Trans­ak­ti­vis­t*in über TERFs: „Es ist mehr Hass da“

Was sind eigentlich TERFs und was hat Transfeindlichkeit mit Antisemitismus zu tun? Das und mehr beantwortet Ak­ti­vis­t*in Lou Kordts im Interview.

Ein Mensch trägt ein schwarzes T-Shirt mit der rosa Aufschrift "Trans* Dich Glücklich"

Glückliche trans Personen – hier in Berlin – sind sogenannten TERFs ein Dorn im Auge Foto: Florian Schuh/dpa

taz: Lou Kordts, sind TERFs, also Radikalfeministinnen, die trans Menschen ausschließen, antifeministisch?

Lou Kordts: Ich bin dazu übergegangen zu sagen: Ja, natürlich sind die Feministinnen. Feminismus ist nicht mehr ein rein linkes emanzipatorisches Ding, sondern wir haben Feminismus, der antiemanzipatorisch ist, also im Grunde einen antifeministischen Feminismus.

Was sind TERFs überhaupt?

32, ist trans Feminist*in, hält Vorträge und gibt Workshops über Geschlecht & Sexualität, ist auf Twitter unter @epicLouT unterwegs und lebt in Norddeutschland.

Das ist ein Akronym für transfeindliche exklusionäre radikale Feministinnen. Letzteres trifft in vielen Fällen heutzutage aber gar nicht mehr zu. Es gibt einen Großteil, der noch radikalfeministisch ist. Radikalfeminismus ist ein spezifischer Feminismus, der die Unterschiede von Männern und Frauen betont, der in den Siebzigern groß war. Viele würden sich inzwischen als „gender critical“ bezeichnen, aber der Einfachheit halber werden die alle als TERFs bezeichnet.

Was steckt hinter dem Begriff „gender critical“?

Sie gehen von einer Binarität der Geschlechter aus: Es gibt Mann und Frau und nichts daneben. Alles andere, sei es nichtbinär oder trans, wird als „Gender“ bezeichnet und gilt als unnormal. Die Bezeichnung hat sich in britischen Onlineforen etabliert hat, weil sie nicht den feministischen Ballast hat, den bürgerliche Trans­fein­d*in­nen gar nicht wollten.

Was sind die politischen Ziele?

Letztendlich, dass es keine trans Person mehr gibt. Es gibt ein paar Leute, die davon ausgehen, dass es noch wenige wahre trans Personen gibt, die man so sein lassen kann, wie sie sind. Aber es gibt auch eine sehr große Menge, die sagt, allein die Behauptung, es gäbe trans Personen, sei schon frauenfeindlich. Alle Personen, die als trans gelten, sind ihrer Meinung nach psychisch gestört, brauchen Behandlung, und man sollte die Gesellschaft vor ihnen schützen.

Gibt es Überschneidungen zwischen transfeindlichen Aktivist*innen und rechter Szene?

Das ist ein komplexes Thema. Es gibt eine große Offenheit nach rechts. Da hat sich in den vergangenen fünf Jahren etwas verändert. Es gibt einen Bezug auf internationale Quellen, auf das extrem rechte Spektrum in den USA zum Beispiel, also Republikaner*innen. TERFs interagieren auch mit verschwörungsideologischen Kontexten.

Welche Rolle spielt Antisemitismus?

Die Autorin Jennifer Bilek hat 2018 im US-amerikanischen Federalist, also einer sehr rechten Zeitung, darüber geschrieben, wer die transgender Bewegung finanziere. Sie hat den jüdischen Milliardär und Philanthropen George Soros und andere genannt. Das ist keine subtile antisemitische Verschwörungsideologie, sondern es wird behauptet, dass die „Geld-Männer da oben“ Kinder klauen wollen. Das ist der simpelste Antisemitismus, den man sich vorstellen kann, und schon sehr lange angelegt in transfeindlichen Feminismen.

Wie weit sind diese Verschwörungsideologien in Deutschland verbreitet?

In TERF-Kontexten sind diese Verschwörungsideologien seit rund drei Jahren sehr verbreitet. Das gab es vorher nicht. Die Zeitschrift Emma schreibt erst seit recht kurzer Zeit über trans Personen. Inzwischen wird dort von der Verbindung zwischen Pharmaindustrie und der transgender Bewegung geschrieben. Die großen Medien und die Akteurinnen sind klar dabei, sich zu radikalisieren.

