Queerfeindliche Allianzen: Gegner Globohomo

Immer mehr Länder erlassen queerfeindliche Gesetze, in Europa erreicht die Gewalt neue Höchststände. Formiert sich eine homophobe Internationale?

3 Männer stehen nebeneinander, sie haben sich Masken in Regenbogenfarben gemacht, Augen und Mund sind herausgeschnitten

Kenianische Aktivisten wehren sich gegen Queerfeindlichkeit Foto: Ben Curtis/ap

Es hört einfach nicht auf. Schon wieder so eine Meldung: Am Dienstag hat das Parlament in Uganda das strengste Gesetz gegen Homosexualität weltweit erlassen. Bereits die bestehende Rechtslage bestraft gleichgeschlechtliche Handlungen mit langjährigen Haftstrafen. Nun soll bereits das Outing als schwul, lesbisch oder trans verboten werden. Auch Mitwisser können bestraft werden. Selbst die Todesstrafe droht.

Schon wieder so eine Meldung: Am vergangenen Wochenende forderte eine Politikerin in Tansania die Kastration homosexueller Menschen.

Schon wieder so eine Meldung: Am letzten Sonntag zeigten Mitglieder einer rechten Gruppe an einer Demo gegen Transrechte in Melbourne den Hitlergruß. Was ist nur los gerade? Offensichtlich formiert sich rasend schnell eine neue militante homophobe Internationale.

Koordinierte Störaktionen

Bereits vergangenes Jahr folgte ein schlimme Nachricht auf die nächste: In Oslo erschoss ein Terrorist zwei Menschen und verletzte einundzwanzig während der Pride vor einer Bar. Im Sommer kam es in verschiedenen Städten in den USA zu offenbar koordinierten Angriffen und Störaktionen gegen queere Events durch rechte Gruppierungen. Im Oktober tötete ein Mann in Bratislava zwei queere Menschen in einer Schießerei. Im selben Monat bedrohte eine Neonazi-Gruppe in Zürich mit Pyros Zuschauer einer Vorlesestunde einer Dragqueen, darunter auch Kinder. Offenbar folgten sie dem US-Vorbild.

In Russland derweil weitete Putin im Dezember ein seit 2013 bestehendes Gesetz, das die „Propaganda“ über Homosexualität an Minderjährige verbot, auch auf Erwachsene aus. Nun ist jegliche Information über queeres Leben in Russland illegal. Trotz der geopolitischen Rivalität hauen amerikanische Politiker in die gleiche Kerbe. Der mögliche republikanische Präsidentschaftskandidat und Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, will in seinem Staat ein bereits an Grundschulen geltendes Verbot auf alle Schulstufen ausweiten, das Unterricht zu sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität untersagt. In Ungarn besteht ein Gesetz nach russischem Vorbild bereits seit 2021, in Rumänien gibt es Diskussionen über dessen Einführung. In Italien will die faschistische Regiegrung queeren Paaren verunmöglichen Kinder zu adoptieren oder per Leihmutterschaft zu bekommen.

Die Idee einer Homolobby

Im angeblich so progressiven Westeuropa hat die Gewalt gegen queere Menschen sprunghaft zugenommen. Die Queer-Organisation ILGA-Europe fertigt seit 2010 jährlich einen Untersuchungsbericht, der die Situation von queeren Menschen in 54 europäischen Ländern auswertet. Der diesjährige Bericht zeigte am meisten Gewalt gegen queere Menschen, seitdem die Organisation Erhebungen dazu macht. „Das Auffälligste dieses Jahr ist der Hass und die Gewalt in der Region“ sagte die Sprecherin von ILGA-Europe. Auch in Berlin zeigen die jüngsten verfügbaren Zahlen einen steilen Trend nach oben. 2021 wurden so viele queerfeindliche Straftaten gemessen wie noch nie. Dabei dürfte die Dunkelziffer hoch sein, da viele Opfer nicht zur Polizei gehen oder deren homophobe oder transphobe Hintergründe nicht angeben. Berlin ist noch immer das einzige Bundesland, das überhaupt queerfeindliche Straftaten gesondert ausweist. Für die Bundesrepublik gibt es keine zuverlässigen Zahlen.

Der Grund, mit dem Uganda Homosexualität verbietet, ist aufschlussreich: „Um die Kapazitäten des Landes zu stärken, inneren und äußeren Bedrohungen der traditionellen, heterosexuellen Familie zu begegnen“. Diese Verbindung von inneren und äußeren Feinden ist ausschlaggebend. Immer häufiger schwingt bei Hass und Ablehnung von queeren Menschen die Idee mit, eine Homolobby, die Gay Agenda oder Globohomo steuere heimlich die Geschicke der Welt. Rechte Gruppen sprechen oft davon, dass Homosexuelle oder trans Menschen „Außenseiter“ seien, die die nationale Einheit bedrohten. Sie zersetzten den Volkskörper, in dem sie sich mit internationalen Eliten gegen das eigene Land verschwören.

Die Obsession mit dem Thema Fortpflanzung, die sich in den Angriffen auf das Recht auf Abtreibung durch die selben Kräften von Polen bis in die USA zeigt, führt auch zu einer Ablehnung angeblich unproduktiver Sexualität im Allgemeinen, aber spezifisch bei queeren Menschen. Diese Abgrenzung zwischen produktiv und unproduktiv und die Assoziation mit angeblich mächtigen internationalen Eliten erinnert nicht zufällig an Antisemitismus, ist dieses Gedankengut den queerfeindlichen Kräften ja auch oft nah.

Die Verschwörungserzählung der globalen Gay Agenda macht internationalen Protest gegen queerfeindliche Gesetze zu einem zweischneidigen Schwert. Kenias Präsident William Ruto sagte Anfang März, Homosexualität habe in seinem Land keinen Platz. Ruto ist diesen Montag zu Besuch bei Walter Steinmeier. Wenn der Bundespräsident es ernst meint mit den westlichen Werten, wird er die Rechte queerer Menschen bei seinem kenianischen Kollegen ansprechen. Doch es ist eine Zwickmühle: Denn das wird wohl als Bevormundung betrachtet.

In afrikanischen Ländern oder in Russland werten viele Politiker Homosexualität als westliche Krankheit. Wenn nun westliche Regierungen das neue ugandische Gesetz verurteilen und mit der Kürzung von Entwicklungshilfe drohen, spielen sie dieser Erzählung in die Hände. Die EU hat vergangenes Jahr Ungarn verklagt, weil sie queere Rechte verletzt sieht. Das wird in Ungarn als Beweis für die verschwulte EU gelesen. Doch um die Zwickmühle kommen wir nicht herum: Die EU muss ihre Bür­ge­r:in­nen vor dem Zugriff menschenfeindlicher Regierungen schützen. Und wir müssen jede Maßnahme ergreifen, um hierzulande und anderswo gegen queerfeindliche Gesetze und Gewalt vorzugehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.