Neuer Vampirfilm mit Nicolas Cage: Stell dich deinem Dämon

Die Horrorkomödie „Renfield“ widmet sich dem Diener von Graf Dracula. Er will sich aus der toxischen Beziehung zu seinem narzisstischen Herrn lösen.

Graf Dracula steht mit ausgebreiteten Armen und offenem Mund da. Hinter ihm dringt Sonnenlicht durch die Fenster

Der gute alte Dracula, hier dargestellt von Nicolas Cage Foto: Universal Studios

Über den schillernden Vampir – gerade über den erlauchten Graf Dracula, die wohl berühmteste Nachtgestalt – wurden bereits viele Worte verloren, Filme gedreht und Serien produziert. Aber wer sind eigentlich seine Gehilfen? Die, die sich anders als er in die Sonne wagen können, dort seine Geschäfte – oder schlicht das nächste „Opfer“ – organisieren und sich dabei die Hände schmutzig machen müssen?

In Bram Stokers kanonischem Roman „Dracula“ ist Renfield sein loyalster Diener. Und gleichsam einer, der über dieses Dienen verrückt geworden ist. Als Insasse einer Irrenanstalt verspeist er Insekten in der Hoffnung, sich ihre Lebenskraft zu eigen machen zu können. In der Überzeugung, dass es der Ursprung des ewigen Lebens sei, beginnt er später schließlich Blut zu trinken.

Gehilfe leidet unter „Co-Abhängigkeit“

Nach der tragischen Figur, die in Filmadaptionen etwa von Dwight Frye, Klaus Kinski und Tom Waits porträtiert wurde, ist das „Renfield-Syndrom“, als ein anderer Ausdruck für klinischen Vampirismus – das zwanghafte Bedürfnis, Blut zu trinken – benannt. Regisseur Chris McKay („The Lego Batman Movie“) und Drehbuchautor Ryan Ridley („Community“) rücken den Diener Draculas nun ins Zentrum der Aufmerksamkeit, und nähern sich ihm dabei ebenfalls über eine psychische Störung.

„Renfield“. Regie: Chris McKay. Mit Nicholas Hoult, Nicolas Cage u. a. USA 2023, 94 Min.

Allerdings über eine, die dem leichtherzigen Ton einer Horrorkomödie, als die sich ihr Film versteht, angemessener ist: Der titelgebende „Renfield“, gespielt von einem Nicholas Hoult, dessen Aufzug stark an die Frontsänger großer Emo-Bands der 2000er Jahre, wie My Chemical Romance, erinnert, leidet unter seiner „Co-Abhängigkeit“ – und zwar vom Fürsten der Finsternis persönlich.

Ein manipulativer dracula

Mit einem Augenzwinkern greift der Film damit die gerade in den sozialen Medien boomende, in TikTok-Clips, Instagram-Beiträgen, kostenlosen Persönlichkeitstests und Beziehungs-Podcasts oft auf das Niveau bloßer Küchentischpsychologie verkürzte „Bindungstheorie“ auf. Die verschiedenen Bindungsstile sollen Aufschluss darüber geben, wie man sich in zwischenmenschlichen, oftmals romantischen Beziehungen verhält.

Wie die toxische, wenn auch platonische Beziehung aussieht, die Renfield zu seinem Herrn unterhält, verdeutlicht ein rasanter Rückblick zu Beginn des Films: Dracula wird wieder einmal von Vampirjägern heimgesucht. Gerade ist es ihnen gelungen, den Blutsauger in einem Schutzkreis zu bannen, als Renfield den Saal betritt. Während ihn die Verfolger beschwören, sich ihnen anzuschließen, setzt Dracula unmittelbar zur Manipulation an: „Ich bin deine einzige Rettung. Ich bin dein einziger Freund. Ich bin der Einzige. Der Einzige, der sich um dich kümmert“, mahnt er seinen treuen Diener mit einem höhnischen Lächeln, wohl wissend dass er damit die exakte Schwachstelle von Menschen trifft, die sich in Beziehungen zuerst nach Bestätigung sehnen.

Und es funktioniert: Renfield durchbricht den Kreis galant mit einem Pantoffel, woraufhin sein Herr grausame Rache an seinen Kontrahenten nimmt.

Affektiertheit und Eleganz

Die außergewöhnliche Prämisse ist die wohl größte Stärke des Films. Nicolas Cage in der Rolle des Grafen Dracula erweist sich dabei unerwartet als enorme Bereicherung. Die Besetzung des Schauspielers, der nach seinem Karrierehöhepunkt in den Neunzigern immer wieder durch zweifelhafte Auftritte in anspruchsfreien Actionstreifen in Erscheinung tritt und ein charmantes Potenzial zur Selbstironie erwies, als er sich in der Komödie „Massive Talent“ selbst spielte, passt zum scherzhaft-spöttischen Ton, der den Film durchzieht.

Überraschenderweise mimt Nicolas Cage den Fürsten der Finsternis, der bei der Attacke durch Sonnenlicht schwere Verbrennungen erlitt und sich über die knappe Spielzeit von 93 Minuten erst nach und nach wieder herstellt – aber auch qua eines gelb verfärbten Gebisses aus angespitzten Zähnen nicht gerade durch Ansehnlichkeit besticht –, mit einer einnehmenden Mischung aus Affektiertheit und Eleganz. Leider weiß „Renfield“ weder das Potenzial des vielversprechenden Ausgangspunkts noch sein überzeugendes Casting richtig auszuschöpfen und verliert sich bald in einem stumpfen Krimiplot.

Chance zur Weltherrschaft

Renfield nimmt an der Selbsthilfegruppe „Dependent Relationship: Anonymous Addiction Group“ teil, um die nächsten Opfer für seinen Herrn auszuwählen. Er hört sich die Geschichten seiner Leidensgenossen an, um ihre Peiniger ausfindig zu machen. Er wählt also andere Monster, um damit sein eigenes zu füttern.

Dabei gerät er unversehens zwischen die Fronten einer Mafiafamilie, insbesondere den zur Prahlerei neigenden, letztlich aber unfähigen Sohn der Anführerin Bellafrancesca Lobo, und der Polizistin Rebecca Quincy, die sie als einzige nicht korrupte Ermittlerin New Orleans dingfest machen will. Während sich zwischen Renfield und Rebecca ein Flirt anbahnt, sieht Dracula in der Familie seine Chance zur Weltherrschaft gekommen.

Ein „empowernder“ Beziehungstipp

Die Beziehung zwischen Renfield und Dracula selbst gerät bis zum großen Finale so zusehends ins Hintertreffen und wird bald von einer Aneinanderreihung überaus blutiger, absurd gewalttätiger Kampfszenen verdrängt. Dank eines launigen Soundtracks und einer dynamischen Inszenierung gestaltet sich das über weite Strecken immerhin unterhaltsam.

Echten Biss entwickelt „Renfield“ so allerdings nicht, echte Spuren wird er keine hinterlassen. Höchstens einen weiteren „empowernden“ Beziehungstipp: Auch Co-Abhängige sind zu Großem fähig, wenn sie sich endlich ihrem Dämon stellen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.