Versteigerung eines T-Rex-Schädels: Dino ist für alle da
Ein T-Rex-Schädel soll für 20 Millionen Dollar verscherbelt werden. Ein Text über emotionalen Wert, Wissenschaft und die Absurdität von Besitz.
Stell dir vor, du stirbst, 76 Millionen Jahre interessiert es niemanden, und dann wird plötzlich dein Kopf für 20 Millionen verscherbelt. Wie das New Yorker Auktionshaus Sotheby’s mitteilt, gibt es dort ab Dezember einen T-Rex-Schädel zu ersteigern. Es soll einer der am vollständigsten erhaltenen Schädel seiner Art sein, der jemals ausgegraben wurde. Gefunden wurde der Schädel der Kreatur in South Dakota, in einer Gegend, in der einst unzählige Arten von Dinosauriern lebten und die heute entsprechend beliebt bei Forscher*innen und Paläontologie-Nerds ist. Sotheby’s sagt, es erwarte einen Endpreis von bis zu 20 Millionen Dollar.
Nun stellt sich die Frage, warum etwas, das Jahrmillionen älter ist als die Idee von Geld und Privatbesitz selbst, plötzlich von privat an privat versteigert wird. Offenbar hat der gegenwärtige Tauschwert für Dinoknochen jede Verhältnismäßigkeit hinter sich gelassen. Wie kommen Millionenpreise für tote Tiere zusammen?
Wichtig dabei ist erst einmal ein gewisses Storytelling. Das gehört dazu, wenn ein Auktionshaus die Sammelwut der Sammlerwelt aktivieren will. Sotheby's spart nicht mit Superlativen. „Extrem selten“ sei dieser Fund und der Verkauf ein „beispielloser Moment“. Es gibt dem Kopf sogar einen Namen: „Maximus“, um diesem Ding aus der unvorstellbaren Vergangenheit eine Persönlichkeit zu geben, irgendwo zwischen Haustier und Actionfigur, damit irgendwo irgendjemandes Sammlerherz Millionen zu bluten beginnt. Das ist also der emotionale Wert dieses Schädels.
Dabei ist der Name „Maximus“ alleine schon eine ziemlich verwegene Behauptung. Erstens kann gar nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob diese Dinosaurierin wirklich bio-männlichen Geschlechts war. Zweitens, weil „Maximus“ recht imposant klingt. Wie der Tyrannosaurus Rex in der gängigen Spielberg-Darstellung eben, dieses sehnig-dürre Echsenmonster mit ledriger Haut, Tyrannenkönig unter den Urechsen. Neuere Theorien legen dabei nahe, dass T-Rex ganz anders ausgesehen haben könnte. Zum Beispiel wie ein riesiges fluffiges Federvieh. Aber für den Schädel eines „Entspannosaurus Flausch“ mit dem Spitznamen „Furby“ gäbe es womöglich keine 20 Millionen. Wer weiß.
Realer Nutzwert
Keine Übertreibung ist hingegen offenbar, dass der Schädel hervorragend erhalten ist. Damit kommen wir zum realen Nutzwert für die Wissenschaft. Während der Rest des Skeletts verwitterte, blieben „Maximus’“ Schädel-, Kieferknochen und Zähne weitgehend erhalten, inklusive kleinster Knochen. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass dieser Dino vor schätzungsweise 76 Millionen Jahren gelebt haben soll. Deshalb ließe er sich besser studieren als Exemplare, die verwittert oder nur in Teilen erhalten sind. Paläontolog*innen lecken sich die gut erhaltenen Lippen.
Ein unschätzbarer Wert für die Wissenschaft also, und damit für die Menschheit. Jedenfalls solange sie daran interessiert ist, die Welt, in der sie lebt, besser zu verstehen. Trotzdem lassen die sagenumwobenen Preise, die gegenwärtig für Dinoknochen angesetzt werden, jede vernünftige Nutzwertberechnung weit hinter sich.
