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Arbeitskampf wird lokalLieferando klagt gegen Betriebsrat

Bremer Lieferando-Fahrer*innen haben ihren eigenen Betriebsrat gewählt. Das soll Interessenvertretung sichtbarer machen und auf die lokale Situation ausrichten.

Wollen sich lokal organisieren: Lieferando-Fahrer*innen, hier im Weihnachtseinsatz Foto: Michael Kappeler/dpa

Bremen taz | Eine als Lieferando-Fahrer*in verkleidete Vogelscheuche weist den Weg ins Kommunikationszentrum Paradox. Draußen ist es unter null, drinnen gibt es Glühwein, Cola, Süßes und erwartungsvolle Aufbruchstimmung. In der Ecke steht eine aus Tischen gebaute Wahlkabine. Vereinzelt kommen Fahrer*innen, manche machen nur schnell ihr Kreuz und verschwinden wieder. Manche bleiben, man kennt sich – es gibt in Bremen nur 70 Fah­re­r*in­nen des Essenslieferdienstes Lieferando.

Der Weg zu dieser ersten lokalen Betriebsratswahl war lang und das Wichtigste ist geschafft: Sie findet statt. Der Betriebsrat Nord, in dem sechs Städte zusammengelegt waren, hat ausgedient. Aus Sicht der Beschäftigten ist es nötig, den Arbeitskampf im Lokalen zu führen, um sichtbarer und näher an der Situation der Fah­re­r*in­nen zu sein.

Seit 2017 kämpfen die Ku­rie­r*in­nen der Lieferbranche für bessere Arbeitsbedingungen, fordern einen Mindestlohn von 15 Euro, bezahlte Diensträder und -handys, eine korrekte Lohnabrechnung. Die Liste ist lang.

Lieferando nutzt das aus, dass die meisten, vor allem migrantische Fah­re­r*in­nen nicht wissen, welche Rechte sie haben; dass sie Pausen einfordern dürfen und diese bezahlt werden müssen; dass sie sich Hilfe von den Gewerkschaften und dem Betriebsrat holen können,“ sagt Poshan Khanal, der seit knapp zwei Jahren in Bremen ausliefert.

Arbeitszeiten nicht korrekt erfasst

Er geht jetzt vor Gericht, weil seit Januar dieses Jahres die Abrechnungen seiner Arbeitszeiten nicht korrekt sind. Wenn Khanal eine Suppe im Rucksack ausläuft, meldet er eine Pause an und fährt eine Stunde nach Hause, macht sein Equipment sauber, um wiederum eine Stunde zurück ins Liefergebiet zu fahren. Diese Zeit fehle dann auf der Abrechnung.

Anders als in Hamburg gibt es in Bremen keinen „Hub“, keinen Pausenraum, keine Zentrale, in der sich die Fah­re­r*in­nen über den Weg laufen und in Kontakt kommen können. Der niederländische Aktienkonzern Just Eat Takeaway, dem Lieferando gehört, stellte sich nach Auskunft der Wahlvorstände in der Vorbereitung der Wahlen quer, verzögerte Antworten auf Anfragen, stellte keinen Arbeitsraum zur Verfügung und verhinderte die digitale Kommunikation unter den Fahrer*innen.

Ein Sprecher von Takeaway nimmt dazu Stellung: „Wir haben den Wahlvorstand im Bremer Liefergebiet pragmatisch und kulant unterstützt, selbst bei der Beschaffung von Räumlichkeiten ohne Einhaltung der üblichen Prozedere mit dem dafür zuständigen Facility-Team oder der Erstattung von Unkosten außerhalb der in Unternehmen üblichen Beschaffungs- und Erstattungsregeln.“

Wie mobilisiert und organisiert man eine Belegschaft, die in ihren Schichten kaum etwas miteinander zu tun hat? In der mehr als die Hälfte kein Deutsch, manche kaum Englisch sprechen? Zweisprachige Schulungen und das Übersetzen von Gesetzestexten sind zwar aufwendig, aber machbar.

Mobilisierung schwierig

Auch die Gewerkschaften müssen neue Strategien finden, wie sie die Aktiven der digitalen Unternehmen unterstützen können. „Das ist die gelebte Demokratie im Kleinen“, findet Julia Celikkilic von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), die dem Wahlvorstand seit einiger Zeit Büroräume und Infrastruktur zur Verfügung stellt, „die Leute hier sind so leidenschaftlich und fit“.

Am Ende des Abends wird ein Viertel der 70 Bremer Ku­rie­r*in­nen gewählt haben. Viele sind im Urlaub in diesen Tagen, doch gültig ist die Wahl auch so. Lieferando hat angekündigt, die Wahl anzufechten, da „zu klären bleibt, wie eine Mitbestimmung außerhalb des Betriebs und seiner Strukturen umsetzbar sein kann“.

Argumentiert wird, dass Bremen keine eigenständige Betriebseinheit sei, da es keine feste Niederlassung vor Ort gäbe. Das ist laut dem Anwalt des Betriebsrates, Ralf Salmen, ein generelles Problem der dezentralen digitalen Unternehmen. Das Betriebsverfassungsgesetz müsse in Hinblick darauf angepasst werden.

Wahlvorstand Tobias Horoschko, der seit Jahren im Gesamtbetriebsrat aktiv ist, weiß aus Erfahrung, dass eine Anfechtung nicht das Ende sein muss. Er will weiterkämpfen, zur Not Neuwahlen ausschreiben. „Die machen nur Druck, die wollen uns einschüchtern“, sagt er. „Aber wir sind bereit.“ Am 28. Dezember wird der neue Betriebsrat seine konstituierende Sitzung haben. Solange die Wahl beim Arbeitsgericht angefochten wird, das könne rund ein Jahr dauern, ist das Gremium im Amt.

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4 Kommentare

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  • Die Lieferdienst-Branche zeigt anschaulich, dass sie nicht erfolgreich wirtschaften kann ohne geltendes Recht zu ignorieren. Arbeitnehmerrechte und das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) scheinen den Arbeitgebern häufig fremd zu sein.



    Das Basis-Personal (Rider) sollte schleunigst diese Affen-Läden verlassen.

  • "Mitarbeiter organisieren sich"

    Das wurde auch allerhöchste Zeit.

  • Was sind das für traurige Gestalten, die diesen Laden führen. Haben Angst vor einem Betriebsrat! Wie dumm kann man eigentlich sein.

  • Das Betriebsverfassungsgesetz anpassen? Ein schöner Traum.



    Aber mit der an chronischer Dackellähme dahin sichender Koalition mit eingebauter



    F reilaufbremse ? Wohl kaum.



    Dazu noch der vom Kapital finanzierte Cumpf.



    No way.

    Auffällig auch, dass von der Deutsche Einheitsgewerkschaft (wer? - die!) in diesem Zusammenhang kaum was zu hören ist. Auf deren Homepage nicht, in der Presse nicht und auch im Netz: Eher Stille.