: „Wir sind hier unter uns“
Der Aufstand gegen die Mullahs braucht unsere Solidarität: Ein Podium im Gorki-Theater zur revolutionären Erhebung im Iran zeigte sich enttäuscht über deutsche Teilnahmslosigkeit
Von Paula Gaess
Iraner:innen fordern mehr Solidarität und Aufmerksamkeit von der deutschen Zivilgesellschaft und Politik. Das konnte man am Dienstagabend im Studio R des Gorki Theaters erfahren. Dahin hatten der PEN Berlin und das iranische Netzwerk 6Rang zu einer Diskussionsrunde über die revolutionären Erhebungen im Iran eingeladen. Dabei stand vor allem die Frage im Raum: Welche Rolle spielt Deutschland und welchen Beitrag kann die deutsche Zivilgesellschaft leisten?
Bisheriges Engagement reicht nicht aus. Die Menschen im Iran wenden sich gegen ihre Unterdrücker und fordern den Sturz des Mullah-Regimes. Dafür sind sie bereit, alles zu geben. Tausende junge Menschen wurden verschleppt, ihnen droht die Todesstrafe. Hunderte haben bereits ihr Leben verloren. Doch die Aufmerksamkeit in Deutschland lässt zu wünschen übrig – auf politischer, gesellschaftlicher und medialer Ebene. Darin sind sich die Gäste im Studio R einig.
Neben iranischen Aktivistinnen wie Shadi Amin saßen unter anderem der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, taz-Autorin Hengameh Yaghoobifarah und die kommissarische Frankfurter Oberbürgermeisterin Nargess Eskandari-Grünberg auf dem Podium. Ihre Kritik an der deutschen Politik ist scharf. „Es gibt einen Grund, warum Deutschland schweigt. Die Europäische Union hat lange bewusst versucht, das Atomabkommen mit dem Iran zu retten“, stellt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai fest. Über Wochen hinweg äußerte sich die Bundesregierung nicht zur eskalierenden Situation im Iran. Für die Podiumsgäste ein fataler Fehler, doch keineswegs überraschend. Immerhin stehe Deutschland auf Platz 5 der wichtigsten Importländer des Irans. Die Forderung im Gorki ist klar: Das Atomabkommen muss weg. Außerdem müssten die iranische Revolutionsgarde in die EU-Terrorliste aufgenommen werden und personenbezogene Sanktionen in Kraft treten. Es sei existenziell wichtig, dass Länder wie Deutschland klare Zeichen setzen und die Revolution auch als diese anerkennen. „Manche Menschen im Iran sagen: Die Politik im Iran wird nicht im Iran entschieden, sondern im Ausland“, so Eskandari-Grünberg.
Auch die Solidarität der deutschen Zivilgesellschaft wurde thematisiert. Auf den Straßen sehe man kaum Deutsche. „Wir sind hier unter uns. Betroffene solidarisieren sich mit uns, aber die anderen nicht“, erzählt Eskandari-Grünberg. Es sei schön zu sehen, dass Menschen aus Afghanistan und der Ukraine, Kurd:innen und Perser:innen zu den Kundgebungen kommen. Der Anteil der Deutschen sei im Gegensatz zu diesen sehr gering. „Ich wünsche mir, dass die Deutschstämmigen wirklich auch mit auf die Straße gehen. Ich möchte, dass uns das alle betrifft.“ Außerdem beklagten die Gäste die mangelnde mediale Präsenz. In Zeiten von vielen konkurrierenden Krisen sehen sie den iranischen Kampf für Menschenrechte und Freiheit nicht ausreichend thematisiert.
Zudem spricht Shadi Amin auch die iranischen Protestierenden an und warnt: „Die Rechte der LGBTQIA-Community müssen in dieser Revolution geachtet werden.“ Es sei wichtig, dass dieser Kampf auf Inklusivität basiere. Das Momentum dürfe nicht verpasst werden. Im September wurden die lesbischen Aktivistinnen Zahra Sedighi und Elham Choubdar zum Tode verurteilt, wegen „Korruption auf Erden durch die Beförderung von Homosexualität“. Während die Veranstaltung mit einer Schweigeminute begann, in Gedenken an alle bisherigen Opfer und Inhaftierten, stimmten die rund 100 Gäste am Ende der Veranstaltung die Parole der Revolution an: „Jin, Jiyan, Azadi – Frauen, Leben, Freiheit.“
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