: Proteste in Buenos Aires erwartet
Die Celac wurde als Gegenentwurf zur US-dominierten OAS gegründet. Das sorgt bis heute für Zündstoff
Aus Buenos Aires Jürgen Vogt
Erst wenn am Dienstag in Buenos Aires der VII. Gipfel der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) beginnt, wird wirklich klar sein, wer von den möglichen 33 Staats- und Regierungschefs*innen auf dem Gruppenfoto zu sehen sein wird. Neben ihnen werden Vertreter aus den USA und China posieren. Zwar waren Joe Biden und Xi Jinping offiziell eingeladen, entsandten aber lediglich Vertretungen und schickten Videobotschaften. EU-Ratspräsident Charles Michel hingegen wird anwesend sein.
Für Brasiliens Präsidenten Lula da Silva ist es der erste internationale Auftritt seit seinem Amtsantritt am 1. Januar. Gleichzeitig signalisiert Lulas Kommen Brasiliens Schritt „zur vollständigen Wiedereingliederung des Landes in die internationale Gemeinschaft“, wie es aus dem Außenministerium in Brasilía hieß. Sein Vorgänger, Jair Bolsonaro, hatte die Mitgliedschaft in der Celac vor drei Jahren mit der Begründung ausgesetzt, dass sie nur dazu diene, „nichtdemokratische Regime in den Vordergrund zu stellen“.
Ins gleiche Horn stößt gegenwärtig Argentiniens konservative politische Opposition. Denn dass Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro und Kubas Präsident Miguel Díaz Canel anreisen, sorgt in Buenos Aires für reichlich Zündstoff. Nicaraguas Machthaber Daniel Ortega hatte abgesagt.
Im Fall von Nicolás Maduro wird sogar eine Festnahme gefordert, sollte er tatsächlich argentinischen Boden betreten. Als Präzedenzfall dient die Verhaftung des ehemaligen chilenischen Diktator Augusto Pinochets bei seinem Besuch in London 1998 auf der Grundlage eines spanischen Haftbefehls. Bei Maduro wird auf die von der US-Administration im Jahr 2020 ausgesetzte Belohnung von 15 Millionen Dollar für dessen Ergreifung hingewiesen.
Gegen den venezolanischen Präsidenten liege allerdings kein internationaler Haftbefehl vor, hieß es sofort aus dem argentinischen Außenministerium. Und damit in dieser Hinsicht auch nichts passiert, könnte Gastgeber-Präsident Alberto Fernández der venezolanischen Delegation einen besonderen diplomatischen Status zuerkennen, einschließlich all ihrer mitgeführten Sachen. Dazu würde auch das zur Anreise genutzte Flugzeug gehören, um möglichen Pfändungsforderungen von Inhabern venezolanischer Schuldentitel vorzubeugen.
Das Konferenzhotel im Stadtteil Retiro von Buenos Aires ist bereits weiträumig abgesperrt. Protestaktionen werden vor allem von der venezolanischen Community erwartet. Die 170.000 Venezolaner*innen stellen inzwischen die größte Migrantengruppe in Argentinien.
Viele sind an den Río de la Plata geflohen, um dem Regime in Caracas und der wirtschaftlichen und sozialen Misere in Venezuela zu entkommen. Es wird befürchtet, dass es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Anhänger*innen und Gegner*innen des Regimes in Venezuela kommen könnte.
Viele von ihnen dürften sich daran erinnern, dass die Celac 2011 in Venezuelas Hauptstadt Caracas gegründet wurde, als Teil der außenpolitischen Ideen des damaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez. Als Gegeninstitution zur US-amerikanisch dominierten Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sollte sie „den schrittweisen Integrationsprozess der Region vorantreiben“, hieß es in der Gründungserklärung. Der Celac gehören alle Mitgliedstaaten der OAS an – mit damals bewusst formulierter Ausnahme der USA und Kanadas.
Von einem in Gang gesetzten Integrationsprozess kann jedoch keine Rede sein, zumal die Celac neben dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs über keinerlei institutionelle Organe oder Einrichtungen verfügt. Und ohne das Schwergewicht Brasilien war die Gemeinschaft zur lahmen Ente verkommen. Der gemeinsame Versuch Argentiniens und Mexikos, die Lücke zu füllen, hatte nur die völlige Bedeutungslosigkeit verhindert. Mit Lula hoffen jetzt viele auf einen Neuanfang.
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