Drohende Pleitewelle der Kliniken: Kranke Krankenhäuser
Eine Mehrheit der Kliniken wird 2022 mit roten Zahlen abschließen. Das ist nur ein Symptom fehlender Investitionen und eines nicht gesunden Systems.
K lagelieder zu singen gehört zum Lobby-Handwerk. Nach Einschätzung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) wird eine Mehrheit der Kliniken 2022 mit roten Zahlen abschließen. Für das kommende Jahr erwartet Verbandschef Gerald Gaß dann eine beispiellose Pleitewelle. Doch dies sind lediglich Symptome einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Seit vielen Jahren sinkt die Zahl der Krankenhäuser. Politisch ist das durchaus gewollt und geopfert auf dem Altar der betriebswirtschaftlichen Effizienz. Mit dem Ergebnis, dass der Weg für Patienten, Familienangehörige und Freunde zur Klinik immer länger wird. Das Verhältnis von der sozial notwendigen räumlichen Nähe und hochklassiger Behandlung – nicht jedes Kreiskrankenhaus muss jede Spezialoperation beherrschen – ist längst in Unordnung geraten.
Gleiches gilt für die Personaldecke. Die Coronapandemie hat gezeigt, wie dünn diese Decke ist. Damit sie noch einigermaßen wärmt, wird sie anderswo weggezogen: Abertausende Pflegekräfte und über 57.000 Ärztinnen und Ärzte habe eine ausländische Staatsangehörigkeit – und werden doch in ärmeren Entsendeländern wie Polen, Rumänien oder Iran dringendst benötigt.
Mehr als ein Reförmchen nötig
Hinter all der Unordnung steht ein grundlegendes Problem: die Investitionsfinanzierung. Die Bundesländer kommen ihrer gesetzlichen Verpflichtung, den Krankenhäusern die Investitionskosten in tatsächlicher Höhe zu finanzieren, schon seit Jahrzehnten nicht nach. Laut Krankenhaus-Barometer lag die Investitionssumme der Häuser 2021 bei kläglichen 7 Milliarden Euro, nicht einmal die Hälfte davon aus öffentlichen Mitteln. Eine Summe, die in etwa den Subventionen des Bundes für E-Autos entspricht.
Karl Lauterbach hat sich vorgenommen, die schwerkranken Krankenhäuser gesunden zu lassen. In bewährter Politikermanier hat die Ampelregierung erst einmal eine Kommission eingesetzt. Um zukünftig eine bedarfsgerechte Krankenhausversorgung sicherzustellen, bedarf es aber mehr als eines Reförmchens. Und zwar schnell.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil