Heimkehr von US-Basktetballerin Griner: Erster Dunk in Freiheit
Brittney Griner hält sich nach ihrer Rückkehr aus russischer Haft bedeckt. Diskutiert wird nun, ob das Drama vermeidbar gewesen wäre.
Der erste Korb war ein Dunk. Brittney Griner ist zurück in der Heimat, zurück nach zehn Monaten in russischen Gefängnissen, und zurück auf einem Basketballplatz im texanischen San Antonio. Das berichtete Lindsay Kagawa Colas, die Agentin des Basketballstars. Griner soll kurz nach ihrer Ankunft in den USA in einem medizinischen Zentrum der Armee ihre Familie getroffen und wieder leicht trainiert haben. Dass sie dabei Shorts des NBA-Klubs Phoenix Suns trug, Chuck-Taylor-Sneakers und ein T-Shirt, das den „Title IX“ würdigt, ein Gesetz von 1972, das Geschlechterdiskriminierung in Universitäten und Schulen abbauen soll, gehört zu den sparsamen Informationen, die es bislang von Griners Ankunft in den USA gibt – ein Statement für die Frauenrechte.
Ansonsten aber hält sich die 32-Jährige seit dem Gefangenenaustausch gegen den russischen Waffenhändler Wiktor But bedeckt, sie hat auch noch kein Interview gegeben. Im Gegensatz zu But, der nichts Besseres zu tun hatte, als direkt ins russische Fernsehen zu spazieren, um dort seinen Präsidenten Putin zu loben und sich zu ärgern, dass er beim Krieg gegen die Ukraine bislang nicht mitmachen konnte. Außerdem ließ er wissen, er habe Griner, als sie beim Austausch auf dem Flugfeld in Abu Dhabi aneinander vorbeigingen, viel Glück gewünscht.
In den USA setzten die erwartbaren Reflexe ein, führende Republikaner kritisierten den Deal der Biden-Administration mit Russland. Den Vogel schoss Donald Trump Jr. ab, der die offen homosexuell lebende Griner als „eine furchtbare, Amerika hassende WNBA-Spielerin“ begrüßte. Tatsächlich fragen sich aber auch ernster zu nehmende Kommentatoren, ob es nicht doch ein schlechtes Geschäft war, eine wegen ein bisschen Cannabisöl einsitzende Profisportlerin gegen den berüchtigten „Händler des Todes“ einzutauschen.
Und andere fragen, ob man für das skrupellose Schwergewicht nicht auch noch gleich den seit bald vier Jahren wegen angeblicher Spionage einsitzenden US-Soldaten Paul Whelan freibekommen hätte können. Darauf aber wollte sich Russland nicht einlassen. Zusätzlich beginnt in den USA eine Diskussion, warum man Griner aus einem russischen Straflager geholt hat, während in den eigenen Knästen Tausende einsitzen, die dasselbe getan haben wie sie: im Besitz von Marihuana zu sein.
Eine Gehaltsdebatte
In den Sport-Talkshows interessieren die politischen Details allerdings nur am Rande. Stattdessen wird diskutiert, aus welchen Gründen Griner überhaupt in Russland war und zu neun Jahren Strafkolonie verurteilt werden konnte. Der Tenor: Wenn die Spielerinnen in der heimischen WNBA vernünftige Gehälter beziehen würden, müssten sie nicht in Europa auf Korbjagd gehen und die Nationalspielerin, die zwei Mal olympisches Gold für die USA gewonnen hat, wäre überhaupt nie verhaftet worden.
Tatsächlich liegt das Top-Salär in der WNBA bei 200.000 Dollar für die knapp fünf Monate dauernde Spielzeit im Sommer. Griner spielte deshalb wie viele andere US-Profis im Winter in Ausland, seit 2015 bei UUGMK Jekaterinburg. Der russische Serienmeister gewann vier Mal die Euroleague mit Griner und zahlte seinem Gaststar mehr als eine Million Dollar. Das ist allerdings immer noch Kleingeld im Vergleich zu den männlichen Kollegen in der NBA, wo jeder Bankdrücker mit einem größeren Gehalt nach Hause geht.
Das Argument, dass die WNBA weiterhin ein Zuschussgeschäft für die NBA sei, lassen mittlerweile viele aber nicht mehr gelten. Denn nicht nur steigen die Einschaltquoten seit 14 Jahren kontinuierlich an, die WNBA erschließt auch dem Mutterkonzern neue, natürlich vor allem weibliche Fans, die sich sonst vermutlich nie für die NBA interessiert haben. Zudem erfährt der Kampf für gleiche Bezahlung im US-Sport ungeahnten Aufwind, seit die Fußballnationalspielerinnen vor Gericht durchgesetzt haben, künftig die gleichen Erfolgsprämien wie die männlichen Kollegen zu bekommen.
Ob und wie Brittney Griner wieder in den Spitzensport einsteigen wird, darüber kann nur spekuliert werden. Das wird nicht zuletzt davon abhängen, wie sie die zehn Monate in Haft überstanden hat. In der IK-2-Strafkolonie in Javas, in der sie zuletzt einsaß, stellten die Gefangenen Uniformen her. Weil Griner mit ihren 2,06 Metern und ihren großen Händen nicht als Näherin arbeiten konnte, musste sie den ganzen Tag Stoffballen herumtragen, berichtete ihre russische Anwältin.
Eine Rückkehr nach Russland ist ausgeschlossen, ein Engagement bei einem anderen europäischen Klub vorerst wohl nicht sehr wahrscheinlich. Auch die Entscheidung, ob sie wieder für die Phoenix Mercury auflaufen wird, muss Griner noch nicht in nächster Zeit treffen. Die neue Saison der WNBA beginnt schließlich erst im kommenden Mai.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“
Von wegen Untergang des Liberalismus
Wird der Wahlkampf eine nationale Katastrophe?