Dinah Riese über die Flüchtlingspolitik der Ampel: Im Chor mit der Union
Es ist amtlich: Die Bundesregierung will lieber Unsummen in Zäune an den EU-Außengrenzen und Kontrollen an europäischen Binnengrenzen stecken, als Kommunen nachhaltig bei der Versorgung Geflüchteter zu unterstützen.
Eigentlich wollte der Bund keinen Cent mehr drauflegen, nun wurde es doch 1 Milliarde Euro. Worauf Bund und Länder sich aber nicht einigen konnten, ist, wie die Finanzierung über dieses Jahr hinaus aussehen soll.
Noch bevor Scholz in der Pressekonferenz die Milliarde überhaupt erwähnte, erklärte er, wovon es außerdem „mehr“ geben soll: mehr Abschiebungen, mehr Abschiebehaft, mehr sichere Herkunftsstaaten, mehr Verstöße gegen das auch für Geflüchtete geltende Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung.
All das fand sich schon im Gipfel-Entwurfspapier des Bunds, als Tauschangebot: Wir geben euch kein Geld, stattdessen werden wir die Leute los. Jetzt gibt es Geld – und die Abschiebedebatte läuft weiter. Ganz ohne Not hat die Ampel die Erzählung der Union weitergetragen, Deutschland breche zusammen unter einer Last von Menschen, die hier nichts verloren haben. Mit der Realität hat das wenig zu tun.
Der allergrößte Teil derer, die 2022 nach Deutschland flüchteten, kommt aus der Ukraine. Von den rund 100.000 Menschen, die dieses Jahr Asyl beantragt haben, kommt fast die Hälfte aus Syrien oder Afghanistan. Die Schutzquote für Asylsuchende war 2022 auf einem Rekordhoch.
An den aktuellen Herausforderungen ändert sich nichts, wenn die Regierung im Chor mit der Union über Abschiebungen fantasiert, die es nicht geben wird. Da ist es fast konsequent, die Menschen bereits an der Einreise in die EU zu hindern. Wem aber als Antwort auf Krieg, Folter und Verfolgung nur Zäune, Haftzentren und Grenzschutzmissionen einfallen – der braucht von einem Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik nicht zu sprechen. Und zu Rechtsstaatlichkeit und Menschenwürde sollte er erst recht schweigen.
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