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Ob Biohaltung oder konventionellKranke Hühner, Kühe und Schweine

Das von der Bundesregierung geplante Tierwohllabel ist unzureichend. Es gibt keine Auskunft über die Krankheiten von Nutztieren, kritisiert Foodwatch.

Das geplante Tierwohllabel sagt nichts über die Gesundheit der Tiere in einem Betrieb aus Foto: Marijan Murat/dpa

Berlin taz | Das derzeit diskutierte Tierwohllabel sagt nichts über Wohlergeben und Gesundheit von Nutztieren aus, kritisiert die Verbraucherorganisation Foodwatch. Eine gesetzliche Kennzeichnung für tierische Produkte, wie sie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) derzeit plant, gebe Kun­d:in­nen nur Auskunft über die Haltungsform. Zu wenig, findet Foodwatch. „Kranke und verletzte Tiere gibt es auf kleinen Biohöfen genauso wie in großen Tierfabriken“, erklärte Foodwatch-Expterin Annemarie Botzki. Entscheidend sei das Stallmanagement. Foodwatch forderte, Agrarsubventionen auch an den Gesundheitsdaten von Tierhaltungsbetrieben auszurichten. Die geplante Regelung schiebe die Verantwortung an die Ver­brau­che­r:in­nen ab.

Eine Foodwatch-Auswertung tiermedizinischer Studien habe ergeben, dass knapp 40 Prozent aller Schweine in konventioneller Haltung krankhafte Befunde wie Lungenentzündungen, offene Wunden oder Abszesse aufweisen. In der Bio-Haltung seien es mit 35 Prozent jedoch kaum weniger. Bei Milchkühen wurden bei 39 Prozent aller Tiere Erkrankungen an den Klauen festgestellt – egal ob in konventionellen oder in Biobetrieben. In Ökoställen seien Euterentzündungen sogar besonders häufig zu beobachten.

Bei Legehennen ist die Lage für die Tiere laut Foodwatch besonders schlimm: Bis zu 97 Prozent der Hennen weisen Knochenbrüche auf – vor allem weil sie für die Eierproduktion so viel Calcium verbrauchen, dass die Knochen brechen. Das Problem liegt hier Studien zufolge vor allem in der Züchtung.

Tierwohllabel bildet nicht genügend ab

Wie es Nutztieren in Deutschland geht, sei mit dem geplanten Tierwohllabel weder abgebildet noch sei das Problem gelöst, so die Kritik. “Eine kranke Kuh kann mit einer Weide nichts anfangen“, betonte Albert Sundrum, ehemaliger Fachgebietsleiter Tierernährung und Tiergesundheit an der Universität Kassel. Für den Experten ist eine “dysfunktionale Agrarwirtschaft“ mit Kostendruck eher ausschlaggebend für das Tierleid als etwa Stall oder Gehege.

Foodwatch fordert die Bundesregierung dazu auf, Gesundheitsdaten zu erheben und systematisch auszuwerten. Bisher sei die Datenlage dazu intransparent.

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5 Kommentare

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  • Würde mir wünschen, auch etwas über das neue EUgesetz zu lesen.



    Ab 24.1 hat die Ursula erlaubt, dass geschrotete Grillen aus Vietnam Backwaren, Mehl etc. als Zutat enthalten dürfen. Muss nicht extra gekennzeichnet werden.



    Darf auch in veganen Fleischersatzprodukten enthalten sein.



    Nein, das ist kein verfrühter Aprilscherz.!

  • Und kranke Pferde! Man sollte diese armen Pferde aus Argentinien oder Island bei der Datenerhebung mit betrachten, deren Hormon PMSG in der hiesigen Schweinezucht verwendet wird:

    www.pferde.de/maga...islandpferden/amp/

  • Vielen Dank für diese Infos!



    Wieder verfehlt man anscheinend die wirklichen Ziele.

