: Eine letzte Zigarre für die Erfolgstrainerin
Die deutschen Fußballfrauen stehen am Sonntag gegen Norwegen im EM-Finale. Für Tina Theune-Meyer ist es das letzte Spiel
PRESTON taz ■ Gut zwei Wochen ruht sie jetzt schon in einem Kämmerlein des Prestoner Marriott Hotels: Die Zigarre, die Mama Jones ihrer Tochter vom letzten Urlaub auf Jamaika mitgebracht hat, sozusagen aus historischen Gründen. 1997, bei der Europameisterschaft in Norwegen und Schweden, begann Mutter Jones damit, ihrem kickenden Sprössling vor jedem größeren Turnier eine dicke Zigarre als Anreiz mit ins Reisegepäck zu stecken. Inzwischen ist das Ganze längst ein schönes Brauchtum, und so hegt und pflegt Steffi Jones das gute Stück jetzt auch während der EM in England. „Die liegt bei mir in der Kommode“, erzählt die Nationalverteidigerin. „Und jeden Tag gehe ich zu ihr, schau sie mir an und sage: Bald bist du dran.“
Am Sonntag steigt im Ewood Park von Blackburn das Finale der Frauenfußball-EM zwischen Deutschland und Norwegen. Und danach soll in der deutschen Kabine mal wieder die Siegeszigarre die Runde machen. „Dann darf jede mal paffen, und wir alle fühlen uns so richtig groß“, grinst die 32-Jährige vom 1. FFC Frankfurt, die aber ganz rasch wieder ernst wird, wenn in dem Zusammenhang der Name der Bundestrainerin fällt: Das Finale gegen die Norwegerinnen ist zugleich das Ende der Ära Tina Theune-Meyer.
Nach neun Jahren an der Spitze der deutschen Frauen-Nationalmannschaft tritt die 51-Jährige aus Frechen, 1985 die erste weibliche Fußballlehrerin im Lande, als Bundestrainerin ab. Am liebsten würde sie natürlich mit einem Titelgewinn im Mutterland des Fußballs gehen, Trophäen pflastern schließlich das gesamte Jahrzehnt unter ihrer Leitung: 1997 und 2001 wurde die DFB-Auswahl Europameister, 2003 Weltmeister, dazwischen jeweils Olympia-Dritter in Sydney und Athen. „Sie ist die Erfolgstrainerin schlechthin“, findet Steffi Jones. „Da wäre ein EM-Sieg sicher ein schönes Abschiedsgeschenk für sie.“
Als Spielerin hat es Tina Theune-Meyer nicht zuletzt wegen einer schweren Knieverletzung nie bis ganz nach oben geschafft. Als Trainerin jedoch brachte es die akribische Frau, von ihren Spielerinnen als Expertin auf dem Gebiet der Videoanalyse geschätzt, zu ungleich größerem Ruhm. Anspruchsvoll und perfektionistisch ist sie, was sich zuletzt in ihrer unverhohlenen Enttäuschung über das erste und bislang einzige EM-Gegentor ihrer Mannschaft im Halbfinale gegen Finnland offenbarte. „Wir können das noch besser“, lautet einer von Theune-Meyers Lieblingssätzen.
„Ziemlich nüchtern“ sei sie wohl, sagt sie über sich selbst. Und als sie nach dem Finnland-Spiel gefragt wurde, ob sie diesen EM-Titel mehr als alle anderen im Team wolle, antwortete sie: „Ich glaube nicht.“ Nur wenige Augenblicke später kroch ihr dann aber doch so langsam die Wehmut in die Glieder. „Jetzt lasse ich dieses Spiel ein, zwei Stunden sacken“, kündigte sie an. „Danach sieht die Sache womöglich schon ganz anders aus.“
Dass sie in ihrem letzten Finale zur Abwechslung mal nicht auf die Schwedinnen, die Finalgegnerinnen von 2001 und 2003, sondern auf die Norwegerinnen trifft, ist ihr recht. „Von mir aus gerne“, erklärt Theune-Meyer und denkt an ihre Zeit als Assistentin von Gero Bisanz zurück: „Die Spiele gegen Norwegen waren früher ja auch einmal richtige Klassiker.“ Und gerade haben das stark verjüngte Team (Durchschnittsalter 24 Jahre) von Coach Bjarne Berntsen und die Frauen aus Schweden beim norwegischen 3:2-Sieg nach Verlängerung im Halbfinale die mit Abstand beste Partie dieser EM-Endrunde hingelegt.
Im Finale will jetzt auch die DFB-Elf einmal richtig überzeugen. Und dass es das Abschiedsspiel ihrer Trainerin ist, daran denkt dabei zumindest die vor der letzten EM kurzfristig ausgeladene Conny Pohlers nicht primär. „Wir sind hier, um den Titel zu holen“, sagt die Angreiferin aus Potsdam und zitiert ihren Heimcoach Bernd Schröder: „Alles andere sind Nebenkriegsschauplätze.“ Doch während selbst Pohlers („Vor dem letzten Spiel wird sicher eine eigenartige Stimmung herrschen“) etwas Mitgefühl zeigt, ist die Kollegin Steffi Jones schon vorher komplett aufgewühlt.
Aber ihre Karriere im Nationalteam und die von Tina Theune-Meyer verliefen nun einmal auch parallel, von einigen kleineren Brüchen abgesehen. „Wir haben wirklich ein besonderes Verhältnis zueinander, allein schon durch meine vielen Rücktritte“, sagt die Abwehrspielerin. „Wir schätzen uns beide menschlich, und ich kann ihr nur alles Gute wünschen“, sagt Steffi Jones noch, dann macht sie sich ans Packen für das Finale. Dabei sind: „Zwei Aspirin – falls die Norwegerinnen wieder wie beim ersten Spiel gegen uns dauernd lange Bälle schlagen.“ Vor allem aber: Mamas Zigarre.
ANDREAS MORBACH
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