Krimi-Serie „Lauchhammer“ in der ARD: Alle sind verdächtig

Die Krimi-Serie „Lauchhammer“ verhandelt auf ARD und Arte die Themen Wiedervereinigung, Fridays for Future und Incels – also zu viel.

Ermittler Maik Briegand (Mišel Matičević) mit einer Taschenlampe in der Hand

Ermittler Maik Briegand (Mišel Matičević) verliert nie zu viele Worte Foto: SteffenJunghans/MDR

Lauchhammer in der brandenburgischen Lausitz, knappe 14.000 Einwohner, die Beinahe-Großstadt Cottbus ist 50 Kilometer entfernt. Jahrhundertelang hielt eine starke Industrie die Region am Leben: Gießereien, bereits ab dem 18. Jahrhundert Kohleabbau, 1912 wurde hier dann die erste Hochspannungsleitung Europas gebaut.

Doch dann kam erst die Wiedervereinigung und dann der Kohleausstieg, Struktur- genauso wie Klimawandel. Heute, so vermittelt es die Serie „Lauchhammer – Tod in der Lausitz“, hängen die älteren Menschen hier der Vergangenheit hinterher, während die jüngeren im Idealfall das Weite suchen.

Auch die Schülerin Ramona wollte weg, raus aus dem verwahrlosten Elternhaus mit der drogensüchtigen Mutter und raus aus dieser alles andere als blühenden Landschaft, die die von Till Franzen inszenierte und von Frauke Hunfeld und Silke Zertz geschriebene Serie in ausgeblichenen Farben zeigt. Doch dann liegt sie, gleich zu Beginn, tot am Ufer, erkennbar nicht eines natürlichen Todes gestorben.

Aus Cottbus kommt das LKA, zuständig sind der aus Lauchhammer stammende Ermittler Maik Briegand (Mišel Matičević) und seine neue Kollegin Annalena Gottknecht (Odine Johne). Er verliert nie zu viele Worte und kennt Ort und Be­woh­ne­r*in­nen wie seine Westentasche, sie ist die hochmotivierte Neue, die Wert auf Gründlichkeit und klare Ansagen legt. Dass sie es mit einem Mordfall zu tun haben, in dem es viele Verdächtige und womöglich auch noch andere Opfer gibt, erkennen beide schnell.

Ab sofort in der Arte- beziehungsweise der ARD-Mediathek, am 8. und 15. September auf Arte und vom 28. September an mittwochs in der ARD.

Klischees inklusive

Es wird dann tatsächlich viel aufgefahren in den sechs Episoden von „Lauchhammer“, von denen jede mit einem ominösen Off-Kommentar beginnt, der bedeutungsschwer klarmacht, dass hier jemand so gar nicht zufrieden ist mit den Realitäten des 21. Jahrhunderts und entsprechend auf Rache sinnt. Grummelige Einheimische und örtliche Polizisten mit womöglich nicht immer blütenreiner Vergangenheit, junge Öko-Aktivisten und ein Fremder im Wald, ausländische Drogendealer und Immobilienspekulanten aus dem Westen, familiäre Verquickungen aller Art sowie für Briegand eine Ex-Frau samt Tochter und für Gottknecht eine mögliche Affäre im Kollegium – an Personal und Handlungssträngen spart die Serie nicht. Und da sind regelmäßige Rückblenden, sogar in die Zeit vor dem ­Mauerfall, noch gar nicht mitgezählt.

Praktisch jeder ist verdächtig in diesem Szenario, und das thematische Feld, das hier ­zwischen polnischer Grenze und Braunkohlerevier bestellt wird, ein ausgesprochen weites. Von dunklen Stasimachenschaften und den Folgen der Wiedervereinigung bis hin zu Fridays for Future, Incels und ­gendergerechter Sprache bleibt kaum etwas unverhandelt, doch um wirklich tief zu schürfen, ist das doch alles ein bisschen zu viel des Guten, Klischees inklusive. Zumal es ja auch noch einen Kriminalfall zu klären gibt, der seinerseits von Folge zu Folge immer weitere Kreise zieht.

Als sehenswertes Panorama einer irgendwie der Vergessenheit preisgegeben Region im Osten Deutschlands (Kamera: Felix Novo de Oliveira) funktioniert „Lauchhammer – Tod in der Lausitz“ dann aber doch, auch weil Regie und Buch atmosphärisch dichte Spannung aufzubauen wissen. Vor allem aber überzeugen die Schauspieler*innen, selbst wenn die Dialoge mal schwächeln. Matičević ist stark wie immer, Johne – die auch nach über 15 Jahren im deutschen Fernsehen irgendwie noch als unverbrauchtes Gesicht durchgeht – ihm absolut ebenbürtig. Und um sie herum besticht das Ensemble durch Klasse bis in die kleinsten Rollen, von Marc Hosemann und Jacob Matschenz bis Uwe Preuss oder Thelma Buabeng.

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