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Bedingungen für Rückkehr nach MyanmarRohingya lehnen Plan der Junta ab

Eine nach Bangladesch geflohene Rohingya-Delegation begutachtet Rückkehrkonditionen von Myanmars Militärjunta. Ihre Bewertung fällt negativ aus.

Die Delegation der Rohingya-Flüchtlinge auf dem Weg von Bangladesch nach Myanmar Foto: Tanbirul Miraj Ripon/EPA-EFE

Berlin taz | „Wir wollen nicht in Lagern leben, sondern unser Land zurück und darauf Häuser bauen. Wir kommen nur zurück, wenn wir die Staatsbürgerschaft und die damit verbundenen Rechte bekommen.“ Das sagte der 36-jährige Oli Hossain am Samstag der Agentur Reuters.

Hossain war einer von 20 Rohingya-Flüchtlingen, die sich begleitet von Beamten aus Bang­ladesch zuvor im myanmarischen Bezirk Maungdaw im westlichen Rakhine-Staat die Rückkehrbedingungen ansahen. Sie sahen unter anderem Häuser, die mit Geld aus China, Indien und Japan für rückkehrwillige Rohingya gebaut worden waren.

Doch ergaben die Gespräche vor Ort auch, dass Rückkehrer zunächst einige Monate in einem Übergangslager leben sollen, spezielle Ausweise erhalten und ihr früheres Land eben nicht zurückbekommen, von dem sie 2017 oder bereits zuvor gewaltsam vertrieben wurden.

Auch Sicherheitsgarantien bekommen Rückkehrer von der Militärjunta nicht, die schließlich seit ihrem Putsch am 1. Februar 2021 selbst in ihrem Kernland gegen die birmanische Bevölkerung gewaltsam vorgeht.

Bangladesch will die Rohingya-Flüchtlinge loswerden

Unter Juntachef Min Aung Hlaing, der 2017 Armeeführer und Verteidigungsminister war und 2021 den Putsch führte, waren vor sechs Jahren nach einem Angriff von Rohingya-Extremisten rund 750.000 Angehörige dieser muslimischen Ethnie aus dem mehrheitlich buddhistischen Myanmar gewaltsam vertrieben worden.

Dort wurden sie schon Jahrzehnte lang diskriminiert. So durften Rohingya in Myanmar offiziell nur noch Bengali genannt werden, was ihre angeblich illegale Einwanderung aus Bangladesch impliziert. Myanmar verwehrt ihnen die Staatsbürgerschaft und damit auch einen Status als anerkannte Minderheit.

Im bevölkerungsreichen Bang­ladesch leben nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR heute 1,2 Millionen Angehörige dieser Minderheit. 960.000 von ihnen leben in 33 Lagern, davon 640.000 im weltgrößten Flüchtlingslager Kutupalong beim südöstlichen Cox’s Bazar. Weitere 30.000 sind auf die zuvor unbewohnbare Insel Basan Char im Golf von Bengalen umgesiedelt worden. Sie ist vier Stunden Bootsfahrt vom nächsten Hafen entfernt.

Bangladesch möchte die Flüchtlinge loswerden und verhindert deshalb ihre Integration. Die Lager sind seit 2019 regelrecht Freiluftgefängnisse. Dort werden die Flüchtlinge von der UNO und Hilfsorganisationen versorgt und dürfen nicht außerhalb arbeiten.

Von der „akuten Notlage“ zur „langwierigen Krise“

„Die Situation in den Lagern ist nicht tragfähig“, sagte der taz kürzlich Johannes van der Klaauw, Länderrepräsentant des UNHCR in Bangladesch und damit dort der oberste Flüchtlingsbetreuer der UNO.

Es gehe dort inzwischen nicht mehr um die Bewältigung einer akuten Notlage, sondern um eine „langwierige Krise“, so van der Klaauw. In den Lagern würden pro Jahr allein 30.000 Kinder geboren. Verschärfend komme hinzu, dass es immer weniger internationale Hilfe für die Flüchtlinge gebe. Statt der nötigen 900 Millionen Dollar pro Jahr gäbe es nur noch 650 Millionen und bald noch weniger.

„Die Kürzungen erzeugen Spannungen in den Lagern“, wo Perspektivlosigkeit und Bandenkriminalität laut van der Klaauw bereis zunehmen. Auch deshalb wagten immer mehr Menschen die gefährliche Flucht per Boot nach Aceh in Indonesien. Geschätzte zehn Prozent der Rohingya-Bootsflüchtlinge würden dabei sterben und damit prozentual mehr Flüchtlingen als auf dem Mittelmeer.

Bangladesch und Myanmar hatten 2017 bereits unter der demokratisch gewählten Regierung von Aung San Suu Kyi eine freiwillige Rückführung der Rohingya vereinbart. Doch lehnten diese das ohne Sicherheitsgarantien ab. Abgesehen davon hat Myanmar auch kein wirkliches Interesse an deren Rückkehr.

Ist die Rückkehrmöglichkeit nur ein Fake-Angebot?

Im März reisten Juntavertreter allerdings zu Gesprächen nach Bangladesch und nächste Woche wollen sie es wieder tun. Denn angesichts des von Gambia angestrengten Prozesses vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Myanmars mutmaßlichem Genozid an den Rohingya ist die Junta jetzt stark an einer Verbesserung ihres Images interessiert. Das Gericht will noch in diesem Monat Anhörungen durchführen.

„Es ist nur ein Fake-Angebot zur Rückführung“, sagt Aung Kayw Moe, der Myanmars demokratische Gegenregierung im Exil in Rohingya-Fragen berät.

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1 Kommentar

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  • Aus meiner Sicht ergibt es keinen Sinn, dass die Rohingya nach Myanmar zurückkehren. Da sie Anhänger des Islam sind und in Bangladesch der Islam Staatsreligion ist, gehe ich davon aus, sie können mittelfristig in Bangladesch besser leben, auch wenn der Anfang sicherlich nicht ganz einfach ist.

    Zumal sie sich, wenn ich andere Berichte aus u.a. der taz richtig verstehe, mit einer buddhistischen Regierung und deren Gesetzen (beispielsweise Verbot der Mehrehe) nicht ganz so leicht tun.

    Vielleicht können die Rohingya in der internationalen Gemeinschaft Unterstützer (besonders auch in finanzieller Hinsicht) finden, die eine Ansiedlung in Bangladesch leichter machen. Mit Geld kann man fast überall auf der Welt viel erreichen und mittel- bis langfristig denke ich, dass sich die Rohingya in einem islamischen Land wie Bangladesch eher religiös verwirklichen können als in einem buddhistischen Staat.