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Ergebnis der BauministerkonferenzBauen mit Rainer Maria Rilke

Die Bauminister der Länder warnen vor zu starkem Fokus auf den sozialen Wohnungsbau. Es brauche eine bessere Bodenpolitik – und Digitalisierung.

Hier wird zumindest gebaut: Im neuen Stuttgarter Bahnhof mit Ministerinnen Razavi und Geywitz Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Berlin taz Auf manche Herausforderungen der Zeit muss man offenbar mit Lyrik antworten. Am Freitag kamen die Bau­mi­nis­te­r*in­nen der Länder in einer Sondersitzung in Berlin zusammen, um das weitere Handeln in der Wohnungskrise zu besprechen. Die Problemfelder sind bekannt: Es werden dringend bezahlbare Wohnungen benötigt, und es sollen, wenn es nach der Bundesregierung geht, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr entstehen. Nur wie genau das gehen soll, ist unklar.

Mitte Oktober hatte das Bündnis für bezahlbares Wohnen ein umfangreiches Maßnahmenpaket vorgestellt, wie der Wohnungsbau beschleunigt werden kann. Die Ergebnisse sollten auf der Bauministerkonferenz im Fokus stehen. Nur ganz so erbauend schien das nicht verlaufen zu sein.

Nicole Razavi, Wohnungsministerin von Baden-Württemberg und Vorsitzende der Bauministerkonferenz, zitierte jedenfalls auf einer anschließenden Pressekonferenz aus dem Gedicht „Herbsttag“ von Rainer Maria Rilke, um die Wohnungssituation in Deutschland zu beschreiben: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.“ Die Inflation, die Preissteigerungen der Baustoffe, die Zinssprünge machten den Wohnungsbau derzeit zum „Hochrisikogeschäft“.

Doch ganz so depressiv wollte sie es dann doch nicht enden lassen. Es brauche nun einen „Dreiklang aus Entlasten, Beschleunigen und Fördern. Man müsse „Anforderungen finden und festlegen, die Energie einsparen und das Klima schützen, ohne das Bauen immer weiter zu verteuern.“ Zudem warnte sie vor einer zu starken Fokussierung auf den sozialen Wohnungsbau bei der Förderpolitik.

Es brauche eine neue Balance zwischen frei finanziertem und sozial gefördertem Wohnungsbau, forderte Razavi. Der sozial geförderte Wohnungsbau könne den Bedarf an bezahlbarem Wohnraum für breite Bevölkerungsgruppen nicht decken. Außerdem brauche es dringend eine aktivierende Bodenpolitik und eine stärkere Digitalisierung der Verfahren.

Bundesbauministerin Klara Geywitz, die zu Gast auf der Sonderkonferenz war, klang deutlich entspannter – auch weil der Bundesrat am Freitag der Wohngeld-Reform zugestimmt hat. Auf die Zeile von Rilke entgegnete sie: „Der nächste Frühling kommt von alleine.“ Die Bundesländer seien „neben der Bauwirtschaft, der zentrale Faktor, wenn wir mehr klimafreundliche neue Wohnungen bauen und den Bestand sanieren wollen“ sagte Geywitz und versprach, sich eng mit den Ländern abzustimmen.

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3 Kommentare

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  • Es gibt genügend Wohnraum im Hochpreis-Segment. Es gab genügend Bautätigkeit in der Vergangenheit.

    Der Bund und Land und Kommunen haben überwiegend in ihrem Liegenschaftsmangement immer den höchtsbietenden Bewerbern die Grundstücke überlassen.

    Darauf kann dann nur gebaut werden, was Rendite erbringt für diejnigen, die den Bau nicht als Selbstzweck der Funktion sehen, nicht als Stadtbaustein, sondern als Kapitalanlage.

    Dementsprechend architektonisch arm sehen unsere Städte aus.

    Ein schönes Bild vom Stuttgarter Hauptbahnhof, man hat an den Säulen sofort das Bauwerk erkannt.

    Aber dieser Bahnhof ist Symbol für die verfehlte Verkehrspolitik der letzten drei Jahrzehnte der Bahn.

    Milliarden fließen in den Umbau von Bahnhöfen und CI und Verbesserungen, die sechs Minuten Fahrtzeit erbringen. Die Nadelöhrstreckenabschnitte der Republik hingegen werden Jahrzehnte nicht ausgebaut, noch nicht einmal instandgehalten. Alternativstrecken wurden überall abgebaut.

    Und ob die schöne neue Welt oberhalb vom Stuttgarter Hauptbahnhof mit den ursprünglich geplanten neuen Wohngebieten wirklich eine Entlastung für Stuttgart wäre? Oder wird nur wieder Wohnraum für die oberen 10% der Bevölkerung geschaffen? Die Lesart solcher Aussagen, wie der der Bauministerin Baden-Württembergs, sind dann als Abkehr zu verstehen, von bisher max. 30%-Quote sozialem Wohnungsbaus?

  • "Wir brauchen 400.000 neue Wohnungen pro Jahr"



    Und wie soll das funktionieren ohne weitere erhebliche Flächenversiegelung?



    Bauen ist einer der größten CO2-Emmitenten, wie geht das konform mit den deutschen Klimazielen?



    Wir brauchen mehr Wohnraum und gleichzeitig wollen wir CO2-neutral werden und bezahlbar soll es auch noch sein.

    Das ist die Suche nach der Eierlegenden Wollmilchsau, ich wüsste nicht wie das gehen soll.

    • @Rudi Hamm:

      Erbärmlich: Trotz Kanzler Scholz' Wahlversprechen, immerhin 100.000 BEZAHLBARE Wohnungen JÄHRLICH neu zu bauen, trotz des Volksentscheids in Berlin - DWE & Co enteignen - und zahlreicher ähnlicher Initiativen in den Flächen-Bundesländern und Hamburg, trotz Bürgermeisterin Giffeys penetranten Dauerverrenkungen - kann nun die CDU-Ministerin von Baden-Württemberg Geywitz bundesweit "Entwarnung" geben. - Soweit sind wir also schon wieder gekommen, sowenig wert ist die direkte Demokratie von über 1 Millionen Berliner:innen pro Vergesellschaftung.

      Peinlich für Scholz, die SPD, aber auch peinlich für Grüne und Linkspartei!

      Die Eierlegende Wollmilchsau, die der Forist Rudi Hamm nicht finden kann, heißt Gemeinwirtschaft und genossenschaftliche Selbsthilfe: Die Bauhütten der Weimarer Republik bauten mehrere Millionen Sozialwohnungen in kürzester Zeit. IN DENEN LEBEN WIR BIS HEUTE! Darunter architektonisch preisgekrönte des Bauhauses und des "Roten Wiens" (darunter auch die meisten, die dann von der SPD an die Deutsche Wohnen fast verschenkt wurden).

      Wir können uns schlaumachen, wie die Wohnsiedlungen der 1920/30er Jahre in Berlin, Wien, Köln und in allen Städten preisgünstig und bezahlbar gebaut worden sind! Siehe: Klaus Novy zum Download auf der Website der Stadt Wien und 50 weitere Aufsätze von ihm zusammengestellt von der Archtekturzeitschrift ARCH+. --> Von der Gemeinwirtschaft und den Bauhütten lernen!