piwik no script img

Schauspieler Uwe Preuss über Krimis„Bullen gerne, aber ohne Schlips“

Zum Schauspiel kam Uwe Preuss eher zufällig, nun spielt er häufig Polizisten. Ein Gespräch über Bösewichte, Schweißgeruch, Puder und die ARD.

„Den Ruhm am Ende, das machst du nicht selber, das machen andere“, sagt Uwe Preuss Foto: André Wunstorf
Interview von Ambros Waibel

wochentaz: Herr Preuss, ein Autor der taz hat einmal geschrieben: „Gute Fernsehkrimis kann man derzeit daran erkennen, dass Uwe Preuss einen Polizisten spielt.“ Wie kam es zu diesem innigen Verhältnis?

Uwe Preuss: Die Polizei ist sozusagen zu mir gekommen. In Deutschland hast du ja als Verbraucher im Fernsehsegment so was wie sechzig Prozent Krimis. Da werden viele Bedienstete gebraucht, hoch und runter, von 18 bis 23 Uhr, und nachmittags in der Kindersendung ist auch noch mal einer dabei. Das hält die Leute wach oder sie schlafen dabei ein und haben im besten Fall eine gute Erinnerung an das Produkt. Es gab Zeiten, da hab ich mir gesagt: Einen Bullen? Aber ohne Uniform bitte! Und später dann: Bullen gerne, aber ohne Schlips. Oder könnte ich mal die Krawatte lösen? Oder den Kommissar mit einem speziellen Hintergrund – wie beim „Polizeiruf“ aus Rostock.

Wo Sie der Erste Kriminalhauptkommissar Henning Röder sind, Leiter der Mordkommission, der Vorgesetzte der ermittelnden Kommissare.

Da spiele ich einen Homosexuellen, der am liebsten in die Sauna geht, wenn er frei hat. Sein Büro ist voller bildender Kunst, die wir in schöner Absprache mit Sonja Strömer, der Szenenbildnerin, dort aufgehängt haben. Und wenn sie mir dann als Überraschung noch zwei Skulpturen ins Motiv stellt, dann ist das cool im Wechselspiel, da freu' ich mich.

Wie kamen Sie denn an die Rolle?

Ich kam in die Linienstraße in Berlin-Mitte ins damalige Castingbüro von Mai Seck, und da liefen auf dem Bordstein aufgeregt prominente Schauspieler dieses Landes herum, die Text memorierten. Und ich dachte mir, Mensch, schönes Wetter, haste mal ’ne Zigarette, da wollte aber keiner gestört werden. Dann bin ich rein, hab mir keinen Kopf gemacht. Was soll ich’n hier tun, dies und das, sagte der Regisseur. Hier ist ’ne Fallanalyse zu beschreiben, Flipchart mit den Notwendigkeiten ist da, Text haste ja gelernt, ja, hab ich gelernt. Und die anderen, die schon besetzt waren, Herr Hübner und Frau Sarnau, die waren auch da und haben sich dann mit dem Headautor Eoin Moore für mich entschieden. Ich hab die nach Jahren mal gefragt, warum. Da sagten sie, das hatte uns einfach gefallen. Manchmal ist das Chemie, manchmal passt es ­bildtechnisch-optisch, eine kleine und eine große Figur, hell, dunkel, so was Einfaches.

Haben Sie sich mal mit realer Polizeiarbeit beschäftigt?

Als wir 2009 mit den Dreharbeiten für den „Polizeiruf“ anfingen, hatte ich mich vorher mit einem ehemaligen Kommissar unterhalten, das wurde mir angeboten von der Produktion. Er war über 30 Jahre in Rostock im Dienst, also auch noch zu DDR-Zeiten als junger Mensch. Er hat mich in die ganze Problematik eingeführt. Verhöre, Zeugenaussagen, was muss man beachten.

Hat Ihnen das was gebracht?

Das ging gut zusammen mit meinem Interesse am Lesen von Menschen. Das benötigt unser Beruf ja auch. Ich gehe sehr offen auf Menschen zu, da treffe ich hin und wieder auch auf Leute, die kriminell sind, in jeder Hinsicht, klar. Meine Beobachtung ist, wenn sie etwas ausbaldowern, sind sie super nett und freundlich, fast schon handzahm. Aber lass dann irgendwann den Startschuss für eine Aktion fallen, da kennen die nichts mehr. Das ist Adrenalin pur. Dieser Hang ins Kriminelle, der ist vielleicht irgendwo auch in mir. Der Dieb, der gerissene Gauner.

