piwik no script img

Fall des Tadschiken Abdullohi ShamsiddinAbschiebung um jeden Preis

Abdullohi Shamsiddin soll nach Tadschikistan abgeschoben werden. Dabei droht ihm dort Folter. Frau und Kinder dürfte er nicht mehr wiedersehen.

Hier wohnt die Verzweiflung: Abschiebegefängnis in Büren Foto: Martin Lengemann/WELT/Ullstein Bild

Bochum taz | Wer Abdullohi Shamsiddin im Abschiebegefängnis im nordrhein-westfälischen Büren anruft, redet mit einem verzweifelten Mann. „Ich habe riesige Angst, nach Tadschikistan abgeschoben zu werden“, sagt der 32-Jährige. „Ich habe Angst, dass ich dort im Gefängnis gefoltert werde. Am meisten Angst aber habe ich, dass ich meine Frau und meine beiden Kinder nie mehr wiedersehe“, sagt Shamsiddin – und kann dann seine Tränen nicht mehr unterdrücken.

Begründet scheint die Angst des Mannes mit tadschikischer Staatsangehörigkeit, der seit 2009 in Deutschland lebt, in jedem Fall: Die Führung der seit 2015 verbotenen, ehemals größten Oppositionsbewegung IRPT bestätigt, dass Shamsiddin Parteimitglied ist. Und sein Vater Shamsiddin Saidov, der wie seine Mutter mit anerkanntem Flüchtlingsstatus in Aachen lebt, gilt in dieser nicht extremen Islamischen Partei der Wiedergeburt Tadschikistans als führender Kader.

„Sehr besorgniserregend“ sei die drohende Abschiebung deshalb, warnte der Direktor der für Zentralasien zuständigen Abteilung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Hugh Williamson, schon im Dezember. „In Tadschikistan sind bereits mehrere IRPT-Mitglieder allein wegen ihrer Parteimitgliedschaft zu bis zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden“, sagt Williamson heute.

Dort seien sie unter dem Regime des autokratischen Präsidenten Emomalij Rahmon gefoltert und misshandelt worden – „etwa durch Schläge oder Schlafentzug“. Auch das Norwegische Helsinki-Komitee und Ak­ti­vis­t:in­nen der NGO Freedom for Eurasia warnen dringend vor der Abschiebung.

Gericht bleibt unnachgiebig

In ein Flugzeug mit Ziel der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe kann Abdullohi Shamsiddin jeden Tag gesetzt werden. Schon am 11. Dezember war er frühmorgens aus seiner Dortmunder Wohnung geholt worden – der Abschiebung entging er nur, weil er sich im Flughafen München selbst verletzte und sich die Nase brach.

Doch auch ein dritter, aus der Abschiebehaft gestellter Asylantrag ist vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gescheitert: Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) hält auch das Gericht Shamsiddins IRPT-Mitgliedschaft für unglaubwürdig – und bezweifelt, dass der führende Parteikader Saidov überhaupt sein Vater ist.

„Schnell geklärt werden könnte das doch über einen DNA-Test“, sagt Cornelia Suhan dazu – die Dortmunder Fotografin ist Kopf eines Netzwerks, das für Sham­sid­din kämpft. „Wir fordern die Dortmunder Ausländerbehörde nachdrücklich auf, einem solchen Test zuzustimmen.“

Unzweifelhaft bestätigt werden könnte so auch, dass Abdullohi Sham­sid­din Vater seiner Kinder ist – denn auch die Kernfamilie des Dortmunders lebt in Europa: Seine Frau Sumaya und seine 2020 und 2022 geborenen Söhne Muhammad und Abdurahmon haben in Litauen Flüchtlingsschutz und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht erhalten.

„Die Abschiebung muss ausgesetzt werden, damit Herr Sham­sid­din die Chance bekommt, mit DNA-Tests zu beweisen, dass er Kind seiner Eltern und Vater seiner Kinder ist“, fordert deshalb auch Sebastian Rose von der Organisation Abschiebungsreporting NRW. „Der Mann hat einen Rechtsanspruch nach europäischem Flüchtlingsrecht auf Familienzusammenführung zu Frau und Kindern – und die Stadt Dortmund weiß das“, erklärt Rose. „Absurd“ seien Vorschläge, Shamsiddin könne sich doch in Duschanbe um ein Visum für Litauen bemühen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Abdullohi Shamsiddin ist mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Vergewaltigung und Freiheitsberaubung.



    Ich finde diese Fakten sollten sie für eine objektive Beurteilung des Falles nicht unterschlagen.



    Wer anderen Freiheit und Würde nimmt, ist nicht unbedingt ein guter Gast in unserem Land.

  • Der Artikel lässt viele Fragen offen.

    Aus welchem Grund zweifelt das Gericht an, dass Saidov Shamsiddins Vater ist?

    [...]

    Kommentar gekürzt. Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen. Danke, die Moderation

  • Ist nur eine Kleinigkeit und hat auch nichts mit einer inhaltlichen Bewertung zu tun (und soll es hier auch nicht):

    "...hält auch das Gericht Shamsiddins IRPT-Mitgliedschaft für unglaubwürdig".

    An den Begriffen "unglaubhaft" oder "unglaubwürdig" kann man idR ganz gut erkennen, ob jemand sich grundsätzlich mit juristischen Verfahren auskennt oder nicht.



    Wenn die Begriffe verwechselt werden hat der Autor vermutlich keinen bis extrem wenig juristischen Hintergrund, wenn juristische Vorgänge eingeordnet werden sollten sollte man dann entsprechend vorsichtig sein.



    Analog (wenn auch keine perfekte Analogie) als wenn jemand in einem Artikel zu Steuern Brutto und Netto verwechselt.

    "Unglaubwürdig" sind Personen. Man könnte also sagen "Herr Shamsiddin ist unglaubwürdig, weil er in der Vergangenheit mehrmals unwahre Angaben gemacht hat, und so gezeigt hat, dass er bereit ist die Behörden seines Gastlandes zu täuschen, wenn ihm dies dienlich erscheint". Glaubhaftigkeit widerum bezieht sich auf ein Vorbringen. Also hier: "Sein Vorbringen, er sei Mitglieg der Partei XY und Sohn des XY ist unglaubhaft, weil..."



    Im Asylverfahren wird die Glaubhaftigkeit des Vorbringens geprüft, nicht die Glaubwürdigkeit desjenigen, der das Asylverfahren betreibt.



    Natürlich spielt früheres Verhalten, auch ob jemand gezeigt hat bereit zu sein zu täuschen wenn ihm das von Nutzen, eine Rolle bei der Bewertung. Die Hürden der Glaubhaftmachung hat derjenige dann selbstverschuldet höher gesetzt.

    Zum Thema Glaubhaftmachung: archiv.jura.uni-sa...echt/glaubhft.html

  • Wieso kommt man mit solchen Vorschlägen erst um die Ecke, nachdem ein drittes Asylverfahren gerichtlich gescheitert ist? Wieso gibt der Mann ein solches Gutachten nicht einfach selbst in Auftrag? Das alles hätte er doch unlängst beibringen können. Jetzt sieht es nach Verzögerungstaktik aus. Und weshalb stellt er nicht einfach einen Antrag auf Familienzusammenführung und zieht nach Litauen?