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Social-Media-App BeRealSolange es noch schön ist

Die App „BeReal“ hält nicht, was sie verspricht. Aber sie ist trotzdem das Schönste, was Social Media aktuell zu bieten hat.

Die Autorin vor ihrer Arbeitsstätte Foto: Screenshot

Seit Multimilliardär Elon Musk dabei ist, Twitter in Schutt und Asche zu legen, ist die Social-Media-Welt durcheinandergeraten. Immer mehr Menschen verlassen das Netzwerk und versuchen ihr Glück beim Nerd-Anbieter Mastodon, bei Instagram gibt es jetzt mehr Politik und Debatte statt Food und Fashion, nur bei Facebook sind die ewig fünf gleichen Boomer unterwegs. So richtig Spaß macht nichts davon. Eine freudige Ausnahme ist BeReal.

Die App gibt es seit 2020, erfolgreich wurde sie jedoch erst diesen Sommer. Das Prinzip ist simpel: Einmal am Tag zu einer random Uhrzeit erscheint bei allen Nut­ze­r*in­nen eine Pushnachricht, dazu startet ein Zweiminutencountdown. Jetzt heißt es ein Foto schießen, dabei werden Front- und der Rückkamera fast gleichzeitig ausgelöst, sodass ein Selfie und ein Foto der Umgebung entstehen.

BeReal will das Anti-Instagram sein – eine Foto-App ohne Filter oder Special-Effects. So richtig authentisch ist die App natürlich nicht: Statt mit Chips-Krümeln auf der Couch oder auf dem Klo warten die meisten lieber ein paar Stunden, um sich fröhlich beim Konzert oder beim Feierabend-Drink zu zeigen. Denn auch nach dem Zweiminu­tencountdown ist eine Veröffentlichung möglich: ein BeLate.

Wie auch Instagram ist BeReal eine App für An­ge­be­r*in­nen. Aber das ist kein Problem, denn alle wissen das und spielen nach den gleichen Regeln – dafür aber ohne Werbung und die immer gleich inszenierten Bilder. Stattdessen gibt es kleine tägliche Einblicke in das Leben der Freund*innen: Mal sitzen sie entnervt am Schreibtisch, cornern mit den Kindern am Spielplatz oder trinken Schampus vorm Späti. Da man im Regelfall nur denjenigen folgt, mit denen man wirklich befreundet ist, gibt es nur eine begrenzte Zahl an Fotos pro Tag zu sehen. Keine Gefahr von Doom-Scrolling: Zwei Minuten am Tag und der Spaß ist vorbei.

Die Autorin beim spannenden Fußballspiel vom taz Panter FC Foto: Screenshot

Schön ist auch, dass es keine Lurker gibt – also Leute, die einem nur passiv folgen, aber nichts aktiv teilen. Bei BeReal gilt: Wer nichts teilt, darf auch nichts sehen. Und weil die Neugierde bei manchen so groß ist, zeigen sie sich dann doch eben in lustigen Situationen, die sie ansonsten nicht preisgegeben hätten.

Klar ist: Dieser Moment wird nur kurz bleiben. BeReal wird entweder nach einem kurzen Hype wieder in der Versenkung verschwinden oder von Unternehmen, In­flu­en­ce­r*in­nen und In­ves­to­r*in­nen überrannt. Also kommt schnell vorbei – solange es hier noch schön ist.

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2 Kommentare

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  • Wir sollten als Menschheit endlich erwachsen werden und solche digitalen Spielchen lassen. Die heizen nur das Klima auf, weil sie unglaublich viel Energie kosten und die Menschenmassen gegeneinander Aufhetzen, während sich eine kleine Minderheit dabei eine goldene Nase verdient, aber am Ende auch nix davon hat. Es sei denn, die Zeugen Jehovas haben recht und das sind die 400.000 Auserwählten, die Gott errettet und in sein Reich holt - falls ich das richtig verstanden habe.

  • Noch so ein Social Media Ding, das kein Mensch braucht und uns nur vom wirklichen Leben ablenkt