Bei der „Konkurrenz“ „Tatort“ sind Sie dann auch mal auf der anderen Seite.

Im letzten Jahr hat mir die Casterin Nathalie Mischel die Figur eines Mörders angeboten. Was ziemlich Brutales im „Tatort“ Frankfurt. Sehr gutes Buch, dachte ich und traf vorab die Regisseurin Petra Lüschow. Den gemeinsamen Spaziergang habe ich immer noch in sehr guter Erinnerung. Die Kommissarin im Film, Margarita Broich, habe ich vor über 25 Jahren kennengelernt, durch die gemeinsame Zeit bei den Proben mit Heiner Müller für die Inszenierung von Brechts „Arturo Ui“ am Berliner Ensemble. Wolfram Koch habe ich aus dem Zuschauerraum der Volksbühne bewundert. Das freut einen natürlich, wenn man die Ermittler noch mal trifft auf diesen arbeitstechnischen Wegen.

Uwe Preuss beim Fototermin mit der taz in Berlin-Kreuzberg Foto: André Wunstorf

Wenn man sich aus der Theaterbundesliga kennt, wie geht man dann in so einen öffentlich-rechtlichen „Tatort“-Dreh rein? Ist das wie wenn Joshua Kimmich mal bei seinem alten Heimatverein mitkickt?

Vielleicht. Ich glaube, Kimmich würde beim Kicken mit seinen alten Kumpels versuchen, alles zu geben, und nach ein paar Minuten feststellen, das bringt hier nichts. Die holzen mich vor Ehrgeiz um, hier verletz ich mich wahrscheinlich. Bei uns ist das auch eine Wiederbegegnung, mehr nicht. Da gibt’s ein Drehbuch, die Partner sind gesetzt, dann sagt man das zu, versucht sich einzuarbeiten und dann wird gespielt. Die Parameter sind klar. Verletzungsgefahr eingeschlossen.

Das heißt, Sie gehen mit der gleichen professionellen Einstellung in einen „Tatort“-Dreh wie 1995 zur Probe mit Heiner Müller?

Klar.

Sie haben kein zynisches Verhältnis dazu?

Nein, auf keinen Fall.

Aber das gibt’ s?

Sicherlich. Zynismus ist aber nicht gesund für die Darstellung einer Figur. Ich kann da natürlich nur für mich selber sprechen.

Aber man kennt sich doch, von öffentlichen Auftritten, von Branchenpartys?

Das müsste man dann schon wollen. Hab ich am Anfang hin und wieder gemacht, wenn die Einladung kam, aber das hat sich für mich auserzählt. Auch das Bewerben der Produkte, in denen ich arbeite, ist nicht so meine Sache. Wie wichtig das scheinbar ist, merk ich natürlich in diesen Zeiten von Influencern und sozialen Medien, wo Reichweite eine große Rolle spielt. Man kann aber nicht davon ausgehen, dass jemand, der Reichweite hat, auch für Qualität steht.

Es kann aber sein, dass der mehr oder bessere Angebote bekommt?

Markttechnisch vielleicht. Letztendlich verkauft der Produzent das bekannte Gesicht und den Menschen mit. Das ist ein Geschäftsverhältnis, nicht ausschließlich eine künstlerische Auseinandersetzung. Für mich auch. Ich fühle mich als Geschäftspartner dem Produzenten gegenüber. Und wenn ich drehe, dann gehe ich auf Dienstreise. Die Popularität oder den Ruhm am Ende, das machst du nicht selber, das machen andere.

Wer denn?

In den 80ern/90ern war es noch so, dass Frau X oder Herr Y einen richtigen Skandal hingelegt haben, der in der Bild-Zeitung landete, und die Einschaltquoten gingen rasant hoch. Heute äußern sie sich öffentlich zu ihrer Fitness oder zu ihrem Veganismus. Das sind dann Themen, mit denen sich die Leute beschäftigen. Oder schauen Sie mal, der Herr Y ist jetzt geläutert, der sitzt da ständig mit seiner neuen Frau im Bild, der hat jetzt das Leben noch mal neu entdeckt. Ich verfolge das manchmal auf Instagram, find ich toll, charmant, süß. Aber viel zu viel. Vielleicht haben die Angst, nicht mehr gebucht zu werden. Oder sie glauben, ohne sie geht’s nicht. Oder sie haben einen Shop hinten dran, alles legitim.

