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Neues Bündnis für grünes BauenUmbauen statt Neubau

Vor zehn Jahren wurde die Liegenschaftspolitik in Berlin neu ausgerichtet. Nun muss das Bauen folgen. Ein neues Bündnis macht Dampf.

Umbau und Nachverdichtung einer Siedlung am Nettelbeckplatz Foto: Berliner Bau und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG

Berlin taz | Vor etwas mehr als zehn Jahren fand im Berliner Abgeordnetenhaus der erste Runde Tisch zur Liegenschaftspolitik statt. Landeseigene Grundstücke sollte nicht mehr ohne Not an private Investoren verscherbelt werden. Statt einem Bieterverfahren mit Zuschlag an den Meistbietenden sollten die Liegenschaften in einem Konzeptverfahren vergeben werden, am besten in Erbpacht.

Heute sind solche Vergaben, auch wenn es manchmal ruckelt, Alltag. Um das Thema Liegenschaftspolitik überhaupt auf die Agenda zu setzen, bedurfte es seinerzeit allerdings Druck von außen. Für den war die Initiative Stadtneudenken zuständig, ein nicht nur aktivistisches, sondern auch professionelles Bündnis mit viel Expertise.

Ein vergleichbares Bündnis hat sich am Dienstag im Aedes Architekturforum vorgestellt, nur, dass es da nicht um Liegenschaftspolitik, sondern um das Bauen ging. Auffallend war, wie viele Architektinnen und Architekten anwesend waren. Nicht nur von Klimaschützern und Stadtteilinitiativen kommt der neue Druck auf die Politik, in der Baupolitik endlich das Ruder rumzureißen. Sie kommt auch aus der Architektenschaft selbst. Expertise selbstredend inbegriffen.

An neue Begriffe gewöhnen

Das Umbauthema muss zu einem Leitthema werden wie vor zehn Jahren die neue Liegenschaftspolitik

Vielleicht muss sich die Öffentlichkeit auch an einen neuen Begriff gewöhnen: Umbauen. Er würde dann in vielen Begriffskombinationen zu finden sein, in denen das Wort bauen steckt. Das Bündnis Klimastadt Berlin 2030 hat es am Dienstag schon mal vorgemacht. „Wir wollen die Bauordnung novellieren und eine Umbauordnung aus ihr machen“, sagt Elisabeth Broermann von Architects for future. „Dafür brauchen wir keinen Bausenator, sondern eine Umbausenatorin und eine Senatsumbaudirektorin.“

Umbau, das soll mehr sein als der Umbau eines Parkhauses zu einem Wohngebäude, es soll zu einer neuen, ressourcenschonenden Haltung werden. Denn nach wie vor ist der Flächenverbrauch in Berlin groß. Nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg nimmt die Siedlungs- und Verkehrsfläche im Land Berlin über 70 Prozent der Gesamtfläche ein. Das soll sich ändern. So soll laut Bündnis möglichst schnell das Ziel einer Versiegelungsbilanz von „nettonull“ erreicht werde. Vor allem müssten die grünen Freiflächen in den Kiezen und Quartieren erhalten werden.

Weniger Bauen, mehr Grün erhalten, die Stadt resilienter machen gegen Hitze, das alles wird tatsächlich nicht möglich sein, wenn die real existierende Baupolitik der SPD weiter auf das Mantra „Bauen, bauen, bauen“ setzt. Stattdessen muss das Umbauthema zu einem Leitthema werden wie vor zehn Jahren die neue Liegenschaftspolitik. Dazu bedarf es möglichst rasch der Verabschiedung eines Abrissmoratoriums.

Langfristig aber kommt die Politik auch nicht herum, einen zu hohen Wohnflächenverbrauch einzelner zu besteuern oder diejenigen zu belohnen, die sich mit weniger zufrieden geben. All das könnte man an einem Runden Tisch Umbaukultur im Abgeordnetenhaus diskutieren. Und auch darüber wäre zu sprechen, dass die „wachsende Stadt“, die für so vieles herhalten muss, vor allem eine Stadt wachsender Ansprüche und weniger die einer wachsenden Bevölkerung ist.

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2 Kommentare

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  • @RUEDIGER

    Ich glaube, Sie haben den Text nicht verstanden.

  • 'Nach Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg nimmt die Siedlungs- und Verkehrsfläche im Land Berlin über 70 Prozent der Gesamtfläche ein. Das soll sich ändern."



    Weniger dicht besiedelte Städte bedeuten ein dichter besiedeltes Umland - also mehr Pendlerverkehr und insgesamt mehr Flächenverbrauch, weil im Speckgürtel nicht so hoch gebaut wird, Flächen für Garagen, Terrassen, Schottergärten etc verwendet werden. Grünes Bauen bedeutet urbanes hohes und dichtes Bauen in den Städten, weil so am wenigsten Fläche verbraucht wird, am meisten Infrastruktur per Fahrrad oder zu Fuß erreichbar ist, der öffentliche Nahverkehr am effektivsten und damit am ökologisschsten genutzt werden kann. Grünflächen müssen von möglichst vielen genutzt werden können, also keine privaten Kleingärten. Das ist in etwa das Gegenteil dessen, was diese Initiative fordert, die sehr kleinräumig und nicht über den Tellerrand der Berliner Stadtgrenze hinausdenkt: die Ziele dieser Leute werden am schnellsten erreicht, wenn möglichst viele nach Brandenburg ziehen.