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Kommunales Vorkaufsrecht in BerlinMieter bleiben geschützt

Nach dem Ende des Vorkaufsrechts wollten Hauskäufer Vereinbarungen zum Mieterschutz mit den Bezirken aufkündigen. Das Verwaltungsgericht widerspricht.

War oft der letzte Hoffnungsschimmer: das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten Foto: dpa

Berlin taz | Es ist eine gute Nachricht für viele Mie­te­r:in­nen der Stadt: Laut mehrerer Urteile des Berliner Verwaltungsgerichts bleiben so genannte Abwendungsvereinbarungen gültig, die die Bezirke in den vergangenen Jahren mit Käu­fe­r:in­nen von Häusern in Friedrichshain-Kreuzberg und in Pankow geschlossen haben. Mit Unterzeichnung der Vereinbarungen hatten sich die Käu­fe­r:in­nen verpflichtet, Mie­te­r:in­nen für den Zeitraum von durchschnittlich 20 Jahren vor der Verdrängung zu schützen, etwa indem sie auf die Umwandlung in Eigentum oder Luxusmodernisierungen verzichten. Im Gegenzug nutzten die Bezirke ihr Vorkaufsrecht nicht.

Nachdem jedoch im November 2021 das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Ausübung des Vorkaufsrechts in Mileuschutzgebieten nachträglich für rechtswidrig erklärt hatte, klagten allein in den beiden Bezirken acht Käu­fe­r:in­nen gegen die zuvor abgeschlossenen Abwendungsvereinbarungen. Sie argumentierten, an diese nun nicht mehr gebunden zu sein, da sich die Bezirke eine unzulässige Gegenleistung versprechen ließen. Stadtweit haben 70 Ei­gen­tü­me­r:in­nen den geschlossen Vereinbarungen widersprochen.

Dieser Argumentation aber folgte die 13. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts nicht. „Die Beteiligten seien sich im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarungen übereinstimmend bewusst darüber gewesen, dass die rechtlichen Grenzen des bezirklichen Vorkaufsrechts und die Voraussetzungen für dessen Abwendung höchstrichterlich noch nicht geklärt gewesen seien“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei die Geschäftsgrundlage für die Vereinbarungen nicht nachträglich entfallen.

Gegen die Urteile ist jeweils der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg möglich. In einem ersten Urteil im Oktober 2022 war einem Kläger noch die Kündigung der Abwendungsvereinbarung ermöglicht worden.

Mieterschutz eingebrochen

Das Bundesverwaltungsgericht hatte geurteilt, dass Bezirke ihr Vorkaufsrecht nicht mehr mit der Annahme begründen dürfen, dass Mie­te­r:in­nen durch die Käu­fe­r:in­nen verdrängt werden. Ausnahmen gebe es nur da, wenn Grundstücke nicht mehr nach ihrer Bestimmung genutzt würden. In der Folge war die Zahl von ausgeübten Vorkaufsrechten und abgeschlossen Abwendungsvereinbarungen eingebrochen.

In Berlin waren die Mie­te­r:in­nen von 384 Häusern durch entsprechende Vereinbarungen geschützt worden, 143 Häuser waren es allein im Jahr 2020. Nach dem Urteil ging diese Zahl 2022 auf vier zurück. Nur noch 45 Mie­te­r:in­nen wurden so geschützt.

Das im Koalitionsvertrag der Bundesregierung formulierte Vorhaben das Vorkaufsrecht wiederherzustellen, ist zwar im Interesse des Bundesbauministeriums von Klara Geywitz (SPD), wird jedoch im FDP-geführten Bundesjustizministerium blockiert.

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2 Kommentare

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  • Es wird immer weniger Wohnraum geben und dieser wir immer unbezahlbarer. Daran wird sich die nächsten 10 Jahre nichts ändern, selbst wenn man endlich mit dem sozialen Wohnungsbau ernsthaft beginne würde. Denn die Bauunternehmer picken sich die lukrativen Aufträge raus, dazu gehört sozialer Wohnungsbau nicht.



    Und noch mehr und noch besserer Mieterschutz klingt erst mal richtig gut, kann auch teilweise richtig sein, vertreibt aber alle Investoren, die privaten zuerst.

    • @Rudi Hamm:

      Den Bauunternehmern ist es egal, was gebaut wird - die sind aktuell froh überhaupt Großaufträge für 2024 zu bekommen.

      Es finden sich nur immer wenige Bauherren, die aufgrund der höherenKosten (Finanzierungskosten x 3-4, Baukosten) überhaupt bauen wollen.

      Bereits vor dieser geänderten Situation, war sozialer Wohnungsbau in Berlin nicht beliebt. Hieran ist aber der damalige Senat mitverantwortlich. Die Förderung + die vorgegebenen Mieten bedeuteten rein mit den Baukosten in den meisten Fällen leicht negative Einkünfte. Hier ist noch nicht das Grundstück mit eingerechnet. Warum soll also jemand bauen, arbeiten etc., wenn er dafür etwas zahlt?