Oder sie haben Angst vorm Sterben?

Vielleicht das, ja, so was. Unsterblich sein.

Als Sie mit dem Beruf angefangen haben, in Dresden und dann später an der Schauspielschule in Westberlin, stand da auch schon das Geschäftsverhältnis im Vordergrund?

Nein. In meiner Familie spielte Theater keine Rolle. Ich hatte aber damals eine Freundin am Schauspielhaus. Und da waren während meiner Lehrzeit als Kaufmann ihre Arbeitszeiten so diametral. Sie fing in der Kostümabteilung vormittags um 10 an, 14 bis 18 Uhr Pause, und abends nach der Vorstellung um 23 Uhr hab ich sie abgeholt. Ich musste aber früh um 5 aufstehen und um 6 in der Firma sein, das machst du nicht länger als drei Tage.

Und wie ging es weiter?

Sie hatte mich mal auf die Bühne geholt nach einer Vorstellung und da hab ich den Puder und den Schweiß gerochen und den Staub im Arbeitslicht gesehen. Das hat mich übermannt. Ich dachte, das könnte was für mich sein. Später fiel mir auf, das findet ja auch noch zu günstigeren Arbeitszeiten statt. Es hatte sich jemand gefunden, mit dem ich die Schauspielprüfung vorbereitet habe, die ich dann auch bestand. Nach Westberlin kam ich, weil ich im Osten vor dem Studium erst zum Militär hätte gehen müssen. Ich wusste aber auch vor Studienbeginn noch nicht, was Schauspielerei ist. Da bin ich dann jeden Abend ins Theater gerannt und hab mir die ganzen Peter-Stein-Sachen an der Schaubühne angeschaut. Das Schiller-Theater war auch um die Ecke. Herrlich. Und seltsamerweise habe ich da schon Kolleginnen gesehen, mit denen ich heute zusammenarbeiten darf. Katharina Thalbach zum Beispiel, die ich bewunderte und kürzlich in München bei einer Probe für eine neue Serie getroffen habe. Da freue ich mich drauf.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Für Netflix haben Sie schon mal gearbeitet. Was ist da anders?

Bei den Streamern habe ich das Gefühl, da wird unter Produktionsbedingungen gearbeitet, die basieren auf absoluter Kompromisslosigkeit.

Was bedeutet das?

Zeitlich, finanziell, der Druck, all diese Sachen.

Warum machen Sie es trotzdem?

Weil ich gerne spiele. Bei „Furia“ mit Lars Kraume etwa, da hab ich wieder mal einen Polizisten gespielt, hatte einen schönen Monolog vor versammelter Mannschaft – und: Ich bin der Berliner Polizeipräsident! Da hatte ich also Karriere gemacht. (lacht)

Bei Netflix – auch bei den deutschen Produktionen wie „Dark“ – habe ich den Eindruck, dass die schauspielerischen Leistungen einheitlicher sind als etwa bei der gerade laufenden öffentlich-rechtlichen Produktion „Lauchhammer“, bei der Sie ja auch dabei sind. Haben Sie sich die ganze Serie angeschaut?

Ja, hab ich. Und ich kann da nur zustimmen, natürlich gibt es Unterschiede in den Amplituden und auch in der Wahrnehmung.

In „Lauchhammer“ gibt es eine sehr bewegende Szene, wo Sie Ihrem erwachsenen Sohn zart die Hand reichen. Wie oft habt ihr die gemacht?

Zwei-, dreimal, höchstens. In verschiedenen Einstellungsgrößen.

Und vorher geprobt?

Da haben wir vorher gesprochen. Aber an sich macht man das nicht zehnmal, die Zeit ist nicht.

Würden Sie es gerne zehnmal machen? Würde es dann besser werden?

Wenn es das verlangt, dann mach ich’s auch zehnmal.

