piwik no script img

Kambodscha vor den WahlenAngriff auf die Zivilgesellschaft

Justiz geht gegen Gewerkschafter, Bauernaktivisten und die Oppositionspartei vor. So sichert sie dem Dauerherrscher Hun Sen die Macht.

Schild der jetzt nicht zugelassenen Kerzenlicht-Partei. Die Kerze war Symbol der verbotenen CNRP Foto: Heng Sinith/ap/dpa

Berlin taz | Finstere Tage für die fragilen Reste der Demokratie in Kambodscha: Ein Gericht in der Hauptstadt Phnom Penh hat am Donnerstag acht Ge­werk­schaf­te­r*in­nen wegen angeblicher „Aufwiegelung“ zu ein bis zwei Jahren Haft verurteilt, berichtete das Webportal Cambojanews des unabhängigen Journalistenverbandes.

Am selben Tag bestätigte das Verfassungsgericht des südostasiatischen Königreichs die Nichtzulassung der oppositionellen Kerzenlicht-Partei zu den Parlamentswahlen Ende Juli. Sie hatte als einzige Partei der Opposition Aussichten auf einen substantiellen Stimmenanteil.

Erst wenige Tage zuvor waren drei Landrechtsaktivisten der Bauernkoalition CCFC wegen angeblicher Verschwörung angeklagt worden. Am Machterhalt des seit 1985 amtierenden und von China gestützten Ministerpräsidenten Hun Sen und seiner Kambodschanischen Volkspartei (CPP) gibt es damit keinen Zweifel. Derzeit baut der 70-jährige Dauerherrscher seinen Sohn Hun Manet, einen hohen Offizier, als Nachfolger auf.

Die 34-jährige Chhim Sithar erhielt jetzt als Vorsitzende der Gewerkschaft der 8.600 Casino-Arbeiter*innen (LSRU) des Glücksspielkonzerns NagaWorld zwei Jahre Haft für das Anführen eines Streiks. Die LSRU wehrte sich gegen die Entlassung von 1.321 Angestellten eines von einem malaysischen Tycoon geführten Casino-Konzerns mit besten Beziehungen zur Regierung, die vor allem auf Gewerkschaftsmitglieder zielte.

Juristisch fragwürdige Verfahren

Sithar hatte schon einige Monate in U-Haft gesessen, bevor sie auf Kaution freigelassen worden war. Im Dezember wurde sie bei der Rückkehr von einer Konferenz aus Australien erneut festgenommen. Angeblich hatte sie ein Reiseverbot missachtet, das ihren Anwälten aber nicht mitgeteilt worden war. Auch hatte sich das Gericht bisher nicht daran gestört, dass Sithar zuvor schon zweimal nach Thailand gereist war.

Juristisch fragwürdig ist auch der Parteiausschluss zur Wahl: Die Kerzenlicht-Partei darf jetzt nicht antreten, weil sie beim Antrag auf Wahlzulassung ihre Registrierung als Partei nicht vorlegen konnte. Doch die war einige Monate zuvor bei einer Razzia der Polizei beschlagnahmt worden.

Auch die Festnahme der CCFC-Bauernaktivisten, für deren Freilassung es in den letzten Tagen Demonstrationen gab, ist nach Meinung von Beobachtern politisch motiviert: „Die haltlosen Anklagen sollen den friedlichen Widerstand gegen Landraub in Kambodscha unterdrücken“, erklärte Mathias Pfeifer von der Menschenrechtsorganisation Fian in Köln.

Parlament schon jetzt ohne Oppositionspartei

Kambodschas Justiz ist nicht unabhängig, sondern folgt den Vorgaben und Interessen der autoritären Regierung. Die Bevölkerung ist zunehmend eingeschüchtert. Viele trauen sich nicht mehr, ihre Meinung zu sagen.

Längst ist die CPP die einzige Partei im Parlament, nachdem die oppositionelle Partei CNRP (Kambodschanische Nationale Rettungspartei), die Vorgängerin der Kerzenlicht-Partei, 2017 verboten worden war. Der CNRP-Vorsitzende Khem Sokha wurde im vergangenen März zu 27 Jahren Haft verurteilt.

Im Februar war dem Webportal Voice of Democracy als einem der letzten unabhängigen Medien die Lizenz entzogen worden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare