Klimaneutrale Bundeswehr bis 2030: Bitte auch grün aufrüsten!
Über die teure militärische Ertüchtigung der Bundeswehr wird gestritten. Aber sie soll bald auch CO2-neutral sein. Kostet das nicht Milliarden?
Das Problem ist der Gebäudesektor, der 40 Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen ausmacht. Bislang gehören der Bundeswehr etwa 1.500 Liegenschaften und rund 33.000 Gebäude. Und der Bestand könnte noch wachsen, denn wegen des laufenden militärischen Ausbaus werden auch weitere Kommandogebäude, Lager und Unterkünfte nötig.
Mehr als die Hälfte der aktuellen Bundesbauprojekte seien militärischer Natur, gibt das Bundesministerium des Innern und für Heimat an. 40 Prozent entfielen auf die Bundeswehr, 15 Prozent auf Partnerarmeen. Zumindest die Bauten für die Bundeswehr müssen klimaneutral hochgezogen oder saniert werden. Dafür werden neue Baumaterialien und eine bessere Dämmung gebraucht. Zudem müssen die Gebäude auch nachhaltig betrieben werden. Laut dem Ende vergangenen Jahres veröffentlichten Nachhaltigkeitsbericht der Bundeswehr sind hier Solaranlagen und Geothermie die Mittel der Wahl.
Konkrete Zahlen fehlen
Ansonsten ist der Bericht keine große Hilfe, wenn es darum geht, wie und zu welchen Kosten die Bundeswehr die ambitionierten Vorgaben schaffen will – ihn prägt das Bemühen, Zahlen und Bezugsgrößen zu einem positiven Zustandsbild zusammenzupuzzeln. Nur ein Beispiel: Damit Verringerungen von Emissionen möglichst imposant klingen, werden sie stets mit Basisjahren verglichen, die vor den Verkleinerungsrunden der Streitkräfte lagen, etwa 1990 oder 2005.
Die Infrastrukturprojekte der Bundeswehr werden von den Baubehörden der Länder umgesetzt. Planung und Steuerung liegen beim Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (IUD) in Bonn. Aber auch dort weiß man nicht, wie hoch die Kosten sind, um die Liegenschaften bis 2030 klimaneutral zu bekommen.
2023 investiert die Bundeswehr etwas mehr als eine Milliarde Euro im Baubereich, sagte ein IUD-Sprecher der taz. „Die erweiterten Zielvorgaben der Bundesregierung haben zur Folge, dass eine Vielzahl von Baumaßnahmen erneut planerisch betrachtet werden muss. Dies erfolgt aktuell und stellt eine sehr komplexe Planungsherausforderung dar.“
Bis zu 23 Milliarden Euro extra
Allerdings hat das IUD offenbar Zweifel daran, dass das Ziel überhaupt erreichbar ist. Schließlich sei das energieeffiziente Bauen abhängig von der „Leistungsfähigkeit der Bauverwaltungen, der Verfügbarkeit von Baumaterial sowie entsprechender Kapazitäten in der Bauindustrie“. Eine Prognose sei deshalb „unter den aktuellen Marktgegebenheiten nicht möglich“, so der Sprecher.
Einen groben Ausblick gibt es immerhin im „Masterplan Bundesbauten“ des Innenministeriums von 2021. Darin heißt es, das jährliche Bundesbauvolumen von 3 Milliarden Euro müsse künftig um 2 bis 3 Milliarden Euro pro Jahr aufgestockt werden, der Anteil der Bundeswehr daran betrage auch hier 40 Prozent. Damit kämen bei den Streitkräften bis zum Ende der Dekade satte 19 bis 23 Milliarden Euro zusammen. Dabei sind Baunebenkosten – wie Honorare für Architekten und Gutachter sowie die Bauaufsicht – noch gar nicht enthalten. Diese machen normalerweise schon ein Drittel der Gesamtkosten aus, für Bundeswehr-Spezialbedürfnisse wie Sicherheitsstandards fällt dieser Kostenteil höher aus. Auch Generalunternehmer verlangen Kostenaufschläge von 20 Prozent und mehr. Über einen solchen lässt die Bundeswehr zum Beispiel den Fliegerhorst Büchel für die kommenden F35-Kampfjets modernisieren, die die Tornadoflotte ersetzen sollen.
Zudem steht der Ausbau der Elektromobilität an den Bundeswehr-Standorten an. Laut dem Nachhaltigkeitsbericht der Bundeswehr gibt es derzeit 300 Ladepunkte, bis 2025 sollen 2.700 entstehen. Der gesetzlich formulierte Bedarf liege allerdings bei 30.000 Ladestationen, heißt es in dem Report.
Kritischer Bericht erwartet
Bei Regierungsantritt hatte die Ampelkoalition eine „Kritische Bestandsaufnahme für eine Bundeswehr der Zukunft“ vereinbart. In dem noch ungebilligten Entwurf des Verteidigungsministeriums, der der taz vorliegt, rechnen die Militärplaner damit, dass für den Infrastrukturbereich ein Investitionsvolumen von 24 Milliarden Euro nötig ist. Hinzugerechnet werden müssten 20 Milliarden Euro extra für die Umsetzung der Klima- und Nachhaltigkeitsziele.
Diesen immensen Bedarf bildet der Wehretat mit seinen 50 Milliarden Euro, die die mittelfristige Finanzplanung hergibt, nicht ab. Wenn es keine Extramittel geben wird, um das Ziel Klimaneutralität umzusetzen, konkurrieren die steigenden Kosten mit den Investitionen in die militärische Aufrüstung. Das sind keine guten Voraussetzungen für eine Armee, die gerade wieder militärisch fit gemacht werden soll.
Die Bundeswehr wurde über drei Dekaden teils zusammengespart, teils hat sie vor allem wegen ihres reformbedürftigen Beschaffungswesens schlecht gehaushaltet. So sind inzwischen selbst 100 Milliarden Euro Sondervermögen nur eine Anschubfinanzierung, um Erneuerungen anzugehen.
Beispiel Munition: Die Bundeswehr hat hier erklärt, einen Bedarf von 20 Milliarden Euro zu haben, um ihre Bestände durchhaltefähig aufzufüllen. Doch im Sondervermögen war kein Platz mehr. Aber auch der Wehretat ist zu klein. Er hat für die gesamten Rüstungsinvestitionen lediglich 10 Milliarden Euro eingeplant.
Das Klimaschutzgesetz sieht vor, dass die Bundesverwaltung im laufenden Jahr ein Maßnahmenprogramm vorlegen muss, wie sie die Klimaziele erreichen will. Erarbeitet hat es die im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelte Koordinierungsstelle Klimaneutrale Bundesverwaltung. Diese hat dafür sogenannte Innovationsteams aus Behördenmitarbeitern und Experten aufgestellt, unter anderem für Mobilität und Liegenschaften. In jedem dieser Teams ist auch die Bundeswehr vertreten.
Dieses Programm befindet sich aktuell noch in der Ressortabstimmung. Wann es beschlossen werden kann, ist noch unklar, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums.
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