Und wie war es dann im Vergleich am Theater, wurde es dort zehnmal geprobt?

Es gibt ja die wochenlange Probenzeit vor der Premiere. Am Theater ist ja das Schöne, dass der Moment, wo du spielst und sprichst, der ist unwiederbringlich verloren, den gibt’s nicht mehr. Also nur an diesem Abend.

Letztlich sind Sie mit dem System Film, in dem Sie arbeiten, zufrieden? Ist das die künstlerische Arbeit, die Sie sich mal vorgestellt haben?

Im Interview: Uwe Preuss

Anfänge

Geboren 1961, wächst Uwe Preuss in der DDR und Brasilien auf. Diverse Anläufe bei der Berufswahl unter anderem als Industriekaufmann im Laborbau, Heizer in einem Ferienheim und Kantinenleiter bei der Bauarbeiterversorgung. 1984 Ausreise nach Westberlin, dort Schauspielstudium an der Hochschule der Künste.

Höhepunkte

Ab 1995 am Berliner Ensemble, wo er Teil der legendären Heiner-Müller-Inszenierung von Brechts „Arturo Ui“ ist. Seit 2005 eher vor der Filmkamera („Polizeiruf Rostock“). 2020 erscheint bei S. Fischer sein literarisches Debüt „Katzensprung“.

Für mich ist das ist ein gutes Geschäftsmodell. Dabei bleib ich. Ich geh rein und wieder raus, nicht nur aus der Szene, sondern aus der Gesamtsituation, wie jemand der früh um 3 in die Bäckerei fährt, zum Teigkneten, und um 13 Uhr wieder zu Hause ist. Und von 14 Uhr bis früh um 3 will der mit Brötchen echt nichts zu tun haben. Der guckt nicht, wie die anderen so backen, das interessiert den gar nicht.

Sie spielen meistens tragende Nebenrollen, den sogenannten Supporter der Hauptfigur. Warum eigentlich?

Ich mag das: zu dienen. Das ist meine Berufung, da reichen mir einige gut bezahlte Drehtage mit den entscheidenden Szenen. Beim Einkaufen grüßen mich hin und wieder Leute oder kommen auf mich zu und sagen: Ich hab Sie im Fernsehen gesehen, als Sie da um die Ecke kamen und die Hauptrolle getroffen haben. Schönes Kompliment. Ich muss auch nicht das ganze Ding wegschleppen – was ja ein Drahtseilakt ist. Denn wenn du so einen 90-Minüter versemmelst, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass du ein halbes Jahr später wieder ’ne Hauptrolle kriegst, gar nicht so groß, da muss nämlich erst mal wieder Gras drüber wachsen, sonst sagen die Leute: Ach, der ist das, den guck ich mir gar nicht erst an.

Der Bösewicht bei James Bond ist auch ein Supporter. Träumen Sie davon?

Nö.

Warum nicht?

Mein Englisch ist gar nicht so gut. Wenn die mich trotzdem besetzen wollen, dann nur als stummen Diener. Spaß beiseite. Aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht sehr groß. Man muss auch realistisch sein, das gehört in dem Beruf dazu. Dass man nicht dauernd denkt – und das ist sehr weit verbreitetet –, man müsste eigentlich das spielen, was der andere da gespielt hat. Mich interessiert inzwischen viel mehr der ganze Herstellungsprozess, die Gespräche mit Produzenten und den Machern hinter der Kamera. Vor den Gewerken verneige ich mich. Ich bin zufrieden mit mir, und wenn ich nicht mehr gebucht werden sollte, mach ich was anderes. Im letzten Sommer war ich drei Wochen in Ungarn auf einer Farm, die Leute bewirtschaften, die aus dem dortigen Filmgeschäft ausgestiegen sind. Traumhafter Ort. Den Gärtner habe ich dort versucht. Diese Arbeit hat mich total erfüllt. Das korrespondiert mit dem Anfang meiner Berufserfahrungen in der DDR, auszusteigen und zu wechseln. Aber ich liebe natürlich meinen derzeitigen Job.

Sie haben Herrn Sauer gespielt in dem Fernsehdrama „Die Getriebenen“, den Ehemann von Angela Merkel. Wie kam es dazu? Wie sind Sie das angegangen?

