Neues Album der Dwarfs Of East Agouza: Zwerge, die das Chaos ordnen

Bei den Dwarfs Of East Agouza kommt zusammen, was nicht zusammengehörig scheint: Punk, Experimentelles und arabische Musik. Ein Bandporträt.

Die Musiker Sam Shalabi, Alan Bishop und Maurice Louca (v. l.)

Freunde und Frickler: Sam Shalabi, Alan Bishop und Maurice Louca (v. l.) Foto: Hans Van Der Linden

Alles beginnt in einem Mietshaus in Agouza, einem Stadtteil von Kairo. Im Jahr 2012 treffen hier die drei Musiker Alan Bishop, Sam Shalabi und Maurice Louca aufeinander – sie wohnen alle im selben Haus in dem am westlichen Nilufer gelegenen Viertel.

Bishop und Shalabi haben zu diesem Zeitpunkt schon eine Geschichte in der internationalen Musikszene hinter sich: Bishop war Teil der US-Band Sun City Girls, die von Ende der Siebziger an Punk und Psychedelic Rock mit arabischer Musik fusioniert hat, Shalabi spielte in der nach ihm benannten Experimental-Combo Shalabi Effect und gründete in den Nullerjahren das „Land Of Kush“-Orchester.

In Agouza machen die beiden vor zehn Jahren mit dem Kairoer Musiker und Komponisten Louca gemeinsame Sache – quasi als Hausband. „Sam hatte die Idee, gemeinsam zu spielen. Wir wohnten im selben Gebäude, waren Freunde. Es fühlte sich einfach gut an, zusammen zu improviseren“, sagt Louca heute.

Aus dem guten Gefühl entsteht eine Band: The Dwarfs Of East Agouza („Die Zwerge von Ost-Agouza“). Es soll weit mehr als bloß ein Seitenprojekt der drei werden, im Lauf der Zeit stimmen sie sich immer besser aufeinander ab, komponieren in Echtzeit zusammen.

Die Freiheit, nicht proben zu müssen

„Wir spielen nicht nur um des Spielens willen, sondern wir versuchen immer etwas Neues zu kreieren, auch in einem Improv-Kontext“, erklärt Louca. „Mittlerweile haben wir vollständiges Vertrauen zueinander – in dem Sinne, dass wir die Richtungen, die die anderen einschlagen, nachvollziehen und verstehen können.“ Das bislang bekannteste Album der Dwarfs ist ihr Debütalbum „Bes“ (2016). Kürzlich erschien ihr live eingespieltes neues Album „High Tide in the Lowlands“.

The Dwarfs Of East Agouza: „High Tide In The Lowlands“ (Sub Rosa/Boomkat)

Bishop, Shalabi und Louca sitzen an einem Aprilmorgen in einem Musikstudio in Berlin-Kreuzberg, zwei Tage zuvor haben sie ein gefeiertes Freejazz-Set im Hebbel am Ufer gespielt. Nun feilen sie an neuen Aufnahmen, vorher nehmen sie sich noch Zeit für ein Interview bei (jeweils) zwei, drei Morgenzigaretten.

Für Shalabi sind die Dwarfs eine Band aus Freunden, die ein musikalisches Gespür füreinander entwickelt haben: „Ich bin einfach gern mit den Jungs zusammen. Und genieße die Freiheit, eine Gruppe zu haben, mit der man nicht proben muss.“

Bishop sieht auch im Scheitern beim Musikmachen eine Chance: „Wir sind natürlich nicht immer erfolgreich beim Komponieren in Echtzeit. Aber je mehr du im Zusammenspiel riskierst, desto besser lernst du dich kennen.“

Das Besondere an dieser Band liegt wohl in einem Zusammentreffen zweier Welten, die erst einmal nicht zusammengehörig scheinen: Punk und experimenteller Rock auf der einen und arabische Musik auf der anderen Seite. Shalabi und Bishop haben beide einen arabischen Background, sind aber in Kanada bzw. den USA aufgewachsen.

„In meinem Elternhaus lief arabische Musik, zum Beispiel die von Mohammed Abdel Wahab und Om Kalsoum“, erzählt Shalabi. „Im Teenager-Alter bin ich dann mit Punkrock in Berührung gekommen, später mit Jazz und Improv.“ Bishop entdeckte Ende der Siebziger Punk und Psychedelic Rock, als er in Phoenix, Arizona lebte.

Gemeinsam mit seinem Bruder Richard Bishop gründete er damals die Sun City Girls. Er sei groß geworden mit der Musik des ägyptischen Gitarristen Omar Khorshid oder des syrisch-ägyptischen Sängers Farid el Atrache, erzählt Bishop.

Vitale Szene in Kairo

Der Dritte im Bunde, Maurice Louca, ist jünger als die anderen, er ist 1982 in Kairo geboren und lebt dort bis heute. Als Solomusiker ist er mit seinem tollen Album „Salute the Parrot (2014)“ in der experimentellen Musikszene bekannt geworden, da­rauf verbindet er elektronische Beats mit arabischer Melodik und Rhythmik sowie Rock-Elementen.

Die Kairoer Musikszene hat die Dwarfs merklich geprägt, aus der ägyptischen Hauptstadt sind zuletzt etwa auch Maryam Saleh und Nadah El Shazly einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. „Der Ort, an dem Musik entsteht, beeinflusst einen immer“, sagt Shalabi. „Kairo ist ein sehr chaotischer Ort, vielleicht versuchen wir in unserer Musik das Chaos ein bisschen zu ordnen.“

Auch in geordneten Bahnen klingt diese Musik noch sehr frei, freejazzig und psychedelisch. Auf „High Tide In The Lowlands“ kreuzen sich die fast rhythmisch eingesetzte Oud von Shalabi mit repetitiven Gitarrenmustern, die Bishop spielt. Letzterer ist auch am Saxofon zu hören, während Louca mit Synthesizern für knisternde, wabernde, flächige Klänge sorgt und völlig andere Muster einbringt.

Die drei Zwerge bringen nicht nur Ordnung ins Chaos, sie laufen hier auch zu großer Form auf – wie gut, dass sie einst in Agouza aufeinander trafen.

Der Text ist in der taz-Verlagsbeilage „Global Pop“ erschienen

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