Isländische Arte-Serie „Blackport“: Bestes Volkstheater
In der isländischen Arte-Serie „Blackport“ geht es um neue Quoten für den Fischfang. Doch eigentlich wird nur gevögelt und gesungen.
Die Isländer sind ein lustiges Volk. Sie sind ziemlich genau so viele wie Berlin-Mitte, ihre Namen enden alle entweder auf -son oder -dóttir. Sie ernähren sich von Walfleisch. Und haben einen Komiker zum Bürgermeister ihrer Hauptstadt gewählt, da war für Wolodymyr Selenski noch nicht daran zu denken, ukrainischer Präsident zu werden. Überhaupt, die isländischen Künstler: Neben Björk oder Sigur Rós ist da auch Hallgrímur Helgason, der die Vorlage für den bekanntesten isländischen Film der jüngeren Vergangenheit geschrieben hat, „101 Reykjavík“. Das ist allerdings auch schon rund ein Vierteljahrhundert her, und ein Protagonist mit der Marotte, Frauen danach zu bewerten, wie viel er für den Sex mit ihnen bezahlen soll, erscheint wenig zeitgemäß.
Wenn man sich jetzt die neue isländische Serie in acht Teilen auf Arte anguckt, „Blackport“, gibt es da auch jede Menge Sex mit Menschen, denen man nicht unbedingt attestieren würde, was man früher einmal Astralkörper genannt hat. Body Positivity also.
In jeder der ersten Folgen kommt es zu einem folgenschweren Unglück. Da fängt sich einer einen durch die Luft fliegenden Bolzen, ein anderer ist mit der Kreissäge etwas unvorsichtig. Am krassesten: der Typ, der feststellen muss, dass die Fischköpfmaschine in der Fischfabrik auch menschliche Extremitäten kupiert. Drogen und Amphetamine spielen eine Rolle. Dabei ist der, der sie sich rektal einführen lässt, der schnelleren Wirkung wegen, ein anderer, der wenigstens nicht auch noch aus der Pulle mit dem Frostschutzmittel hätte trinken sollen – dann hätte er den Sex danach vielleicht sogar überlebt.
Es wird gevögelt und gesungen, es geht rustikal zu, richtig deftig. Kurz: „Blackport“ ist Volkstheater im besten Sinne.
Profiteure und Verlierer
Worum es geht? „Inspiriert von wahren Begebenheiten“, teilt eine Texttafel am Anfang mit: „1983 wurden auf Island Fangquoten eingeführt. Damit sollte die Überfischung verhindert werden. Nur Schiffe mit zugeteilter Quote durften noch fischen.“ Und diese neue Quotenregelung hat damals Profiteure und Verlierer hervorgebracht. Die ehrgeizige Sekretärin Harpa (Filippusdóttir) will unbedingt zu den Gewinnern gehören. Mit ihrem Kapitänsmann Grímur (Haraldsson), ihrem Liebhaber Jón (Garðarsson), der in die große Politik ins ferne Reykjavík strebt, und einem befreundeten Paar baut sie in kürzester Zeit ein veritables Fischerei-Imperium auf. Das geht nicht ohne Verluste. Wie gesagt, wo es Gewinner gibt, muss es auch Verlierer geben. Zum Beispiel die Fischer, die bei der Quotenvergabe weniger schamlos manipulieren. Oder die Frau, mit der Harpas Mann Sex hatte und eine gemeinsame Tochter hat.
„Blackport“ in der Arte-Mediathek
Noch eine Texttafel: „1984 betrug die Inflation in Island mehr als 70 Prozent. Die Kaufkraft sank erheblich, ebenso wie das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirtschaft. Ein Generalstreik legte daraufhin beinahe die gesamte isländische Gesellschaft lahm.“ Wie gut, wenn das Herzstück des Unternehmens ein alter Fischkutter ist, der seine Ladung auch mal in England löschen kann: „Thatchers Großbritannien! Drei Millionen Arbeitslose. Aber immerhin essen die Leute weiterhin gerne Fisch.“ Die Isländer staunen nicht schlecht, als ihr Geschäftspartner genau 301.116 Britische Pfund in dicken Bündeln aus dem Safe holt.
Bald stapeln sich die Taschen mit dem unversteuerten Inhalt in der Fischfabrik. Und weil wir in den 80ern sind, steht für die Buchhaltung irgendwann ein Macintosh auf dem Tisch („Ich kapier nicht, warum du unser Geld für so einen Blödsinn ausgibst. Keiner hier weiß, wie man das benutzt.“). Auch muss die eine oder andere Nachtschicht in der Fabrik eingelegt werden: „Es ist nicht das, wonach es aussieht“, Harpa sagt, was man in so einer Situation eben so sagt. „Du lässt dich von ihm vögeln in unserem Büro auf dem Schreibtisch. Wonach soll das aussehen?!“
Die Isländer sind ein lustiges Volk – mit sehr lustigem Fernsehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid