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Debütfilm „Mein erster Sommer“ auf DVDEin helles Märchen mit dunklem Rand

Der Spielfilm „Mein erster Sommer“ der australischen Regisseurin Katie Found spielt mit Traum und Wirklichkeit. Er erzählt von ersten Begegnungen.

Grace (Maiah Stewardson, links) und Claudia (Markella Kavenagh) lernen sich kennen Foto: Salzgeber

Ein Haus, ein See, ein Wald. Im Haus im Wald am See ein Mädchen, eine junge Frau, die Claudia heißt. Sie ist allein, mit Hund, sie hat die Außenwelt, die Welt um den Wald, nie kennengelernt, sechzehn Jahre lang, hat nur von ihrer Mutter, die Schriftstellerin war, Dinge erfahren. Düster, erfährt man, sind die Bücher der Schriftstellerin, offenbar hat sie den Menschen nur Schlimmes zugetraut und wollte ihre Tochter davor bewahren.

Nun ist die Mutter verschwunden, sie ist ins Wasser gegangen, im See im Wald, im gelben Kleid, mit Steinen beschwert, die Tochter bleibt ganz alleine im Haus mit den Büchern zurück.

Diese Geschichte, die die australische Regisseurin und Drehbuchautorin Katie Found in ihrem Spielfilmdebüt erzählt, siedelt nahe am Märchen. Verwunschener Ort, der Selbstmord der Mutter ein wiederkehrender, oder eher ein sich nach und nach erst zu einem ganzen Bild zusammenfügender Alptraum. Claudia ist nicht lange allein. Zwei Polizisten tauchen auf, dringen ein in das Haus, als bedrohliche Außenwelt und Staatsmacht par excellence, aber es ist nicht Claudia, die sie suchen, denn niemand weiß von ihrer Existenz.

Außer Grace. Eine junge Frau aus der nur einen längeren Waldweg entfernt liegenden Siedlung. Sie lebt in der Welt, das Verhältnis zum neuen Freund ihrer Mutter ist schwierig, die Wand ihres Zimmers ist mit Popstars wie ­Beyoncé tapeziert, aber auch Joan Didion ist für sie eine Heldin. Grace war zufällig Zeugin des Selbstmords, hat dabei auch Claudia gesehen, sie in der Vernehmung erwähnt. Nun sucht sie sie auf, im Haus im Wald, und zieht vor den Polizisten ihre Zeugenaussage zurück.

Der Film

„Mein erster Sommer“ (Australien 2020; Regie: Katie Found). Die DVD ist ab rund 15 Euro im Handel erhältlich.

Sie will Claudias Schutzraum nicht zerstören, nachdem sie ohne bösen Willen in ihn eingedrungen ist, als hätte der Selbstmord der Mutter die Unschuld dieses Schutzraums nicht bereits zerstört. Nun macht sie die Tür zur Außenwelt hinter sich wieder zu, nun sind die beiden im Märchen-Haus alleine, alleine mit dem Hund namens Tilly. (Den wird die Polizei an sich nehmen, Grace bringt ihn, als Freundschaftsbeweis, zu dem eine Lüge gehört, wieder zurück.)

Körper erkunden

So beginnt nun der erste Sommer, Claudias erster Sommer ohne die Mutter, Claudias erste Begegnung mit einem anderen Menschen, auch mit einem anderen Körper, denn es sind auch ihre Körper, die die beiden zu erkunden beginnen, mit Blicken und später mit Küssen, beim gemeinsamen Bad in der Wanne, dann rücken sie die Betten zusammen.

Das alles ist ohne jeden Voyeurismus in Szene gesetzt, wie überhaupt der ganze Film stark davon lebt, dass der Film Bilder findet, mit flirrendem Licht, und Tönen und schnell, aber sanft wechselnde Perspektiven, die Sommer und Aufbruch evozieren, ohne dass darin etwas Verlogenes ist.

„Mein erster Sommer“ ist ein helles Märchen mit sehr dunklem Rand. Das Szenario ist irreal, die Gefühle sind wahr, Transposition der Wirklichkeit eines Begegnens in einen Traum. Es ist ein Film von, gar für ein Debüt, schöner Selbstsicherheit. Katie Found nimmt sich das Recht, eine Welt zu erfinden, deren Bezug zur Wirklichkeit auf Erwartungen an oberflächlichen Realismus keine falschen Rücksichten nimmt.

Die richtigen Töne treffen auch die jungen Darstellerinnen Markella Kavanagh (gerade als Nori Brandyfoot in der Amazon-„Herr der Ringe“-Serie zu sehen) und Maiah Stewardson, deren Spiel die Regie ihrerseits einen Schutzraum gewährt. Nicht so glücklich ist der Umgang mit der Musik. Auf den ersten Blick passen die Indie-Singer-Songwriter-Songs bestens zur Stimmung, auf die „Mein erster Sommer“ hinauswill. Sie tun es nur leider zu gut. Dabei hat der Film die Mittel, leise zu evozieren, was die Musik dann plump unter­streicht.

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