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Beigelegter Tarifkonflikt bei der PostTarifkompromiss mit Wermutstropfen

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die Lohnerhöhung für Post-Beschäftigte kann sich sehen lassen. Aber warum kriegt der profitable Konzern einen Inflationsausgleich vom Staat?

Bei der Kundgebung im Februar hofften die Beschäftigten noch auf einen höheren Abschluß Foto: Bernd Thissen/dpa

D er erste große Arbeitskampf in diesem Jahr – fällt aus. Mit der Drohung eines unbefristeten Streiks ist es der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gelungen, die Deutsche Post zu einer annehmbaren Nachbesserung ihres Angebots zu bewegen. So verhärtet wie die Fronten schienen, kommt die Einigung überraschend. Herausgekommen ist ein klassischer Tarifkompromiss – den sich der Konzern gut leisten kann.

Wenn der Forderung nach prozentualer Lohnerhöhung ein Abschluss gegenübersteht, der aus einer Kombination zunächst von Sonderzahlungen mit einem späteren monatlichen Festbetrag besteht, ist das eine mit dem anderen nur schwer zu vergleichen. Aber das ist nötig, um das Tarifergebnis bewerten zu können. Deshalb eine grobe Rechnung: Eine ledige Postbeschäftigte mit bisherigem Bruttoeinkommen von 3.000 Euro wird 2023 etwa 8,2 Prozent mehr Lohn erhalten, auf die gesamte Tarifvertragslaufzeit gerechnet bis Ende 2024 sind es insgesamt etwa 9,2 Prozent. Das ist deutlich entfernt von den 15 Prozent, die Verdi nur für 2023 gefordert hatte.

Gewerkschaft und Arbeitgeberseite jonglieren mit wesentlich höheren Prozentzahlen. Aber das sind Rechentricks, propagandistische Nebelkerzen. Dabei kann sich ihr Kompromiss auch ohne Schönrechnerei sehen lassen, ist er doch besser als vergleichbare Abschlüsse in anderen Branchen in der vergangenen Zeit. Die pauschale monatliche Gehaltserhöhung um 340 Euro ab April 2024 zahlt sich vor allem für jene rund 87 Prozent der etwa 160.000 Postbeschäftigten aus, die bislang nur auf ein Grundgehalt zwischen 2.108 und 3.090 Euro brutto kommen. Gut so, schließlich treffen Besserverdienende die gestiegenen Lebenshaltungskosten weniger hart.

Aber es gibt zwei Wermutstropfen. Wenn die Prognosen zutreffen, werden die Postbeschäftigten zwar keinen weiteren Reallohnverlust erleiden. Doch das gleicht nicht den Verlust aus, den sie bereits erlitten haben. Hier rächt sich, dass sich die Gewerkschaft für 2022 mit einer jämmerlichen Gehaltssteigerung von 2 Prozent abspeisen ließ – zur Freude der Post, die in dem Jahr einen Rekordgewinn von 8,4 Milliarden Euro einstrich. Hinzu kommt das Problem mit der steuer- und abgabenfreien „Inflationsausgleichsprämie“: So sinnvoll dieses Instrument in der aktuellen Krise ist – es ist sehr fragwürdig, dass es auch ein hochprofitabler Konzern nutzen kann. Das dürfte ihm jetzt eine Ersparnis von mehr als 100 Millionen Euro bringen – auf Kosten der Allgemeinheit. Dabei hätte die Post genug Geld, um ihre Beschäftigten auch ohne staatliche Hilfe besser zu bezahlen.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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9 Kommentare

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  • Der Abschluss kostet die Post ihr in Deutschland erwirtschafteten Ergebnis und bestraft die Postler mit Ausbildung (nach Ansicht des Schreibers die "Besserverdiener" )

  • Leider handelt es sich bei der Inflationsausgleichsprämie mitnichten um eine Lohnerhöhung. Diese Prämie (Einmalzahlung!) gleicht lediglich die nicht erfolgten Lohnerhöhungen für eine bestimmte Zeit aus. Danach tritt der Reallohnverlust für die Arbeitnehmer ein, da die inflationsbedingt gestiegenen Preise ja nicht wieder sinken.



