Umverteilungs-Guerilla im Villenviertel: „Bares sonst gibt's Saures“
An Halloween erschrecken Aktivist:innen Reiche im Villenviertel Grunewald. Damit klagen sie die ungerechte Verteilung von Vermögen an.
Berlin taz | Dingdong – die Aktivist:innen von „Wer hat, der gibt“ klingeln erst einmal am vergoldeten Klingelknopf einer Grunewalder Villa, dann immer wieder. „Wir wollen euer Geld!“, ruft eine Aktivistin mit gruseliger Stimme, die sich als Gespenst der Umverteilung verkleidet hat. „Heute ist Zahltag!“, ruft ein anderes Gespenst. Durch die Sprechanlage entschuldigt sich eine Frau, es sei zu spät, sie könne nicht mehr aufmachen. Als das dritte Gespenst sich erkundigt, wie sie es mit der sozialen Revolution halte, knackst die Leitung und die Stimme verstummt.
In dieser Halloweennacht wird schnell klar: Über Umverteilung wollen im Grunewald nur sehr wenige Menschen reden. Die Initiative „Wer hat, der gibt“ hatte die taz eingeladen, dabei zu sein, wie sie „Bares oder Saures“ von den hier lebenden Reichen verlangt. „Wir wollen ihnen die Möglichkeit geben, freiwillig etwas von ihrem Vermögen abzugeben, zehn Prozent etwa“, sagt Pressesprecherin Janis Jansen.
Klappe das wider Erwarten nicht, müsse man Umverteilung am 12. November „von unten erkämpfen“. Ein Mobi-Video für den dann stattfindenden Sozialprotest zu drehen war der Anlass für die Spaßguerilla. Ziel sei es, „mit dem Finger auf den grotesken Reichtum von Menschen zu zeigen, die sich ansonsten in einer Parallelgesellschaft abschotten“, erklärt ein Aktivist die Aktion.
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Tatsächlich ist beeindruckend, wie defensiv viele Reiche auf die Aktion reagieren. „Ich habe auch gerade meinen Job verloren“, sagt eine Frau Mitleid heischend, während sie auf der herrschaftlichen Vortreppe ihrer Villa steht. Ein Spaziergänger im Anzug versichert, privat „ganz viel Gutes“ zu tun – eine Vermögensteuer lehnt er aber als „vollkommenen Schwachsinn“ ab.
Reicht soziales Gepose nicht aus, um die Aktivist:innen abzuschütteln, wird es schnell ruppig. Als die Gespenster eine ältere Frau nach einer Vermögensabgabe fragen, verjagt ihr Mann sie mit einem Teleskopschlagstock vom Grundstück. Woanders wird den Aktivist:innen entgegengeschleuert: „Das ist der Vorteil von Menschen, die hier wohnen: Sie sind intelligent!“
Doch gerade, als alle Hoffnung auf ein solidarisches Zusammenleben verschwunden scheint, tut sich ein Silberstreif auf. Eine ältere Frau nickt lieb, als die Aktivist:innen sie nach Geld fragen. Sie geht in ihre Villa zurück, holt Süßigkeiten – und einen 20-Euro-Schein. Völlig überrumpelt vergessen die Aktivist:innen alle Klassengrenzen. „Sie sind das warme Licht vom Grunewald“, sagt ein Gespenst. Das Geld will die Initiative spenden.
Leser*innenkommentare
Monaco
Ach wenn diese Typen diese Energie und Kreativität doch in ihr berufliches Vorankommen stecken würden....
Herma Huhn
Billige Effekthascherei.
Welche Reaktion haben die denn erwartet, wenn vermummte Gestalten, die eindeutig keine Kinder mehr sind, nachts drohen: Geld her oder es setzt was!