Mythische Strahlkraft
Ähnlich wie bei Kunstwerken kennt der Sammlerwert von Gegenständen mit mythischer Strahlkraft auf einem globalen Markt nach oben keine Grenzen. Im vergangenen Jahr versteigerte die Konkurrenz beim Auktionshaus Christie’s einen anderen South-Dakota-Dino für 31,8 Millionen Dollar. Das ist der Rekord für die bislang lukrativste Dinosaurier-Auktion. Jener Dino hatte den Spitznamen „Stan“. Schon knuddliger! Wer die knapp zweiunddreißig Millionen genau überwiesen hat, ist Geschäftsgeheimnis, bekannt ist, dass „Stan“ ab 2025 in einem neuen Naturkundemuseum in Abu Dhabi in den vereinigten Arabischen Emiraten stehen wird.
Das ist ein vergleichsweise guter Ausgang einer solchen Auktion. Wissenschaftler*innen warnen, dass der private Kauf und Verkauf von wissenschaftlich relevanten Ausgrabungsstücken dazu führen könnte, dass diese der Öffentlichkeit entzogen werden. Ähnlich wie bei Kunst neigen Käufer*innen zwar dazu, ihre Stücke Museen als Dauerleihgabe zur Verfügung zu stellen. Es ist aber denkbar, dass, wer immer sich „Maximus“ unter den Nagel reißt, das Ding in einem eigens dafür gebauten Keller einschließt.
Der Fall „Sue“
In den Neunziger Jahren gab es bereits eine entsprechende Kontroverse um ein Dinoskelett namens „Sue“. Gefunden wurde es von Forscher*innen in – Sie ahnen es – South Dakota, auf einem Flecken Land, das zu diesem Zeitpunkt einem Mann namens Maurice Williams gehörte. Gleichzeitig befand sich „Sue“ auf einem Reservatsterritorium der Sioux. Maurice Williams, selbst Mitglied der Sioux-Nation, stritt sich daraufhin jahrelang mit den Behörden um die Besitzrechte, bis man sich schließlich einigte. Der Staat South Dakota gestand Williams die Besitzrechte zu, mit der Einschränkung, dass er zum Verkauf eine offizielle Erlaubnis brauchte. 1997 ging Sue für 8,4 Millionen US-Dollar an ein Museum in Chicago.
Was die Geschichte zeigt, ist die Absurdität von Besitz. Einerseits ist es aus Sicht eines vor 76 Millionen Jahren verstorbenen Dinos recht drollig, dass die Menschheit in der Zwischenzeit ein System erfunden hat, nachdem jemandem der Erdboden gehören kann – inklusive drunterliegender Knochen. Andererseits war der kapitalistische Besitzanspruch die beste Karte, die der Sioux Maurice Williams gegen den kolonialen Besitzanspruch der USA spielen konnte. Wiederum andererseits fragt sich, wer am Ende glücklich ist, wenn der Gegenstand der Auseinandersetzung im Arabischen Golf landet – oder im Keller von irgendeinem Mr. McMoney endet.
Unglück für die Wissenschaft
Unglücklich in jedem Fall ist die Wissenschaft. Denn obwohl die Forscher*innen diejenigen sind, die dafür sorgen, dass Dinoskelette unbeschadet aus der Erde gehoben werden, sind sie die Leidtragenden des globalen Millionenhandels mit ihren Funden. Gewinnaussichten und Besitzstreitereien erschweren Ausgrabungsarbeiten auf privatem Land.
Das kritisierten Paläontolog*innen schon Ende der Neunziger. Daran hat sich wenig geändert. So lange es theoretisch möglich ist, alles zu kaufen und zu verkaufen, was auf, über oder unter jemandes privaten drei Morgen Land liegt, muss man sich schlicht darauf verlassen, dass die Käufer*innen mit ihrer Ware im besten Interesse der Gemeinschaft umgehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Schuldenbremsen-Dogma bröckelt
Auch Merz braucht Geld
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“