  • Wenn Tiere Teil einer kapitalistischen Verwertungskette werden, ist das immer mit Kostendruck und damit mit Leid verbunden. Für die industrielle Landwirtschaft gezüchtete Nutztiere kann man gar nicht artgerecht halten, da ist der tierquälerische Optimierungszwang bereits in der Genetik eingebrannt. Ein Gräuel. Ein unfassbarer Horror.

    Aus meiner Sicht ist Veganismus die einzige vertretbare Option. Gleichzeitig ist mir auch klar, dass man das Problem nicht über individuelle Konsumentscheidungen lösen kann, das funktioniert nirgendwo. Vor allem nicht in einer Gesellschaft, in der bereits die bloße Präsenz eines veganen Lebensmittels für hysterische Abwehrreaktionen ausreicht. Die doxastische Furcht, also die panische Angst davor, das eigene Weltbild in Frage stellende Erkenntnisse zu haben, äußert sich nirgends so drastisch wie am Grill. Man legt ne Zucchini drauf und schon schreit jemand was über Evolutionsbiologie.

    Unter diesen Umständen werden wir das zigmilliardenfache Tierleid nicht abschaffen können. Ich weiß auch nicht, ob das im Kapitalismus überhaupt machbar ist. Aber wenn ich weiß, wie die Wurst gemacht wird, dann kann sie nicht auf meinen Teller. Ich muss wenigstens ein bisschen Distanz zwischen mich und diese alptraumhafte Maschinerie zur Produktion, Vernichtung und Verwertung empfindungsfähiger Lebewesen bringen, alles andere ist unerträglich. Und das würde für viel mehr Menschen gelten, wenn sie sich nicht vor der schrecklichen Wahrheit abschotten würden.

    • @Elon Musk kommt nicht ins Berghain:

      Vielen Dank für Ihre ehrlichen Zeilen. Ich denke auch hier, Informieren der Bürger hilft. Wenn man ihnen zB das Elend der Tiere in konventioneller Haltung vor Augen führt.

      Ich selbst gehe einen pragmatischen Weg. Ich bin kein Veganer. Allerdings kann es vorkommen, dass ich wochenlang kein Fleisch esse, weil es einfach nicht auf meiner Prioritätenliste steht und ich dazu noch konventionell erzeugtes Fleisch meide. Das versetzt einen dann in die Luxussituation für den wenig verbliebenen Fleischkonsum auch das xfache Zahlen zu können - wenn, ja wenn es da wirklich glaubhafte Biosiegel gäbe.

      Milch und Butter sind allerdings eine Achillesferse. Ohne geht nicht. Selbst meine indischen (traditionellen) Freunde trinken Milch in rauhen Mengen. Für mich wäre es hart, auf (Bio) Milchprodukte zu verzichten

      Allen - am besten noch industriell gefertigten - Ersatzstoffen von Milch stehe ich skeptisch gegenüber, weil eben z.T. krasser als selbst homogenisierte Milch. Ein Freund von mir hat eine Hafer(!) Allergie bekommen - von zuviel Hafermilch?



      Noch besser ist Sojamilch, am besten selbst und nicht erhitzt hergestellt, da sich da noch jede Menge Lektine drin, die Hämoglobin verklumpen lassen kann (gilt für viele Bohnen! immer erhitzen!) (check: Lektine, Wikipedia) - wobei Soja noch jede Menge weitere nette hormon-like Stoffe enthält (! bei Schilddrüsenprobleme und bei Babies Vorsicht!)



      Deswegen sind alle Substitute von Milchprodukten in meinen Augen sehr fraglich. Wenn keine Milchprodukte, dann sollte man es möglichst durch andere pflanzliche Lebensmittel ersetzen, wie wir sie seit je her konsumieren, aber eben nicht durch neue ungesunde Hypes der Industrie ver*rschen lassen :P

      Waere das nicht einmal ein Thema für einen langen Bericht in der taz, liebe Red? :) ?