Abrissreife Schule in Berlin: Im besten Fall eine Blaupause
Die Anna-Lindh-Schule kann wohl nicht mehr saniert werden. Trotz Schulbauoffensive könnte das kein Einzelfall bleiben. Wie kann das sein?
S ie hoffe, erklärte Mittes Schulstadträtin Maja Lasić (SPD) diese Woche vor Journalist*innen, dass sich „ein zweiter Fall Anna Lindh nie wiederholen möge“. Die Weddinger Grundschule soll nach dem Willen des Bezirksamt komplett abgerissen werden, eine Sanierung sei angesichts des massiven Schimmelbefalls nicht mehr möglich.
Hoffnung ist an der Stelle wohl tatsächlich das einzige, was bleibt: Denn ob die laut Bauamt komplett verschimmelte Weddinger Grundschule tatsächlich ein Einzelfall ist oder noch mehr solcher „Großschadensfälle“ als tickende Zeitbomben vor sich hin modern, das weiß auch im fünften Jahr der Schulbauoffensive in Berlin niemand so richtig.
Besser gesagt: Die Chance, dass es in den kommenden Jahren weitere Schul-Havarien gibt, ist groß. Zwar steigen, wie der Finanzsenator stets betont, die Ausgaben für den Schulbau kontinuierlich. Für 2022/23 steht eine Rekordsumme von über 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Kürzlich gab es für das ebenfalls extrem marode Gymnasium am Europasportpark in Pankow 40 Millionen Euro on top.
Dennoch kann das viele Geld nur begrenzt helfen, wenn man es nicht ausgeben kann. In Mitte zum Beispiel sind ein Drittel der Stellen im Facility Management – dort passiert die Bauplanung – nicht besetzt, wie der zuständige Stadtrat Ephraim Gothe (SPD) bei der Pressekonferenz zur Anna-Lindh-Schule sagte. Und angesichts einer nicht vorhandenen Bewerber*innenlage sei auch nicht absehbar, dass diese besetzt werden könnten.
Wenn Stellen für Bauplanung nur auf dem Papier vorhanden sind, ist es auch kein Wunder, dass bei Schulen wie dem Gymnasium am Europasportpark solange gar nichts voran geht, bis es irgendwann – eben mangels erfolgter Vorplanungen – auch kein Geld mehr in der Investitionsplanung für die tatsächliche Sanierung gibt. Kein Plan, kein Geld – macht ja auch Sinn. Bloß den Schulen ist damit nicht geholfen. Das Gymnasium am Europasportpark muss, wie die Anna-Lindh-Schule, ebenfalls ausgelagert werden.
Immerhin: Die Anna-Lindh-Schule kann als Blaupause dienen, damit künftig auch solche Prozesse vor allem für die Schüler*innen und Lehrkräfte besser ablaufen. Zum Beispiel der Streit mit dem Landesdenkmalamt, den der Bezirk Mitte gerade ausficht. Die Denkmalschützer wollen die Schule aus den 50er-Jahren gerne sanieren – selbst wenn das Bauamt sagt, dass der Keller niemals ganz trocken zu legen sein wird, die Schimmelproblematik also vermutlich bleiben wird.
Denkmalschutz blockiert Abriss
Voraussichtlich wird Klaus Lederer (Linke), der als Kultursenator der Oberen Denkmalschutzbehörde vorsteht, demnächst ein Machtwort sprechen müssen. Wie hier im Abwägungsprozess Öffentliches Interesse an einer nicht verschimmelten Schule versus Denkmalschutz entschieden wird, kann auch für künftige Positionieren des Landesdenkmalamts ein Exempel sein.
Oder das Thema Schulbus-Shuttle: Das Bezirksamt Mitte kämpft gerade mit der Senatsbildungsverwaltung darum, dass auch die Shuttle-Kosten für die 5.- und 6.-Klässler*innen übernommen werden. Das Schulgesetz sieht nur eine Kostenübernahme für die Klassen 1 bis 4 vor. Würde das geändert, hätten in Zukunft andere Schulen unter Umständen schneller Rechtssicherheit bei den Ausschreibungen für den Bus-Shuttle.
Die Anna-Lindh-Auslagerung in ein ehemaliges Bürogebäude hat auch klar gemacht, was den Kindern und Lehrkräften – Notfallstandort hin oder her – nicht fehlen darf: Ein Pausenhof, zum Beispiel. Ein Gelände für Sportunterricht, Lehrmaterialien. Lehrkräfte schrieben im Oktober einen empörten Brandbrief: „Wir sind erschöpft“. Jetzt soll baulich nachgebessert werden im ehemaligen Air-Berlin-Bürogebäude, verspricht Stadträtin Lasić. Bleibt zu hoffen, dass die ab 2024 in ein ehemaliges Vattenfall-Umspannwerk nach Wilhelmsruh ausgelagerte Europasportpark-Schule gleich bessere Bedingungen vorfindet.
Lasić sagte am Donnerstag noch, sie habe in ihrem Bezirk weitere Schul-Sanierungsfälle, wo klar sei: „Das schaffen wir nicht alleine.“ Zugleich ist die landeseigene Howoge, die sich um die sogenannten „Großschadensfälle“ der Schulbauoffensive kümmert, bereits voll ausgelastet. Der Vorschlag der SPD, mit der Berlinovo eine zweite Wohnungsbaugesellschaft in die Schulbauoffensive zu ziehen, verlief bisher im Sande. Insofern kannt man wohl wirklich nur hoffen, dass sich „ein zweites Anna Lindh“ nicht so schnell wiederholt. Doch man ahnt: Genug ist das nicht.
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