piwik no script img

Grenze zwischen Mexiko und USASie wollen kein Auffanglager werden

USA hat die Einreise für asylsuchende lateinamerikanische Migranten erschwert. Mexiko zieht nun nach. Grund dafür ist das Auflaufen des „Titels 42“.

Hunderte von Geflüchteten warten weiterhin an der Grenzmauer zu den USA Foto: Gregory Bull/ap

Oaxaca taz | Der große Ansturm blieb aus. „Es befinden zwar weiterhin sehr viele Nichtbürger an der Grenze, aber wir sehen keine substanzielle Zunahme“, erklärte das US-Sicherheitsministerium, nachdem in der Nacht zum Freitag in den USA eine Regelung ausgelaufen war, die besonders schnelle Abschiebungen ermöglichte. Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard gab ebenfalls Entwarnung. Der Zustrom von Mi­gran­t*in­nen gehe zurück, es habe keine gewaltsamen Auseinandersetzungen gegeben, sagte er.

Dennoch ist die Lage an der Grenze zwischen Mexiko und den USA angespannt. Zehntausende Menschen aus Haiti, Venezuela, Kuba und Mittelamerika reisten in den letzten Wochen an den Rio Bravo, der die beiden Staaten trennt. Überfüllte Herbergen sowie unzählige Lagerstätten auf den Straßen zeugen von der Hoffnung, die viele in das Auslaufen jenes „Titel 42“ legten. Mit der Regelung, die unter Donald Trump zu Pandemiezeiten eingeführt wurde, konnten bis Donnerstag illegal in die USA Eingereiste aus gesundheitspolitischen Gründen sofort wieder abgeschoben werden. Das ist nun vorbei.

Trotzdem sei die Grenze keineswegs offen, stellte die US-Regierung schnell klar. „Wer nicht die legalen Wege nutzt, um in die USA einzureisen, muss mit noch härteren Konsequenzen rechnen, bis hin zu einem fünfjährigen Einreiseverbot oder einem Strafverfahren“, sagte Sicherheitsminister Alejandro Mayorkas. Mit dem „legalen Weg“ meint er eine App, mit der Asylsuchende in Mexiko einen Termin mit den US-Behörden vereinbaren können. Doch Betroffene berichten, die App namens „CBP One“ funktioniere schlecht und sei meist überlastet. Ohnehin werden täglich höchstens 1.000 Anhörungen vergeben.

Alternativ müssen Schutzsuchende nachweisen, dass sie in Durchreiseländern einen Asylantrag gestellt haben und dieser abgelehnt wurde. Illegal Eingereiste werden sofort wieder abgeschoben, wenn sie nicht glaubhaft nachweisen können, dass sie in ihrem Herkunftsland verfolgt werden. Viele dieser Maßnahmen existierten schon, wurden aber unter Titel 42 kaum angewandt.

Kein Chaos und keine Gewalt an der Grenze

Mexikos Außenminister Ebrard ist zufrieden: „Die USA erfüllen ihren Teil. Sie haben 360.000 Genehmigungen für jene angeboten, die ihr Verfahren über CBP One angehen.“ Dem Auslaufen des Titel 42 waren Verhandlungen zwischen den beiden Regierungen vorausgegangen.

Und wie sich jetzt zeigt, ist Mexiko bereit, die Wanderungsbewegungen einzudämmen. „Wir werden der US-Regierung in allem helfen und mit ihr kooperieren, damit es an der Grenze kein Chaos und erst recht keine Gewalt gibt“, erklärte Präsident Andrés Manuel López Obrador am Freitag. An die Grenzen wurden weitere Nationalgardisten und andere Sicherheitskräfte mobilisiert.

Künftig keine humanitären Visa mehr

Zudem stellen Mexikos Migrationsbehörden künftig keine „humanitären Visa“ mehr aus. Diese Dokumente ermöglichten es bislang, 30 Tage legal durch Mexiko zu reisen. Das nutzten viele, die an Mexikos Südgrenze einreisten und an der Nordgrenze wieder rauswollten. Die Visastreichung heißt nun, dass sich nun noch mehr Menschen in die Hände der Mafia begeben müssen, um den Rio Bravo zu erreichen. Oder sie müssen sich verstecken.

„Die Menschen werden weiter Richtung USA reisen, nur mit weniger Garantien“, kritisiert Migrationsexperte Oswaldo Valenzuela von der Iberoamerikanischen Universität Torreón. Einmal mehr habe Präsident López Obrador akzeptiert, die Drecksarbeit für die USA zu übernehmen, kommentiert Raymundo Riva Palacio in der Zeitung El Financiero.

Ganz anders stellt sich die Sache für die Regierung dar: Es sitzen immer mehr Menschen in Mexiko fest. Wegen der schlechten Bedingungen müssen 33 Sammelstellen geschlossen und überprüft werden, nachdem im März beim Brand eines Internierungslagers für Mi­gran­t*in­nen 40 Menschen starben. Am Freitag erklärte Außenminister Ebrard, man werde wegen fehlender Kapazitäten maximal 1.000 aus den USA Abgeschobene aufnehmen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Venezuela und Haiti: Das Leben in diesen beiden Ländern ist völlig unzumutbar. Bei in Summe 39 Millionen Einwohnern sind pro Jahr 360.000 Verfahren über CBP One einfach zu wenig. Da braucht es ja Jahrzehnte, um diese beiden Länder zu evakuieren.

    • @Winnetaz:

      Daraus könnte man schließen, dass man die Evakuierung nicht allein den USA überlassen sollte.

      Besser als Haiti oder Venezuela ist es wohl fast überall.