Die Wahrheit: Wrumm, wrumm, batsch, boing!
Schurken, die die Welt beherrschen wollen – heute: nein, nicht Boris „Pistole“ Pistorius, sondern Volker „Verkehrtminister“ Wissing.
„Wunnnnderbar!“ Bis tief in die Bronchien zufrieden löst sich Volker Wissing vom Auspuff seines Dienstwagens, eines Hybrid-Audi A8L 60 TFSI e quattro, erhebt sich verzückt lächelnd und wedelt die saubere Luft weg. „Schade, dass man’s nicht essen kann!“, ruft der Bundesverkehrsminister, schlüpft, schon etwas ungelenk und ein wenig beschwipst, ins Auto, sackt auf dem Polster zusammen – und träumt sich mit 449 PS zurück in seine wunnnnderbare Knabenzeit.
40, ja 50 Jahre liegt sie hinter ihm, aber wie in einem Rückspiegel erblickt er sie in seinem geistigen Auge. „Auto“ war sein erstes Wort, und es dauerte lange, bis er stattdessen „ich“ zu sagen lernte. Wissings Lieblingswort aber war „wrumm“, meist als ganzer Satz in der Form „Wrumm, wrumm!“, und jahrelang sein einziger, bis „Bumm“ und „Boing“ als ganze Sätze dazukamen. Garantiert wahr!
Gleichwohl war Klein Volker nicht autofixiert, wie jetzt ein Seelendoktor vielleicht diagnostizieren würde, was praktisch nie der Fall war. Sondern mit ausgebreiteten Armen kurvte Volki durch die ärztliche Praxis wie sonst durch die Familienwohnung und spielte „iiiooouuu“ machend Flugzeug; oder stellte zu Hause mit lautem „rrrrrr!“ und „p-p-p-p-p!!“ einen Luftkampf mit Bomber, schwer mit Propeller arbeitend, und wendigem Jagdflugzeug nach.
Flink in Überschallgeschwindigkeit
In der Schule aber faltete er Papierflieger, die er flink wie in Überschallgeschwindigkeit wieder auseinanderdröselte, wenn der Lehrer schon meinte, der Bub hätte die Hausaufgaben ebenso wenig gemacht wie er selber.
Zurück auf dem elterlichen Weingut in der Pfalz, durfte Wissi schon mit zehn oder elf Jahren eine Runde mit dem Trecker fahren, bis sie am Gartentor endete und der Anhänger mit dem unempfindlichen Qualitätswein umkippte. Die Leser sind Zeuge!
Dann aber kam vieles anders. Volker wurde irgendwie älter und reifer und immer mehr Wissing. Gewiss, bei seinen Geburtstagen mit den Nachbarskindern auf mehreren Küchenstühlen hintereinander sitzend und „tschuk, tschuk“ rufend „Auf de schwäb’sche Eisebahne“ zu spielen, das vermisste er auf den Universitäten Freiburg und Saarbrücken rulla, rulla, rullalla nicht. Zwar war ihm die Deutsche Bahn schon damals wichtig, keine Frage!, aber auch später nicht so wichtig wie alles andere.
Doktorwimpel an der Antenne
Stattdessen startete er bald nach dem Studium der Rechtswissenschaft mit Vollgas ins Leben und drückte als Richter und Staatsanwalt auf die Tube; zuvor hatte er noch rasend schnell in Münster eine Arbeit über Abfallrecht ins Ziel gebracht. Seither darf er sich den Wimpel eines Doktors an die Antenne hängen. Unfallrecht wäre ihm allerdings lieber gewesen.
Schon als Kind hatte Dr. Volker Wissing eine Freude an Unfallfotos in der Zeitung und schaute gespannt wie ein Keilriemen die Formel-1-Rennen im Fernsehen. Nicht weniger fasziniert war er von der Welt des Straßenbaus, wie man heute weiß. Gern saugte er den Geruch frischen Teers ein, war ihm das Stampfen des Presslufthammers Musik in den Ohren; lange hatte er überlegt, ob er Straßenbauingenieur oder sogar Planierraupenfahrer werden sollte statt bloß Jurist.
Die Dampfwalze faszinierte ihn wie das mit Saugmund und Zubringerbesen ausgestattete Kehrfahrzeug, über das er noch heute stundenlang reden kann, es berauschte ihn wie der Hochlöffelbagger und der Mischgutschrapper, für die er seither leidenschaftlich schwärmt. Im Dezember 2021 wurde sein Kindheitstraum endlich wahr und er, Baujahr 1970, als Erwachsener doch noch Bundesverkehrsminister und Chef aller deutschen Straßenhobel und bituminösen Tragschichten. Plus Digitalgedöns noch ministeriell oben drauf. Ein Gleis verlegt er aber auch schon mal.
Freie Bahn in Eigenverantwortung
Der Vater einer Tochter, der als Kirchenorganist von 1986 bis 2000 in der Kirche begeistert orgelte, war als Autofahrer naturgemäß von der FDP begeistert. Sie fordert nicht nur freie Fahrt für freie Bürger, sondern vertritt überhaupt als Partei der Freiheit die Idee der Freiheit, füllt den Freiheitsbegriff mit Freiheitsgedanken und garantiert den Bürgern den Wert der Freiheit in einer freien Gesellschaft im Bewusstsein der Freiheit auch von Volker Wissing. Genau deshalb war er der FDP mit 28 Jahren begeistert beigetreten, freie Bahn dem tüchtigen Juristen mit leistungsorientiertem Parteibuch in gemeinsamer Eigenverantwortung!
Folgerichtig parkte er dann ab 2004 im Bundestag neun lange Jahre, blieb erst mal still und leise wie ein vorbildlicher Beifahrer, der sich nicht einmischt. Stattdessen nutzte er die freie Zeit, den Vorsitz seiner FDP in Weinland-Pfalz zu übernehmen und Rainer Säuferle zu beerben, den Brüderle. Wie dieser in den 1990er Jahren übernahm nun er 2016 das Landesministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, ohne aber je dem Trunke zu verfallen. So schaffte er es nüchtern bis nach ganz oben in Berlin, was nicht vielen gelingt.
Und blieb sogar persönlich unverbeult, weil er einen hausgroßen Dienstwagen hat, zu dessen Innenausstattung ein Chauffeur gehört! Das ist auch der Grund, weshalb er die Verkehrswende nicht ernst nehmen kann. Soll denn, während der Chauffeur in die Pedale tritt, ein Volker Wissing auf dem Gepäckträger sitzen? Und wie bitte soll ein Bundesminister mit dem Fahrrad 250 km/h auf der Autobahn schaffen, wenn nur 130 erlaubt sind?
Es bringt ja sowieso nichts, CO2 zu sparen, weil man dann nicht mal mehr fett CO2 ausstoßen darf wie sein Hybrid-Audi A8 L 60 TFSI e quattro mit 258 g pro Kilometer. Wo in der EU nur 95 g erlaubt sind! Was die Kritiker vergessen: Es sind keine 258 Pferdeäpfel. Und demnächst wie die Grünen statt per Dienstwagen per Dienstpferd zum Termin reiten will Verkehrsminister Volker Wissing nicht. Schade!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“