Paris Saint-Germain in der Krise: Kompletter Zerfall
Bei Paris Saint-Germain sind Ergebnisse, Mannschaftsklima und Ausgaben verheerend. Nun muss das Team gegen den FC Bayern bestehen.
Einen einzigen Hoffnungsschimmer gibt es dieser Tage bei Paris Saint-Germain: Der am Oberschenkel lädierte WM-Torschützenkönig Kylian Mbappé steht wieder im Training. Kann er entgegen ursprünglichen Erwartungen im Champions-League-Achtelfinalhinspiel gegen den FC Bayern eingreifen? Andererseits: Kann damit wirklich alles gut werden? Oder nur irgendetwas? Vor der Wiederauflage des Finals 2020 (Sieger Bayern) und des Viertelfinals 2021 (Sieger PSG) vereint der Katar-Klub alle Anzeichen einer momentanen Krise und viele einer strukturellen.
Die Mannschaft hat in anderthalb Monaten 2023 vier Spiele verloren, so viele wie in ganz 2022. Zuletzt wurde sie beim Pokalausscheiden in Marseille und einer Ligapleite in Monaco vorgeführt. Danach stritten die Spieler untereinander und mit Sportdirektor Luis Campos, die Fans rebellierten im Stadion und tags darauf am Übungsgelände, der Trainer wirkt ideenlos und von der Klubspitze kommt nichts – außer Horrorbilanzen.
389 Millionen Euro Verlust soll der PSG allein vergangene Saison gemacht, 728 Millionen Euro dabei nur für Gehälter ausgegeben haben. So einen Lohnzettel gab es im Fußball noch nie. Klar, Peanuts für ein Emirat, das an die 200 Milliarden Euro für die Fußball-WM rausgeblasen haben soll. Auch vervielfachte sich der Wert des PSG von rund 100 Millionen Euro bei der Übernahme der Kataris 2011 auf geschätzt rund drei Milliarden Euro.
Doch eine Payroll über dem Jahresumsatz (654 Millionen) kann sich der Kontinentalverband Uefa nicht mehr lange anschauen; schon im September sanktionierte er Pariser Verstöße gegen das Financial Fairplay mit zehn Millionen Euro Strafe plus weiteren 55 Millionen auf Bewährung. Dazu hapert es beim sportlichen Return on Investment. Betrachtet man den Gewinn der Champions League als raison d’être dieses pharaonischen Megaprojekts, dann nähert sich der PSG nicht seinem Ziel. Sondern scheint sich mit jedem Superstar mehr davon zu entfernen.
Altbekannte Versagensängste
Die aktuelle Saison, die mit dem Versprechen auf das „Ende von Bling-Bling“ (Präsident Nasser Al-Khelaifi) begann, war nie wirklich gut. Zwar stimmten unter dem neuen Trainer Christophe Galtier anfangs die Ligaergebnisse, wirkte Neymar ernster bei der Sache und Lionel Messi besser integriert, zwar gab es eine klare Entscheidung im Torwartduell für Gianluigi Donnarumma gegen Keylor Navas und etablierte sich nach ewigen Verletzungspausen der erhoffte Mentalitätsleader Sergio Ramos.
Aber spätestens als Mbappé im Oktober kolportieren ließ, er plane trotz gerade erfolgter Rekordvertragsverlängerung – die Rede ist von mindestens 150 Millionen Euro pro Saison – den baldigen Abgang, da brannte es schon wieder überall.
Gegen die allseits favorisierten Bayern wird nun eine Wiederholung des Szenarios der Vorsaison befürchtet. Damals traf der PSG, ebenfalls nur Gruppenzweiter, auf Real Madrid, und obwohl er anders als heute gut in Form war und die Auseinandersetzung über 150 Minuten dominierte, brach er in der letzten halben Stunde zusammen. Während der Klub gegen die seit Jahren greifbaren Europacup-Versagensängste eigens Psychologen anheuerte, richteten die Ultras ihren Zorn auf die verhinderten Leader Neymar und Messi.
Die Superstars sind beleidigt
Das Verhältnis ist bis heute nicht gekittet, die beleidigten Superstars verweigern seither jeden Gruß an die Kurve. Nun ist Messi wie Mbappé angeschlagen und hat Neymar nicht nur Partylärm-Ärger mit dem Bürgermeister seiner Wohngemeinde Bougival („Irgendwann werden wir die Staatsanwaltschaft wegen fortgesetzter Störung der öffentlichen Ordnung einschalten“), sondern zankte sich in Monaco auch mit Sportdirektor Campos, weil der das Team zusammengefaltet hatte.
Kapitän Marquinhos assistierte seinem brasilianischen Landsmann. Dass die Verwerfungen schon Integrationsfiguren wie Marquinhos erreicht haben, illustriert den Zerfall einer Mannschaft ohne Gruppenidentität.
In Paris gilt für das Achtelfinale eigentlich nur eine Strategie als valide: irgendwie das Hinspiel überleben und dann auf einen voll genesenen Mbappé und die Konjunkturen des Fußballs hoffen, in dem sich Stimmungen und Formkurven bekanntlich schnell ändern. Das Rückspiel in München steigt erst drei Wochen später. Angesichts des monströsen Umfangs der PSG-Krise scheint allerdings auch das gerade sehr wenig Zeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
VW in der Krise
Schlicht nicht wettbewerbsfähig
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Mögliche Neuwahlen in Deutschland
Nur Trump kann noch helfen
Kränkelnde Wirtschaft
Gegen die Stagnation gibt es schlechte und gute Therapien