch lange viele „halb verdurstet“ in ihren Blechkisten in der BRD herumrasen: Politikerin Deutschland lernen es jedenfalls nicht …

    • @Nilsson Samuelsson:

      Genau richtig, allerdings werden ca. 80 % der Deutschen das einfach ignorieren, bis es zu spät ist. Traurig, aber sehr wahrscheinlich. Weil :



      Freie Fahrt auf immer mehr Autobahnen ist das, was der gemeine Deutsche möchte. Trottel halt.

      • @Zebulon:

        Trottel, eine besondere Spezies!

        Jetzt weiß ich auch, warum deutsche Politiker sich so sehr von allen anderen EU-Staaten unterscheiden.

        • @POFF KAMITO:

          Wir hatten 16 Jahre lang CDU/CSU als zentralen Machtfaktor. So oligarchische Zustände schaffen sonst nur failed states.

      • @Zebulon:

        Stimmt nicht so ganz. Laut ADAC Umfrage sind 54% für ein Tempolimit auf Autobahnen. Die Verkehrspolitik der FDP bedient eben nur eine bestimmte Klientel. Bitte informieren, bevor gegen den „gemeinen Deutschen“ gewettert wird.

  • Ich denke bei der Landwirtschaft gibt es auch noch jede Menge Wassereinsparpotenmtial, die Bewässerungsmethoden sind von Vorgestern. Wenn der Sprenkler auf den Feldern in der prallen Mittagssonne läuft und die hälfte des Wassers direkt verdunstet anstatt bei den Pflanzen anzukommen, kann ich nur jedes Mal ungläubig den Kopf schütteln, hier müsste viel mehr mit Tröpchenbewässserung gearbeitet werden und die Bewässerung sollte auch nicht Mittags erfolgen. Auch der Hemmungslose Verkauf von Pools und Planschbecken muss irgendwann eingeschränkt werden, es wird immer mehr, jeder meint sich so ein Ding in den Garten stellen zu müssen und das Wasser dann noch schön mit Chlor zu verseuchen.



    Steingärten gehören ein für alle mal Verboten und zwar Deutschlandweit, die sorgen nur dafür, dass sich die Umgebung weiter aufheizt, von der Artenvielfalt mal abgesehen und hässlich ohne Ende sind sie auch noch.

    • @PartyChampignons:

      Ja - nur bitte nennen Sie diese ekligen Schotterwüsten nicht "Steingärten".

      Meine Oma hatte einen Steingarten. Brauchte weder groß Pflege, noch Wasser. Darin wuchsen Sedum und Thymian, Iris und Lavendel, und alles war voller Bienen. Und wenn mal ein Starkregen kam (so selten, damals als ich klein war, dass ich mich noch an diese Tage im Einzelnen erinnern kann), dann verhinderten die massiven Felsbrocken, dass der Hang mitsamt den Obstbäumen abrutschte.

      DAS war ein Steingarten!

    • @PartyChampignons:

      Ja, das wäre ein Anfang ...

  • "Ein großer Baum kann etwa 400 Liter Wasser am Tag verdunsten"



    Äh, ja. Das hilft dann bei Regenmangel, wenn er das wenige Wasser gleich wieder verdunstet?



    "Weiterhin müssen Städte entsiegelt werden..."



    Die größte Flächenversiegelung dürfte wohl in der Landwirtschaft gegeben sein, wo eine Bewirtschaftung mit überschweren Maschinen zu tiefgehender Bodenverdichtung führt. Wenn ich mir hier die Felder so anschaue, wie da schon nach einem leichten Regen tagelang die Pfützen drauf stehen bleiben, weil nichts versickert. Und da wegen Verdichtung auch kein Wasser aus tiefern Schichten mehr aufsteigen kann, wird zur Zeit fröhlich bewässert...



    Siehe de.wikipedia.org/wiki/Pflugsohle

    • @sollndas:

      "Äh, ja. Das hilft dann bei Regenmangel, wenn er das wenige Wasser gleich wieder verdunstet?"

      Ja, denn im windgeschützten Bereich unter dem Baum hält sich die Luftfeuchtigkeit, und reduziert die Verdunstung aus dem Boden.

      Außerdem sind Bäume selbstregelnd und passen das Ausmaß ihrer Verdunstung an das verfügbare Wasser an.

      Man kann das einfach testen. Wenn man in der Nähe eines lebenden Baums ist, oder gar in einem Wald, dann kann es noch so heiß und trocken sein - man wird nicht, oder nur sehr langsam, ein Pappmaul bekommen, als hätte man die gesamte Cannabisjahresproduktion von Jamaika auf Ex weggebarzt.

      Auf freier Fläche braucht man hingegen bei solchem Wetter nur ein paar Sätze zu sagen, und die Zunge fühlt sich an wie Sandpapier und beginnt wunderlich zu riechen.

      "Siehe de.wikipedia.org/wiki/Pflugsohle"

      Indeed. Zumal gepflügter Boden auch verdunstet wie Hulle, weil die Krümelstruktur zerstört wird, und so viele Bodenlebewesen krepieren, dass sie nicht schnell genug neugebildet werden kann.

      Grubbern ist das Mittel der Wahl. Die obersten 10-20 cm des Bodens müssen unbedingt oben bleiben, und dürfen nicht gewendet werden, wenn es keine wirklich triftigen Gründe[*] gibt. Pflügen (und Umgraben) ist ein Atavismus aus einer Zeit, als niemand wusste, was "Edaphon" bedeutet.

      [*] Eine extrem dichte Grasnarbe ist vielleicht das Einzige, was mir auf die Schnelle einfällt. Da kommt man mit dem besten Grubber nicht weit; man muss es umbrechen. Aber man sollte dann zumindest Dung oder Mulch aufbringen, und den Regenwürmern paar Wochen lang Zeit geben, ihren Scheiß zu regeln.

    • @sollndas:

      Es geht da wohl eher um das Stadtklima und da ist etwas Feuchtigkeit in der Luft sehr angenehm für die Stadtbewohner. Wie beschrieben muß es allerdings dazu eine Entsiegelung der Wurzelfläche geben, damit der Baum in der Hauptsache natürlich durch Regen bewässert werden kann. Aber man kennt das ja : Gitterroste um den Baum herum, gerade, daß der Stamm mal durchpaßt ... und dann kommen die Steinplatten, Dreck !



      Das spricht keinesfalls dagegen, den Bäumen unter die äh, Äste zu greifen und mit Gießen zu unterstützen, wenn es zu lange trocken bleibt. Meine Beobachtung hier auf dem Land : kleine Städte lassen ihre Bäume verdursten, weil irgendwie keiner schnallt, daß es sich um Lebewesen handelt, denen zu helfen wäre. Ein Trauerspiel.

      • 3G
        31841 (Profil gelöscht)
        @Zebulon:

        Das "Stadtklima" ist verwoben mit dem "Landklima". Dort geschehen wesentlich klimawirksame Veränderungen, die sich in den Siedlungen auswirken. Rückwirkungen von Siedlungen zum Umland ergeben sich in Anhängigkeit von Größe und Struktur der Städte. Grundsätzlich gilt, die Siedlung lebt zuerst vom Land.