Gewalt im Westjordanland: Rumoren in der Höhle des Löwen
Die Gewaltspirale im Westjordanland dreht sich weiter. Die israelische Armee sollte die Razzien aussetzen – und Abbas endlich handeln.
Bei der Beerdigung eines Mitglieds der palästinensischen Widerstandsgruppe Löwen in Nablus Foto:
Raneen Sawafta/reuters
Wenn Razzien, Schießereien und Terrorangriffe ein Maß überschreiten, das selbst die gewalterfahrene israelische Bevölkerung beunruhigt, wird rasch vor einer dritten Intifada gewarnt. Seit knapp 20 Jahren ist es nicht dazu gekommen. Diesmal jedoch sollten die Warnungen ernst genommen werden.
Die neue palästinensische Widerstandsgruppe, die sich „Höhle des Löwen“ nennt, agiert unabhängig von politischen Bewegungen. Die islamistische Hamas hat wie die Fatah nur bedingten Einfluss auf die überwiegend sehr jungen Männer, die sich aktuell auf den Kampf gegen das israelische Militär konzentrieren.
Die Gruppe ist eine Antwort auf die Razzien der vergangenen Wochen und Monate, die weit über 100 palästinensische Menschenleben forderten. Die Gewalt der Armee, die als Reaktion auf eine Reihe von Attentaten in Israel kam, stieß die neue Gewalt im nördlichen Westjordanland an. Gewalt provoziert Gewalt, die wieder Gewalt provoziert.
Niemand soll glauben, dass der Tod eines Anführers der „Löwen“ oder gar der Einsatz von Kampfdrohnen, wie ihn die Armee offenbar erwägt, die Situation beruhigen wird. Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt einen neuen Märtyrer, der auf Tiktok gefeiert wird, und es wird mehr junge Männer geben, die bereit sind, ihm in den Tod zu folgen. Viel sinnvoller wäre, alle Razzien vorerst auszusetzen und Berührungspunkte von Armee und „Löwen“ auf ein Minimum zu reduzieren. Wo Armee und WiderstandskämpferInnen nicht aufeinandertreffen, kann auch kein Blut fließen.
Problematisch ist, dass Mahmud Abbas dem Geschehen untätig zusieht. Der wenig populäre alternde Palästinenserpräsident fürchtet zu Recht die Kritik der Landsleute, wenn er seinen Sicherheitsleuten befiehlt, notfalls mit harter Hand die Ordnung wiederherzustellen. Die Kooperation zwischen der israelischen Armee und dem palästinensischen Sicherheitsapparat war der entscheidende Grund dafür, dass es bislang noch nicht zu einer dritten Intifada gekommen ist. Es liegt an Abbas, beizeiten ein Machtwort zu sprechen.
Gewalt im Westjordanland: Rumoren in der Höhle des Löwen
Die Gewaltspirale im Westjordanland dreht sich weiter. Die israelische Armee sollte die Razzien aussetzen – und Abbas endlich handeln.
Bei der Beerdigung eines Mitglieds der palästinensischen Widerstandsgruppe Löwen in Nablus Foto: Raneen Sawafta/reuters
Wenn Razzien, Schießereien und Terrorangriffe ein Maß überschreiten, das selbst die gewalterfahrene israelische Bevölkerung beunruhigt, wird rasch vor einer dritten Intifada gewarnt. Seit knapp 20 Jahren ist es nicht dazu gekommen. Diesmal jedoch sollten die Warnungen ernst genommen werden.
Die neue palästinensische Widerstandsgruppe, die sich „Höhle des Löwen“ nennt, agiert unabhängig von politischen Bewegungen. Die islamistische Hamas hat wie die Fatah nur bedingten Einfluss auf die überwiegend sehr jungen Männer, die sich aktuell auf den Kampf gegen das israelische Militär konzentrieren.
Die Gruppe ist eine Antwort auf die Razzien der vergangenen Wochen und Monate, die weit über 100 palästinensische Menschenleben forderten. Die Gewalt der Armee, die als Reaktion auf eine Reihe von Attentaten in Israel kam, stieß die neue Gewalt im nördlichen Westjordanland an. Gewalt provoziert Gewalt, die wieder Gewalt provoziert.
Niemand soll glauben, dass der Tod eines Anführers der „Löwen“ oder gar der Einsatz von Kampfdrohnen, wie ihn die Armee offenbar erwägt, die Situation beruhigen wird. Das Gegenteil ist der Fall. Es gibt einen neuen Märtyrer, der auf Tiktok gefeiert wird, und es wird mehr junge Männer geben, die bereit sind, ihm in den Tod zu folgen. Viel sinnvoller wäre, alle Razzien vorerst auszusetzen und Berührungspunkte von Armee und „Löwen“ auf ein Minimum zu reduzieren. Wo Armee und WiderstandskämpferInnen nicht aufeinandertreffen, kann auch kein Blut fließen.
Problematisch ist, dass Mahmud Abbas dem Geschehen untätig zusieht. Der wenig populäre alternde Palästinenserpräsident fürchtet zu Recht die Kritik der Landsleute, wenn er seinen Sicherheitsleuten befiehlt, notfalls mit harter Hand die Ordnung wiederherzustellen. Die Kooperation zwischen der israelischen Armee und dem palästinensischen Sicherheitsapparat war der entscheidende Grund dafür, dass es bislang noch nicht zu einer dritten Intifada gekommen ist. Es liegt an Abbas, beizeiten ein Machtwort zu sprechen.
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Kommentar von
Susanne Knaul
Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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