Sauer kam als Angebot, ohne Casting. Und ich hab natürlich zuerst gefragt, wer Frau Merkel spielt. Es war Imogen Kogge, die ich seit vielen Jahren kenne und zu Peter-Stein-Zeiten an der Berliner Schaubühne bewundert habe. Da dachte ich, wenn die Imo das spielt, dann kann da nix schiefgehen, was sind denn meine Szenen? Bayreuth, Frühstück zu Hause und Wandern gehen. Dacht ich: Krieg ich hin. Und ich hatte sehr viel Spaß mit Imogen, gerade bei dem Frühstück. Es gibt ja kaum Möglichkeiten, im Netz irgendwas Privates zu finden, als Vorlage, das sind ja historische Figuren, im Bewegtbild nur bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth und in den Alpen. Also probiert man, tief in die Befindlichkeiten einzutauchen, ohne ein Klischee zu spielen. Das hab ich mir danach angeguckt und fand es derart normal, wie sie da in der Flüchtlingskrise mit mir frühstückt und danach auf Arbeit geht und ich ihr am Abend beim Fernsehen auf dem Sofa diesen wunderbaren Satz sagen konnte, ob sie denn glaubt, dass das alles richtig ist, was sie da macht. Auch die Wanderung im Ötztal, wir sind im kleinen Team hingefahren, und dann wurde da Frau Merkels Brotdose ausgepackt, oder mit diesen blöden Stöcken und der Funktionskleidung, das entbehrt natürlich nicht einer gewissen Komik auch beim Herstellen, beim Drehen.

Da das Wort „Dienstreise“ fiel: Ihr Arbeitgeber ist nicht zuletzt der öffentlich-rechtliche Rundfunk – und der ist gerade ziemlich in den Schlagzeilen. Kam das für Sie überraschend?

Die Größenordnung, was die Jahresgehälter betrifft, das war mir schon klar, so in Richtung Aufsichtsräte. Es ist aber kein selbst erwirtschaftetes Geld. Und nun erfährt man eben, dass Menschen – und das ist im Fall Schlesinger passiert und passiert nach wie vor, das ist ja nur die Speerspitze – mit geschenktem Geld eine Vetternwirtschaft bestreiten. Das ist eigentlich so ein sozialistisches Modell, das kenne ich noch aus der DDR. Da ruht man sich aus, da richtet man sich ein. Wenn du als Festangestellter im Öffentlich-Rechtlichen mit etlichen Tausend Euro im Monat rechnen kannst und auch nicht von Arbeitslosigkeit bedroht bist, dann wirst du diesen Stuhl um Gottes willen nicht aufs Spiel setzen. Du sitzt das aus bis zu deiner Pension, gleichzeitig läuft der Hausbau, die Kinder werden größer, die Hobbys teurer. Und dann irgendwann merkst du, das läuft doch wunderbar, ab jetzt geht’s ins Plus. Und auf einmal steht man als schwerreicher Intendant einer Sendeanstalt da.

Die Redakteure aber entscheiden, welche Filme produziert werden und welche nicht. Dort auf den Tischen in einem Stapel Drehbücher warten vielleicht zwei richtig fette Knaller, die nicht finanziert werden oder die mit einem Zehntel des Budgets gedreht werden, das sie bräuchten. Und das ist schade. Dabei gibt es sie doch, die risikobereiten, experimentierfreudigen Leute in der Branche. Da liegt für mich die Tragik und ich hoffe auf Veränderung. Ich finde es gut, dass dieses Modell jetzt aufgebrochen werden wird, dass das bröckelt. Ich könnte mir vorstellen, dass da in einigen Jahren nur ein paar Free-TV-Sender übrig sind, die Headlines durchschicken, der Rest ist nur noch Streaming. Da gibt es sicher auch noch ein paar Überraschungen, wer kauft am Ende wen?

Und dann sind Sie aber möglicherweise schon in Ungarn auf dem Bauernhof und schreiben ein zweites Buch?

Da sitz ich schon dran. Geht auch gut in Hotelzimmern.

Wie wird es heißen?

Arbeitstitel ist: „Dienstreise“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Das gefällt mir, ein Schauspieler als Arbeitnehmer, im positiven Sinn. Und gute Arbeit macht er auch noch.