Luftreinhaltung in der EU: Kommission fegt endlich Feinstaub
Brüssel schlägt neue Grenzwerte für Stickstoff und Feinstaub vor. Kritiker fürchten Fahrverbote, anderen reichen die Werte nicht.
Brüssel taz | In der EU ist heftiger Streit über die Luftqualität und die Feinstoffbelastung entbrannt. Die EU-Kommission schlug am Mittwoch in Brüssel vor, den Grenzwert für Feinstaub bis 2030 um mehr als die Hälfte zu senken. Auch beim Stickoxid soll die Schwelle künftig niedriger liegen.
Damit drohten Fahrverbote in Deutschland, warnen industrienahe Kritiker. Umweltschützer beklagen hingegen, dass Brüssel hinter den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zurückbleibe. Die Kommission schlägt vor, die Belastung durch Feinstaub mit einer Partikelgröße von bis zu 2,5 Mikrometer von bisher 25 auf 10 Mikrogramm pro Kubikmeter zu reduzieren. Die WHO empfiehlt seit vergangenem Jahr jedoch nur noch 5 Mikrogramm.
Mit den neuen Grenzwerten werde sich die EU „schrittweise“ den WHO-Zielen annähern, erklärte EU-Klimakommissar Frans Timmermans. Mit dem Vorschlag sei man auf einem guten Weg, spätestens 2050 das Null-Schadstoff-Ziel für die Luft zu erreichen. „Frische Luft sollte kein Luxus sein, sie sollte als grundlegendes Menschenrecht betrachtet werden“, sagte Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius.
Nach Angaben der Kommission sterben jedes Jahr 300.000 Europäer frühzeitig durch die Luftverschmutzung. Der Vorschlag enthält jedoch keine konkreten Maßnahmen, sondern legt Standards fest, die umgesetzt werden müssen. Wie die Grenzwerte erreicht werden, ist Sache der Mitgliedsländer. Deutschland hat die Ziele immer wieder verfehlt und war daraufhin mit EU-Verfahren belangt worden. Wenn sich Brüssel durchsetzt, drohten Fahrverbote, heißt es in Köln und Stuttgart.
Rosinen und Alarmglocken
Die Vorschläge müssen allerdings noch von den Mitgliedstaaten und vom Europaparlament gebilligt werden. Im Parlament formiert sich bereits Widerstand. „Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, jetzt einen solchen Vorschlag zu machen, der zu einer erneuten Diskussion über Fahrverbote führen wird“, sagte der umweltpolitische Sprecher der CDU, Peter Liese. Die Luft in Europa sei in den letzten 25 Jahren „sehr viel besser“ geworden, so der Umweltpolitiker und praktizierende Arzt. Feinstaubemissionen seien 2020 im Vergleich zu 1990 um rund 60 Prozent vermindert worden. Seit den 1990er Jahren habe sich auch der Stickstoffoxidgehalt der Luft in Deutschland auf ein Drittel reduziert.
Alarm schlagen dagegen die Grünen. „Die Kommission betreibt Rosinenpickerei, wenn sie die Grenzwerte der WHO zur Luftverschmutzung nur teilweise übernehmen will“, klagte der klimapolitische Sprecher der Grünen, Michael Bloss. „Die Alarmglocken klingeln und die Kommission stellt sich taub.“
Weniger Streit gibt es um einen Vorschlag zur Wasserreinhaltung. Die EU-Kommission will die chemische und pharmazeutische Industrie an den Kosten für die Reinigung des Abwassers beteiligen. Außerdem sollen auch kleinere Gemeinden mit 1.000 Einwohnern zur Wasseraufbereitung verpflichtet werden.
Leser*innenkommentare
blutorange
Es drohen Fahrverbote...ist ja furchtbar....
Mir scheint, darum geht's doch genau. Schluss mit Verkehrskollaps.
Strolch
Als erstes müssten wohl Holzöfen dran glauben...
43354 (Profil gelöscht)
Gast
@Strolch Das Verheizen von Holz ist weder nachhaltig, noch umweltgünstig und auch nicht in irgend einer Weise zu rechtfertigen.
Meine Vorschläge:
Einsatz von Messdrohnen am Schornstein und sofortige Durchsetzung der heute gültigen (!) Grenzwerte mit Betriebsverboten
Sofortige Betriebsverbot von Holzöfen in Wohngebieten bei sichtbarem schwarzem Rauch aus dem Schornstein (insbesondere Nachts)
Ab Mitte September ging es schon los, trotz Sommertemperaturen. Insgesamt ein Totalversagen der Umweltpolitik.