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Berlin vor der WahlwiederholungUrteil am Buß- und Bettag

Kommentar von Stefan Alberti

Das Landesverfassungsgericht verkündet seine Entscheidung zur Pannenwahl 2021 an einem ganz besonderen Tag.

Mittwoch verkündet das Verfassungsgericht – hier bei der Verhandlung in einem Hörsaal – sein Urteil Foto: dpa

Z ufall oder nicht? Wenn das Verfassungsgericht am Mittwoch in einem Prunksaal in der Schöneberger Elßholzstraße das Land zu einer Wahlwiederholung verpflichtet, könnte es dafür kaum einen besseren Termin geben. Dann ist nämlich Buß- und Bettag – jener protestantische Feiertag, bei dem es um Fehlverhalten und Wiedergutmachung geht.

Und fehlgelaufen und wiedergutzumachen ist so einiges am 26. September 2021 bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Bezirksparlamenten: Teils fehlten Stimmzettel, teils gab es die falschen, und oft bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen. Für die Bundestagswahl galt das auch, aber das fällt nicht in die Zuständigkeit des Landesverfassungsgerichts. Das ist übrigens beim Kammergericht zu Hause – das zwar nicht so alt ist wie die Bibel, aber laut Wikipedia schon 1468 urkundlich erwähnt wurde.

Der Feiertag geht auf eine Stelle im älteren Teil des Bibel zurück, dem Alten Testament. Darin schickt Gott Jona – der sich dem hatte entziehen wollen und deshalb kurzzeitig in einem Wal landete – zur Stadt Ninive, um ihr angesichts ihres sündhaften Verhalten den Untergang 40 Tage später anzukündigen.

Im aktuellen Fall, in dem aus dem biblischen Ninive Berlin wird, das allerdings nicht nur in der Krimiserie „Babylon Berlin“ mit einem ähnlichen Sündenbabel gleichgesetzt wird, liegt zwischen Schuldspruch und Sühne etwas mehr Zeit. Binnen 90 Tagen nach dem Urteil muss es, nicht gemäß Altem Testament, sondern laut Wahlgesetz, zur Wiederholungswahl kommen. Die ist aus Sicht des Gerichts – so schon kundgetan in einer mündlichen Verhandlung im September – nötig, um das Vertrauen in die Demokratie wiederherzustellen. Weil vorher noch Zeit für Wahlkampf sein und der nicht schon zu Weihnachten starten soll, gilt der 12. Februar, letztmöglicher Sonntag in der 90-Tage-Frist, als wahrscheinlicher Wahltermin.

In der Bibel hat derartige Umkehr und Abbitte funktioniert. „Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat’s nicht.“ Nun gilt Berlin nicht gerade als das Epizentrum der Bibelfesten, auch von der „Hauptstadt der Atheisten“ war schon mal zu lesen. Aber einiges an Umdenken ist durchaus passiert: die Wahlleitung ist neu, mehr und besser denn je honorierte Hilfe soll schon für die Wahllokale organisiert sein.

Als gesetzlicher Feiertag wurde der Buß- und Bettag übrigens 1994 bundesweit außer in Sachsen abgeschafft – um die Pflegeversicherung zu finanzieren.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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1 Kommentar

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  • Wer haftet eigentlich für die Kosten?



    Wieder einmal der Steuerzahler!