Punk-Kandidat für Kommunalwahl auf Sylt: „Ich krieg' ungefähr kein Prozent“

Jörg Otto war Sprecher des Punk-Camps auf Sylt. Jetzt will für die Linke in die Gemeindevertretung einziehen.

Jörg Otto grinst mit nach oben gestrecktem Daumen in die Kamera.

Auch wenn gerade die Sonne aufgeht: Jörg Otto wird wohl nicht der König von Westerland werden Foto: privat

Sylt ist eine benachteiligte Region: Mit dieser – auf den ersten Blick überraschenden – Botschaft tritt Jörg Otto bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein an. Der 46-Jährige, der als Sprecher des Punk-Camps im vergangenen Sommer bundesweit bekannt wurde, will für die Linke in die Gemeindevertretung einziehen. Große Chancen auf einen Sitz im Inselparlament rechnet er sich zwar nicht aus, aber Sylts Zukunft möchte er dennoch mitgestalten.

Ein paar Mitglieder des heutigen Gemeinderats lernte Otto im vergangenen Sommer schon kennen: Der gebürtiger Stormaner, der lange in Hamburg gelebt hat, gehörte zu den Punks, die damals mit dem Neun-Euro-Ticket auf die Insel kamen. Straßenkunst habe er gemacht, mit vielen Leuten geredet und dafür gesorgt, dass die Szene friedlich bliebe, berichtet er. Nach außen trat der Mann mit dem rot gefärbten Iro-Haarschnitt als einer der Sprecher der Gruppe auf, auch mit Gemeinderäten sprach er damals: „Die kamen in Shorts und Birkenstock-Sandalen ins Camp, es waren ganz lockere Gespräche.“

Auf der Homepage der Gemeinde Sylt, die mehrere Inselorte umfasst, zeigt ein Foto die aktuelle Vertretung: viele ältere Herren in Anzug und Krawatte, einige wenige Damen. Sieben Parteien sitzen zurzeit im Rat, die CDU dominiert deutlich, es folgen mit je vier Sitzen gleichauf SPD, Grüne und die Wählergemeinschaft „Die Insulaner“. Als Vertreter der Linken „krieg ich wahrscheinlich ungefähr kein Prozent“, sagt Jörg Otto. „Ich werde also nicht König von Westerland.“ Das findet er aber nicht schlimm: „Politik machen geht auch außerhalb der Parlamente.“

Auf der Insel blieb Otto der Liebe wegen, den Winter über wohnte er bei seiner Freundin. Die Beziehung ist beendet, Otto sucht zurzeit einen Job und eine möglichst billige Wohnung. Das ist bekanntlich schwierig auf der Insel, mit ebenso bekannten Folgen: „Die Bevölkerung von Sylt hat sich in den vergangenen Jahren halbiert“, sagt Otto. „Jenseits der Schicki-Micki-Szenerie ist die Insel echt arm.“ Um die Nachteile auszugleichen, müsse Sylt eine „Sonderregion“ werden, verlangt der Linke.

Akuter Mangel an Wohnraum

Zurzeit diskutieren die Syl­te­r*in­nen über ein neues Beherbergungskonzept, das keine neuen Ferienwohnungen mehr zulassen würde. Denn der Massentourismus und der Ausverkauf der Insel an die Reichen „ist den Leuten zuwider“, glaubt Otto.

Er selbst ist zwar Neu-Sylter, kennt aber den Kampf gegen kapitalistische Strukturen aus langer Erfahrung in Hamburg. „Auch auf der Reeperbahn gibt’s fast keine Wohnungen mehr, nur noch Business“, sagt Otto. Auf Sylt sei inzwischen eine ähnliche Widerständigkeit wie auf dem Hamburger Kiez festzustellen. Das habe er etwa bei den Protesten um den Abriss eines traditionsreichen Gasthofs deutlich gemerkt. „Es gibt viele politische Gruppen und Initiativen“, sagt Otto. Und er ist überzeugt: „Die Leute wollen die Probleme jetzt selbst in die Hand nehmen.“

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