Ohne Geld kein linker Jourmalismus: Jung, brutal, mittellos

„Straßen aus Zucker“, die größte linke Jugendzeitung Deutschlands, kämpft ums Überleben. Jetzt sammelt sie Spenden.

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Spendenaktion „Druck gegen Rechts“: Künst­le­r*in­nen stellen ihre Motive kostenlos zur Verfügung Foto: druckgegenrechts

Als die linke Jugendzeitung Straßen aus Zucker (SaZ) im Zuge der Finanzkrise 2009 gegründet wurde, wollte sie vor allem eine „niederschwellige“ linke Stimme sein und junge Menschen ansprechen. Doch jetzt steht das Projekt auf der Kippe – und sammelt Spenden.

Die SaZ entsteht nach dem Motto: Man muss nicht mit Begriffen wie „Degrowth-Kommunismus“, „postfaschistisch“ oder „cisgeschlechtlich“ jonglieren können, um gesellschaftliche Verhältnisse infrage zu stellen. „Da die Verhältnisse kompliziert sind, ist es nicht leicht, sie einfach zu beschreiben. Aber es ist nicht unmöglich“, sagt SaZ-Redakteurin Jenny Kiekbusch* über den Ansatz. Bisher sind 18 Ausgaben erschienen, mit Titeln wie „Nationalismuskritik“, „Religionskritik“ und „Gefühle in Zeiten der kapitalistischen Produktionsweise“.

Die SaZ bezeichnet sich selbst als „anspruchsvoller als die taz, größer als die Welt, zeitgemäßer als Konkret – und prekärer als die Frankfurter Rundschau“. Wie viele linke Projekte ist auch die SaZ finanziell schlecht aufgestellt. Deshalb hat sie einen Spendenaufruf gestartet und sich an andere Medien gewandt. Unter anderem an die taz, der sie schon viele Male beilag. Während der Pandemie seien wichtige Einnahmequellen wie Partys oder Festival-Jobs der Redaktionsmitglieder weggebrochen, sagt Kiekbusch.

Teurer Tortenwurf

Bis 2016 wurde die SaZ außerdem von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert, die der Linkspartei nahesteht. Doch dann gab es den berüchtigten Tortenwurf auf Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht auf dem Magdeburger Parteitag. Diese Torte soll von einer Person geworfen worden sein, die sich über die SaZ akkreditiert haben soll. Daraufhin stellte die Stiftung die ausgabengebundene Förderung ein. Die Redaktion bestreitet ihre Beteiligung an der Aktion und bedauert, dass von der Stiftung kein Geld mehr kommt.

Seitdem ist das Zeitungsprojekt fast ausschließlich auf Spenden angewiesen. Die SaZ betreibt kein klassisches Anzeigengeschäft, sondern schaltet lediglich Austausch-Anzeigen, die in der Regel kein Geld einbringen. Druck und Versand kosten pro Ausgabe rund 12.000 Euro. Laut Redakteurin Kiekbusch hat die SaZ Schulden.

Um die nächste Ausgabe zum Thema „Protest“ dennoch drucken und verteilen zu können, hat die Redaktion eine Spendenaktion namens „Druck gegen Rechts“ gestartet. Künst­le­r*in­nen stellen dabei ihre Motive kostenlos für Drucke zur Verfügung, die in Berlin, Hamburg und Leipzig erworben werden können – beispielsweise in der Schwankenden Weltkugel im Prenzlauer Berg und im Spielzeugladen Wonnecitz in Leipzig. Die Erlöse gehen an die SaZ.

Geld bekommt hier niemamd

Der Spendenaufruf soll nicht nur die nächste Ausgabe sichern, sondern Straßen aus Zucker wieder bekannter machen. Die Redaktion sei wieder gewachsen, berichtet Kiekbusch, und bestehe aus etwa zehn Mitgliedern zwischen Anfang 20 und Ende 30. Sie alle schreiben, ohne Geld dafür zu bekommen. Mal argumentieren sie, dass Klimaprotest antinationalistisch sein muss, mal beschreiben sie, warum Arbeit im Kapitalismus krank macht, mal interviewen sie Martin Sonneborn.

Und das alles „ohne den Duktus der Linken“, wie Kiekbusch es beschreibt, um möglichst viele Menschen zu erreichen. „Wer mal ein Flugblatt einer linken Unigruppe in der Hand hatte, weiß, was ich meine. Manchmal fragt man sich: Was wollen die mir eigentlich sagen?“ Im Gegensatz dazu will die SaZ ohne viele Fremdwörter, Szenecodes und Schachtelsätze auskommen.

Wichtig ist ihr, Milieus zu erreichen, die man sonst nicht mit einem linksradikalen Debattenmagazin in Verbindung bringen würde. „Es lohnt sich, nicht mit verschränkten Armen vor dem Rest der Gesellschaft zu stehen“, sagt Kiekbusch. „Wir verteilen unsere Zeitung auch auf Demos, dir wir als teilweise bürgerlich begreifen. Bestimmte Klimaproteste zum Beispiel, an denen wir auch Kritik üben.“ Gerade dort sei es wichtig, in Austausch zu treten.

Ansonsten wird die bemerkenswerte Auflage von 150.000 Stück deutschlandweit an Unis, Schulen und auf Veranstaltungen verteilt. Laut Kiekbusch ordern hunderte Menschen Exemplare, um sie in ihrem Umfeld zu verteilen. „Viele Leute schreiben uns: Durch euch bin ich politisch geworden!“

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