Hat das Einfluss auf die Debatte zum Selbstbestimmungsgesetz?

Wir haben in Großbritannien und Schottland zwei Fälle, wo ein Selbstbestimmungsgesetz eingebracht, diskutiert und abgewiesen wurde. Das hat international TERF-Bewegungen motiviert, dasselbe in ihren Ländern zu schaffen. Gerade in Deutschland und auch in Spanien wird viel Lobbyarbeit betrieben. In Großbritannien war die Taktik, eine Stigmatisierung in der Gesamtgesellschaft voranzutreiben, bis letztendlich alle großen Zeitungen des Landes immer wieder transfeindliche Artikel veröffentlicht haben.

Gibt es in Ländern wie der Schweiz, in denen es ein Selbstbestimmungsgesetz gibt, Anhaltspunkte dafür, dass Ängste davor, dass Männer sich Zugänge zu Frauensaunen und -wahllisten verschaffen, begründet sind?

Nein. Eine Statistik über den US-Sender Fox News hat gezeigt, dass innerhalb von zwei Monaten ein Viertel aller Berichte dort über trans Personen waren. All diese Aussagen, die Sie gerade benannt haben, dienen dazu, trans Personen zu stigmatisieren und ihnen Probleme in der Gesellschaft zu machen. Die Probleme treffen dann aber nicht nur trans Personen, sondern auch cis Personen, die nicht gendernormativ aussehen. Das heißt unweibliche cis Frauen, und unmännliche cis Männer werden die gleichen Probleme haben wie trans Personen, weil sie für trans Personen gehalten werden.

Was sind die konkreten Auswirkungen auf die Lebensrealitäten von trans Personen?

Für trans Personen bedeutet das, dass wir mehr Angst haben müssen, überhaupt in der Gesellschaft zu partizipieren. Die Nutzung von öffentlichen Toiletten ist etwas, was für trans Personen eh schon eine schwierige Sache war – jetzt werden wir noch mehr beäugt. Ärz­t*in­nen­be­su­che werden schwieriger. Überhaupt Jobs und Wohnungen zu finden. Jeder Aspekt des Lebens wird komplexer dadurch, dass mehr Hass da ist. Sich draußen sicher bewegen, ist auch nicht mehr möglich. Wir haben mehr und mehr Meldungen darüber, dass trans Personen tätliche Übergriffe erfahren. Es macht gerade wenig Spaß, eine trans Person zu sein.

Das heißt es wird schlimmer?

Ja. Wir haben in den letzten acht Jahren extrem viel Repräsentation erfahren. Auf einmal gab es Netflix-Serien mit trans Personen. Und Leute haben irgendwie langsam ein Bild davon bekommen, was trans Personen eigentlich sind. Gleichzeitig ging damit ein extremer Backlash einher, der jetzt dazu führt, dass Transfeindlichkeit die Einstiegsdroge für Queerfeindlichkeit ist. Also von „die wollen unsere Kinder transen“ geht es hin zu „die wollen unsere Kinder groomen“, und das sind dann halt alle LGBTIQs, und nicht nur trans Personen. Und schwuppdiwupp hat man Leute in extrem queerfeindlichen Spektren.

Sie sind auf Twitter eine kleine Legende. Woher kommt ihr ganzes Wissen?

Ich habe viel getwittert. Andere Leute machen coolen Empowerment-Feminismus, und ich wühle im Müll rum. Ich lese furchtbare Lektüren, und ich kann das auf jeden Fall nicht empfehlen. Ich betreibe seit 2014 ungefähr Aktivismus, und dabei liest und lernt man extrem viel. Ich habe Kulturwissenschaften studiert, das hat irgendwie gepasst.

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Dieser Text ist Teil der Sonderausgabe zum feministischen Kampftag am 8. März 2024, in der wir uns mit den Themen Schönheit und Selbstbestimmung beschäftigen. Weitere Texte finden Sie hier in unserem Schwerpunkt Feministischer Kapmpftag.

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