    Weiterhin gilt zu bedenken, dass die Prämie lohnsteuerbefreit ist und damit noch nicht einmal in Renten- oder Arbeitslosenversicherung einzahlt.

    Wirklich rentabel ist die Prämienlösung lediglich für die Arbeitgeber, da sie sich so die eigentlich angesagten Lohnerhöhungen sparen.

    Dass die Gewerkschaften dieses Spiel mitspielen, ist ein Skandal.

  • Was haben die 8,4Mrd Euro Gewinn in diesem



    Artikel zum deutschen Tarifabschluss zu suchen? Der deutsche Markt hat nur einen Bruchteil davon erarbeitet. Hier sind die Zahlen und auch der Gewinn stark rückläufig. Ich wäre also vorsichtig, das mit in die Rechnung aufzunehmen, könnte zukünftig nach hinten losgehen.

    • @Irgendwasdazwischen:

      Ihre Aussage ist nur die halbe Wahrheit. Ihre Aussage ist richtig, gilt aber nur für den Bereich Brief, der Paketbereich ist weiterhin auch in Deutschland lukrativ. "Der deutsche Markt hat nur einen Bruchteil davon erarbeitet" ist eine Aussage, die der Postvorstand nur auf den Briefbereich bezieht.

  • Die seit Jahren bei der Post praktizierte pauschale Anhebung der unteren Lohngruppen hat zur Folge, dass der Abstand zwischen den Entgeltgruppen 2 (keine Ausbildung erforderlich) und 3 (z. B. 2jährige Ausbildung zum Postboten Voraussetzung) schon lange bei etwa 120€ liegt. Dieser Abstand unterliegt aber auch dem Kaufkraftverlust, wird also immer weniger Wert.



    Was bedeutet das? Wenn 2 Personen zeitgleich bei der Post anfangen, eine spart sich die Ausbildung und fängt als ungelernte Kraft an und bekommt 2280€ brutto/Monat. Die zweite Person beginnt eine Lehre und bekommt 2 Jahre ein Azubi Gehalt von 840€/905€. (Stand 2022)



    Die Anstrengungsbereitschaft eine zweijährige Lehre mit anschließender Prüfung zu absolvieren wird so belohnt, dass diese ausgebildete Person erst etwa 20 Jahren nach der Einstellung den Lohnverlust der Ausbildungsjahre wieder rein hat. In den Jahren macht diese Postbotin, dieser Postbote aber eine verantwortungsvollere Tätigkeit als die in der Lohngruppe 2.



    Lohnt sich da noch eine Ausbildung?



    Und ihr wundert euch über den Fachkräftemangel? Ich, ein 'besser verdienender' Postler, wundere mich nicht.

    • @weidedammer:

      Brutto, wie viel bleibt davon über? Dann rechnen sie nochmal.

      • @Littleneo:

        Da ändert sich am Ergebnis kaum etwa.



        Aber eines darf man auch nicht vergessen: Die beiden Ausbildungsjahre werden zwar bei der Rente anerkannt, der Beitrag ist aber gering.



        Sobald die Postboten-Azubis ab dem 2. Lehrjahr im "eigenständigen Einsatz" zustellen, müssten sie für diese Zeit (also ohne Berufsschulzeit) eigentlich mindestens den Mindestlohn bekommen. Da spart die Post richtig Geld, und zwar brutto wie netto.

  • Ohne Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit der Inflationsausgleichprämie würden profitable Unternehmen diese möglicherweise nicht nutzen. Im Ergebnis wäre das eine Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer. Ist dies im Sinne der taz, ernsthaft?

  • Schön, dass es zu einem Abschluss gekommen ist. Inwieweit die Mitarbeiter aber damit zufrieden sind, wird sich zeigen. Die Deutsche Post mit Paket- und Briefzustellung streikt ja gefühlt seit Jahrzehnten. Es gibt kaum Unternehmen, die eine schlechtere Servicequalität haben.