Kampf um Arbeitskräfte: Viertagewoche im Rathaus
Die Stadtverwaltung in Wedel bietet den Beschäftigten an, nur 4 Tage die Woche zu arbeiten. Sie ist damit bundesweit die erste.
Der Kampf um Beschäftigte habe längst die öffentlichen Verwaltungen erreicht, sagt Amelung, der für das Personalmanagement im Wedeler Rathaus zuständig ist. „Wir haben Mangel in allen Bereichen.“ Besonders Führungskräfte seien schwer zu halten: „Die Fluktuation nimmt zu, gerade unter den Jüngeren.“ Der Kampf um die Köpfe führt bereits dazu, dass sich Verwaltungen gegenseitig Leute abwerben.
Amelung, Jahrgang 1958, hat die Zeiten erlebt, in denen Dutzende Interessierte für sichere Behördenjobs Schlange standen. Das sei lang vorbei: „Im öffentlichen Dienst gehen in den nächsten Jahren 1,3 Millionen Leute in den Ruhestand – bei wachsenden Aufgaben. Inzwischen müssen wir uns bei den potenziellen Beschäftigten bewerben, nicht mehr umgekehrt.“
So setzt die Stadt Wedel schon länger auf Gleitzeit und Homeoffice, bietet Sabbaticalphasen und flexible Angebote für Eltern an. Vor einem halben Jahr entstand die Idee der Viertagewoche. „Der Personalrat war begeistert, der Bürgermeister hat die Vorlage geschrieben, dann haben alle politischen Gremien zugestimmt“, berichtet Amelung.
Besonders über die Unterstützung des Stadtrats – in dem sechs Fraktionen von CDU bis Linke sitzen – freut er sich. Schließlich ist die Viertagewoche eine klassische Gewerkschaftsforderung, die Verdi seit 2015 unter dem Slogan „Kurze Vollzeit für alle“ bewirbt. Die IG Metall bringt eine echte Arbeitszeitverkürzung mit vier Achtstundentagen bei vollem Lohnausgleich ins Spiel.
Wachsende Zufriedenheit
Das stößt unter Arbeitgeber*innen nicht auf Begeisterung. Doch angesichts des Personalmangels und steigender Fehlzeiten schauen Unternehmen interessiert auf Studien, die Vorteile der kürzeren Wochenarbeitszeit zeigen. Im Februar hat ein Forschungsteam aus Boston, Dublin und Cambridge eine Untersuchung veröffentlicht, an der 2.900 Beschäftigte aus 61 Unternehmen teilnahmen. Bei leicht besseren wirtschaftlichen Ergebnissen wuchs die Zufriedenheit, sanken Fluktuation und Fehlzeiten. 92 Prozent der Unternehmen blieben bei der kurzen Woche.
Wie das Angebot in Wedel angenommen wird, sei schwer einzuschätzen, sagt Amelung. Insgesamt umfasst die Verwaltung 438 Stellen, viele davon sind in Teilzeit besetzt. Gerade für die könne der Frei-Tag attraktiv sein. „Wobei wir natürlich darauf achten, dass nicht alle am Montag oder Freitag fehlen.“
Denn bei aller Rücksicht auf die Beschäftigten, die gewohnten Öffnungszeiten werden beibehalten. Das müsste möglich sein, denn die Wochenarbeitszeit ändert sich nicht: Wer eine volle Stelle hat, arbeitet weiter rund 40 Stunden – die sich nur anders verteilen. Unterm Strich sparen die Beschäftigten Fahrtzeiten, vermutlich fallen auch weniger Überstunden an.
Mit mehr Freizeit lasse sich auch Wedel besser genießen, sagt Amelung: Die Stadt sei „wunderschön, liegt direkt an der Elbe und hat alles, was man braucht“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Auflösung der Ampel-Regierung
Holpriger Versuch endgültig gescheitert
+++ Ampelkoalition zerbricht +++
Lindner findet sich spitze
Auflösung der Ampel-Regierung
Drängel-Merz
Trumps Sieg bei US-Präsidentschaftswahl
Harris, Biden, die Elite? Wer hat Schuld?
Wirtschaftspolitik der FDP
Falsch und verlogen
Ampelkoalition zerbricht
Scholz will Vertrauensfrage stellen