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Zu hohe Grenzwerte für Feinstaub in der EUDreckige Luft verkürzt das Leben

Feinstaub macht schon in kleinen Mengen krank, sagen Gesundheitsverbände. Die Grenzwerte in der Europäischen Union seien deutlich zu hoch.

Auspuff mit Abgasen eines Verbrennungsmotors Foto: Michael Weber/IMAGEPOWER/imago

Berlin taz | Die Grenzwerte für Feinstaub in der Europäischen Union sind deutlich zu hoch. Darauf haben Gesundheitsexperten hingewiesen. In der EU sind 25 Mikrogramm für kleine beziehungsweise 40 Mikrogramm für große Partikel erlaubt. Bereits 2021 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen, Maximalwerte von 5 Mikrogramm pro Kubikmeter für kleine Partikel und 10 Mikrogramm für größere Teilchen im Gesetz zu verankern. Da ist eine riesige Diskrepanz zwischen dem, was die Wissenschaft empfiehlt, und dem, was der Gesetzgeber vorsieht“, kritisiert Barbara Hoffmann, Umweltmedizinerin der Universität Düsseldorf.

Schon kleinste Feinstaubmengen können großen Schaden im menschlichen Körper anrichten. Darum müsse die Politik die gesetzlichen Regelungen zur Luftverschmutzung anpassen. Wie groß das gesundheitliche Risiko ist, werde oft nicht wahrgenommen, erklärte Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer. Feinstaub sei nicht zu sehen, meistens auch nicht zu riechen und nicht unmittelbar zu spüren.

Viele Gesundheitsschäden zeigten sich erst mit zeitlicher Verzögerung – dafür allerdings umso schlimmer: „Von Kopf bis Fuß sind alle lebenswichtigen Organe betroffen“, sagte Hoffmann. Feinstaub sei zum Beispiel krebserregend, könne chronische Lungenerkrankungen verschärfen, das Herzkreislaufsystem schädigen oder die Entwicklung von Demenz beschleunigen.

Die schädlichen Luftpartikel rangierten auf Platz 4 der Gründe für vorzeitiges Versterben, „in Deutschland sind etwa 70.000 Todesfälle pro Jahr durch Luftverschmutzung mitverursacht“, so Hoffmann. Das entspreche ungefähr 8 Prozent aller Sterbefälle. Je kleiner die Partikel, desto größer die Gefahr: Kleinste Teilchen könnten am tiefsten in die Lunge vordringen, von dort ins Blut gelangen und so nahezu überall Entzündungsreaktionen hervorrufen.

Grenzwerte für Feinstaub zu niedrig

Die EU-Luftqualitätsrichtlinie, die die Grenzwerte für die Mitgliedstaaten festlegt, wird zurzeit überarbeitet. Im Herbst 2022 legte die EU-Kommission Änderungsvorschläge vor. „Leider ist die Kommission davor zurückgeschreckt, den Gesundheitsschutz wirklich an erste Stelle zu setzen“, sagte Anne Stauffer von der Organisation Health and Environmental Alliance (HEAL), deren Hauptsitz in Brüssel ist.

Zwar wolle die Kommission die WHO-Empfehlungen umsetzen – allerdings nur schrittweise, erst bis 2050. Stauffer machte sich für eine vollständige Anpassung bis 2030 stark und ergänzte: „In diesem Gesetzesvorschlag gibt es zu viele Schlupflöcher, zu viele Möglichkeiten, die Grenzwerte nicht einzuhalten“ – etwa weil nur der Jahresgrenzwert rechtlich bindend sei. Tagesgrenzwerte hingegen dürften überschritten werden.

Dass die EU-Kommission die Richtlinie nachbessert, ist Teil des sogenannten Null-Schadstoff-Aktionsplans, der wiederum zum europäischen Green New Deal gehört. „Wenn wir strikte Grenzwerte haben, hilft das auch dem Klimaschutz“, so Stauffer. Die meiste Luftverschmutzung entstehe im Straßenverkehr, in der Industrie und Energieerzeugung, der Landwirtschaft und beim Heizen, zum Beispiel mit Holzpellets. „Maßnahmen gegen Feinstaub dienen dem Abschied von fossilen Brennstoffen“ – und damit laut Stauffer auch der Verringerung von CO2-Emissionen.

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