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Italien-Rundfahrt vor der EntscheidungWenn die Luft dünner wird

Beim Giro d’Italia müssen die Favoriten in der entscheidenden Woche ihre Zurückhaltung ablegen. Primož Roglič ist in der Favoritenrolle.

Primož Roglič (l.) rollt auf der 8. Etappe hinter dem Briten Tao Geoghegan Hart ins Ziel Foto: Jennifer Lorenzini/reuters

Zwei Wochen war Kuscheln angesagt unter den Favoriten des Giro d’Italia. In der kommenden Woche aber müssen die Top-Stars Geraint Thomas und Primož Roglič zeigen, dass sie den Giro wirklich gewinnen und ihn nicht nur nicht verlieren wollen. Für den Bremer Lennard Kämna bedeutet das zudem einen erhöhten Belastungstest bei seinem ersten Versuch, eine Grand Tour auf Klassementergebnisse hin zu fahren. Es wird ernst beim rosa Rennen.

Bislang waren Primož Roglič und Geraint Thomas so etwas wie Zwillinge, bei denen nicht einmal nach der Geburt die Nabelschnur getrennt worden war. In trauter Eintracht passierten sie die Ziellinie. Sie waren so eng miteinander verbandelt, dass sie sogar gemeinsam stürzten. Auf der 11. Etappe war das. Im Klassement liegen sie nur zwei Sekunden auseinander.

Seit dem Corona-bedingten Ausscheiden des Top-Favoriten Remco Evenepoel haben sich die verbliebenen Podiumsanwärter auf eine Art Nichtangriffspakt und maximale Stressvermeidung geeinigt. Thomas, dem nach Evenepoels Aus das rosa Trikot auf die mageren Schultern fiel, gab dieses Leibchen nach ein paar fröhlichen Tagen des Tragens wieder ab.

Auf der verkürzten 13. Etappe nach Crans Montana ordnete er seinen Mitstreitern vom Team Ineos ein eher gemächliches Tempo im Peloton an. Die Fluchtgruppe verschaffte sich mehr als 20 Minuten Vorsprung. Das war genug, damit der Bestplatzierte der Ausreißer, der Franzose Bruno Armirail, das rosa Trikot übernehmen konnte. „Genau die richtige Entscheidung“, ließ sich ein entspannt auf dem Bett lungernder Thomas in einer Videobotschaft vernehmen. „Wir wollten unsere Jungs nicht verheizen“, erklärte er. Und dass das Trikot jetzt weg sei, sei auch gar nicht tragisch.

Duell der Zauderkönige

Armirail hingegen konnte sein Glück kaum fassen. „Ich bin doch nur als Helfer hergekommen. Und wir hatten als Ziel, Thibaut Pinot in Rosa zu bringen“, sagte der Franzose. Aber sein Kapitän Pinot ist nicht nur ein dramatisch schlechter Zeitfahrer für einen Klassement­aspiranten, er verlor auch beim Klettern im Mittelgebirge Zeit.

Armirail hingegen ist aktueller Landesmeister in dieser Disziplin. In den Bergen dürfte er aber das Trikot schnell abgeben, wohl schon auf der heutigen 16. Etappe von Sabbio Chiese nach Monte Bondone. Fünf Bergwertungen gilt es zu meistern – einem der beiden Zaudererkönige Thomas oder Roglič dürfte das Trikot am Abend zufallen.

Die größeren Aussichten hat Roglič. Ihm kam der Nichtangriffspakt mit Thomas zupass. Er konnte seine Sturzwunden etwas heilen lassen. Für ihn spricht auch, dass sein Team Jumbo-Visma noch vollzählig ist. „Er hat das stärkste Team und damit auch die besten Aussichten auf den Gesamterfolg“, meinte Davide Cassani, früherer Nationaltrainer Italiens, der jetzt beim Giro für E-Räder und Elektromobilität wirbt. Roglič geht gut gelaunt in diese letzte Giro-Woche. „Ich bin ja jetzt ein paar Gramm leichter“, sagte er in Anspielung auf die Schürfwunden nach seinem Sturz.

Entscheidung am Freitag und Samstag

Hoffnung herrscht auch bei Bora hansgrohe. Der Rennstall aus Bayern verlor zwar Alexander Wlassow aufgrund einer Corona-Erkrankung. Teamkollege Lennard Kämna hielt bislang aber seine Zeitverluste in Grenzen und liegt in Schlag­distanz zu Rang 3.

Die Gesamtwertung wird wohl auf den schwierigen Abschnitten am Freitag und Samstag entschieden. Auf der 19. Etappe geht es zunächst zu den gefürchteten Drei Zinnen auf 2.304 Metern Höhe. Die dünne und kalte Luft dürfte den ausgezehrten Rennfahrerkörpern zusätzlich zur Steigung viel abverlangen. Danach wartet das Bergzeitfahren zum Monte Lussari. Das ist ein inzwischen betonierter Ziegenpfad, der bis zu 22 Prozent Steigung aufweist. Hier wird ermittelt, wer sich am Sonntag zum Sieger des 106. Giro d’Italia krönen lassen darf.

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