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Matjes und Todesstrafe

NPD Die Partei ist aus den Landtagswahlen gestärkt hervorgegangen. Interne Fehden wurden beseitigt, der Pakt mit der DVU aufgehoben

Fest verankert

■ Das rechtsextreme Milieu hat sich in den vergangenen Jahren in den Regionen verfestigt.

Sachsen: Bei den Landtagswahlen am 30. August gelang der NPD mit 5,6 Prozent erstmals der Wiedereinzug in ein Landesparlament. Trotzdem musste sie erhebliche Verluste von minus 3,6 Prozent hinnehmen. Mit acht Abgeordneten ist sie im neuen Dresdner Landtag vertreten.

Thüringen: Dort hat die NPD hingegen ihr Stimmenpotenzial um 2,7 Prozent mehr als verdoppelt – auf 4,3 Prozent.

Im Norden: Zeitgleich zur Bundestagswahl werden in Brandenburg und Schleswig-Holstein neue Landtage gewählt. Auch dort will die NPD antreten. TAZ

VON M. BARTSCH, D. SCHULZ UND A. SPEIT

Es ist eine exklusive Veranstaltung am Dienstagabend in einer gutbürgerlichen Berliner Gaststätte. Der Eintritt kostet 25 Euro, und wer an den kantigen Türstehern von der Freien Kameradschaft „Frontbann 24“ vorbei ins Kellergewölbe möchte, muss eine Einladung vorweisen. Drinnen diskutieren die Führungskader der deutschen Rechtsextremen über ihre Zukunft. Etwa 80 Zuhörer futtern dazu Matjes.

Es reden Udo Voigt, Chef der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), und Matthias Faust, der Vorsitzende der Deutschen Volksunion (DVU). Es geht unter anderem darum, ob beide Parteien enger zusammenarbeiten sollten. Eine ältere Dame mit Designerbrille und Goldarmreif fordert das, und das Publikum applaudiert stürmisch. Doch NPD-Chef Voigt sieht dazu überhaupt keine Veranlassung: Die Volksunion habe bei der Europawahl mit 0,4 Prozent kläglich versagt, bollert er, „deshalb müssen wir als stärkste Kraft es jetzt alleine machen“. Damit hat Voigt noch einmal bestätigt: Der 2004 geschlossene Deutschlandpakt, also der freiwillige Verzicht einer der beiden Parteien bei einer Wahl zugunsten der jeweils anderen, ist nicht mehr gültig.

Das selbstbewusste Auftreten der NPD ist mehr als Show. „Auch wenn die NPD von den Landtagswahlen mehr erwartet hat, ist sie daraus gestärkt hervorgegangen“, sagt Fabian Virchow, Rechtsextremismusexperte und Herausgeber des Buches „88 Fragen und Antworten zur NPD“. Die Partei habe zeigen können, dass sie in Sachsen über eine Stammwählerschaft verfügt und in Thüringen mit radikalen Hetzparolen fast den Einzug ins Parlament geschafft hätte, sagt auch der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer. „Dazu brauchte sie nicht einmal ein großes Thema wie Hartz IV vor ein paar Jahren. Offenbar sind ihre normalen Anliegen wie Fremdenfeindlichkeit inzwischen attraktiv genug.“

Der Marburger Soziologe Virchow warnt deshalb vor einem weiteren Erstarken der Voigt-Truppe: „Der Zentralisierungsprozess in der Szene läuft jetzt noch stärker auf die NPD hinaus.“ Und weiter: „Damit hat sich die weitaus radikalere der beiden Parteien durchgesetzt.“

So setzt Parteichef Udo Voigt auf ein Bündnis mit den gewaltbereiten Freien Kameradschaften. In einem Strategiepapier vom 26. April 2009 bedauert der dem Parteichef treu ergebene Bundesvorstand: „Das System aktiv politisch zu stürzen, liegt derzeit nicht in unserer Hand, da wir über derartige Machtfülle und Druckmittel noch nicht verfügen.“ Man merke: noch nicht.

Das Konzept der DVU, sich als moderate Alternative zur NPD zu präsentieren, lockt nach Einschätzung von Experte Virchow bisher kaum Wähler aus dem rechten bis rechtsextremen Spektrum an. Die nähmen lieber das Original.

Auch am Dienstagabend in Berlin punktet die NPD mehr. Während ihr Vorsitzender Voigt die „Wiedereinführung der Todesstrafe“ für Kindesvergewaltiger fordert, will Faust von der DVU vorgeblich nur eine „strenge Anwendung der Gesetze“. Den Applaus bekommt meist der NPD-Chef, obwohl das Publikum Zweireiher und Kostüm statt Bomberjacke trägt.

Hinzu kommt, dass die Führung der NPD auch die Kämpfe innerhalb der Partei vorläufig in den Griff bekommen hat. Nach großen finanziellen Schwierigkeiten und mehreren Prozessen gegen Spitzenkader wollte ein Kreis von führenden NPDlern Parteichef Voigt stürzen. Es gab auch inhaltliche Differenzen: So will der sächsische Fraktionschef Holger Apfel der NPD einen bürgerlicheren Anstrich verpassen als Voigt, der glaubt, die Partei müsse „radikale Systemopposition“ sein. Doch der Sturz Voigts scheiterte am Widerstand der Basis auf dem Berliner Parteitag im April 2009.

Voigt war danach so klug, nicht offensiv gegen seine mächtigsten Widersacher – Udo Pastörs, NPD-Fraktionschef in Mecklenburg-Vorpommern, und Holger Apfel vorzugehen. Der Grund: Pastörs und Apfel verfügen über eine Hausmacht, und die braucht Voigt. Den ebenfalls zu seinen Gegnern zählenden Peter Marx griff er dagegen öffentlich schonungslos an. Der Reisekader bot ein ideales Ziel – er ist in der Partei weitgehend unbeliebt und ohne Macht.

Das Konzept der DVU, sich als moderate Alternative zur NPD zu präsentieren, lockt kaum Wähler an

In diesem Konflikt nutzt es Voigt derzeit sogar, dass die NPD im Saarland schwach abgeschnitten hat – dort war Marx Spitzenkandidat. Mit Holger Apfel hingegen trat Voigt im sächsischen Wahlkampf häufig zusammen auf – immer ging es offensiv freundschaftlich zu.

Unklar ist derzeit, ob die gestärkte Position der NPD sich auch bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Schleswig-Holstein sowie der Bundestagswahl niederschlägt. Pierre Freyber von der Landeskoordinierungsstelle gegen Rechtsextremismus in Schleswig-Holstein sagt: „Noch führt die NPD keinen starken Wahlkampf. In Thüringen waren viele aus den Freien Kameradschaften für sie als Wahlkampfhelfer unterwegs.“

In Brandenburg treten am 27. September die noch im Landtag sitzende DVU und die NPD gegeneinander an. Dirk Wilking, Geschäftsführer vom „Mobilen Beratungsteam“, glaubt, dass es aus diesem Grund keine von beiden in den Landtag schafft: „Deshalb sind deren Anhänger frustriert.“ Wilking sagt auch: „Ein solches Ergebnis schadet der DVU mehr als der NPD, weil die Volksunion ihre letzten Mandatsträger und damit Geld verlieren würde.“

Erzielt die NPD bei einer dieser Wahlen ein Ergebnis von mehr als ein Prozent, könnte sie zusätzlich Geld aus der Parteienfinanzierung bekommen. Genau aus diesem Grund, sagen Experten wie Virchow, tritt die NPD auch bei der Bundestagswahl an. An einen Einzug ins Parlament glaubt er nicht.

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