Joe Bidens Regierungsdokumente: Ein Sack Reis in der Garage
Die Aufregung um Joe Bidens Regierungsdokumente ist übertrieben. Zu viel Material wird als geheim eingestuft – und die USA haben größere Probleme.
D er Fund geheimer oder vertraulicher Regierungsdokumente in einem Büro und der Garage von US-Präsident Joe Biden wäre wohl nie mehr als eine Kurzmeldung wert gewesen, wenn nicht zuvor solche sensiblen Papiere zuhauf in Donald Trumps Residenz Mar-a-Lago gefunden worden wären. Welche Gefahr der unsachgemäße Umgang Bidens mit den geheimen Dokumenten barg, wissen wir nicht, ihr Inhalt ist und bleibt vorerst vertraulich.
In den USA wird inzwischen gefragt, ob der Drang, sämtliche internen Vorgänge der Regierung als geheim einzustufen, eigentlich angemessen ist. Es sind derzeit mehr als 800 Beamte in 16 Ministerien und Behörden, die die Befugnis haben, Papiere auf ihrem Tisch als „vertraulich“ oder „geheim“ zu markieren und so für Jahrzehnte vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen.
Weil das mit demokratischer Kontrolle nicht zu vereinbaren war, wurde 1974 der „Freedom of Information Act“ verabschiedet; unter Bill Clinton wurde er ausgedehnt. Nur so konnte der Schleier der Geheimhaltung über viele fragwürdige militärische oder geheimdienstliche Aktionen der USA im Kalten Krieg gelüftet werden.
Dennoch leben Whistleblower wie zum Beispiel Chelsea Manning oder Julian Assange bis heute in akuter Gefahr, wegen Aufdeckung staatlicher Gesetzesbrüche vor Gericht gestellt und zu langen Haftstrafen verurteilt zu werden. Der Umgang mit Geheimnissen bleibt widersprüchlich.
Aber die mediale Aufregung um sechs Blatt Papier in Bidens Garage ist übertrieben. Es gibt wahrlich bedeutendere Probleme: In Kalifornien stehen wegen Extremwetters ganze Landstriche unter Wasser, an der Südgrenze der USA leiden Tausende Migrant*innen, weil sich der Kongress seit Jahrzehnten nicht über Einwanderung einigen kann. Und die Republikaner steuern mit Furor auf den nächsten Regierungsstillstand zu. Aber in einer von den Erregungszyklen der sozialen Medien getriebenen Medienwelt werden, diktiert von politischem Kalkül, die wichtigen Fragen ausgeblendet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Spaniens Staatschef im Nahkampf
Ein König mit Cojones
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala