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Transfeindliche ÄußerungenUni wehrt sich gegen Cancel-Vorwurf

Die „FAZ“ berichtet über eine angebliche Treibjagd auf eine Juniorprofessorin an der Lüneburger Uni. Die soll die Professorin nicht geschützt haben.

Sorgt bisweilen für Irritationen: Protest gegen Transfeindlichkeit Foto: Fabian Sommer/dpa

Hamburg taz | Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) wirft der Universität Lüneburg vor, bei einer Rufmordkampagne gegen eine Juniorprofessorin tatenlos zugeschaut zu haben. Die Hochschulleitung hat sich jetzt dagegen verwahrt.

In einem Beitrag vom 19. September 2022 berichtet die FAZ über eine vermeintliche Hetzkampagne von Trans-Aktivisten gegen die Wirtschaftsjuristin Alessandra Asteriti. Der Vorfall steht nach Ansicht der FAZ im größeren Zusammenhang mit einer angeblichen Cancel Culture an Unis. Die Uni hat der FAZ unsauberen Journalismus vorgeworfen. Ausgangspunkt der Diskussion ist ein längerer Thread Asteritis auf Twitter, wo sie sich transfeindlich geäußert haben soll.

Laut der FAZ hat Asteriti lediglich ausgeführt, warum die körperliche Unterscheidung von Männern und Frauen im internationalen Recht wichtig sei. Ausbeutung, Unterdrückung oder Benachteiligung von Frauen seien sonst nicht darstellbar. Der Twitter-Account der Juniorprofessorin ist mittlerweile gelöscht und daher nicht mehr einsehbar, aber es kursieren noch einige ihrer Tweets in den sozialen Netzwerken.

Asteriti schreibt dort, dass sie nicht begreife, warum die Gender-Ideologie in kürzester Zeit so machtvoll geworden sei. Diese Weltanschauung schade Frauen, da Männer gegenüber Frauen ignorant seien und sie nicht als vollwertige Menschen akzeptierten. „Männer bekommen alles, was sie wollen. Wenn ein Mann also eine Frau sein will, warum nicht?“, twittert Asteriti.

„Männer bekommen alles“

In einem weiteren Tweet sagt sie, dass es eine menschliche Grundfähigkeit sei, das Geschlecht zu erkennen. Jeder, der etwas anderes behaupte, wolle den Schutz der Frau abschaffen und sei „ein potentieller Vergewaltiger“. Die Aussagen der Juniorprofessorin auf ihrem privaten Twitter-Account sorgten für Empörung bei Trans-Aktivisten, die eine Entlassung Asteritis forderten.

Diesem Aufruf folgte die Universität nicht. Die FAZ findet trotzdem Anhaltspunkte dafür, dass Asteriti „gecancelt“ wurde. Die FAZ suggeriert, dass sich die Verantwortlichen der Universitätsleitung aus der Schussbahn genommen hätten, wodurch Asteriti sich dem Protest gegen ihre Person hilflos ausgesetzt gesehen habe.

Weiter stellt die FAZ die Behauptung in den Raum, dass eine Diskussionsrunde, bei der die Juniorprofessorin den Vorsitz hatte, wegen Anfeindungen abgebrochen werden musste. Zudem deutet die FAZ an, dass die Professur der Wirtschaftsjuristin in Frage gestellt worden sei.

Die Unileitung widerspricht diesen Vorwürfen. Wie Uni-Vizepräsident Christian Brei versichert, wurde Asteriti in der Situation beraten. „Zu keinem Zeitpunkt hat die Universität kritische Äußerungen zum Anlass genommen, die Wissenschaftlerin in irgendeiner Weise in der Durchführung ihrer Dienstaufgaben als Juniorprofessorin einzuschränken“, beteuert Brei.

Eine Universität darf ihren Forschenden und Lehrenden das Wort nicht verbieten, solange diese nicht geltendes Recht verletzen

Christian Brei, Uni-Vizepräsident

Dass der Vertrag nicht verlängert wurde, sei lediglich dem Umstand geschuldet, dass die maximale Vertragsdauer der Juniorprofessur erreicht war, und habe nichts mit dem öffentlichen Druck auf Asteriti zu tun. Ebenfalls wurde das Panel, bei dem die Wirtschaftsjuristin den Vorsitz hatte, nicht abgebrochen wie von der FAZ behauptet. Asteriti hatte sich aufgrund des Protests gegen ihre Person aus eigenen Stücken dazu entschieden, nicht an dem Panel teilzunehmen. Inzwischen hat die FAZ die beiden Fehler richtiggestellt.

Angesichts des Vorwurfs der FAZ, dass die Universität in der Sache wohl „keine eigene Meinung“ habe und kaum intervenierte, versichert Vizepräsident Brei, dass die Universität sehr wohl eine eindeutige Haltung besitze. Die Leuphana sei ein Ort der Debatte, an dem auf Basis wissenschaftlicher Argumentation auch zu schwierigen Themen diskutiert werde, denn die Suche nach Erkenntnis und Wahrheit sei Kern wissenschaftlicher Auseinandersetzung.

„Eine Universität darf ihren Forschenden und Lehrenden das Wort nicht verbieten, solange diese nicht in der Ausübung ihrer dienstlichen Pflichten geltendes Recht verletzen“, sagt Brei. Was Asteriti hierzu denkt, bleibt offen. Es war der taz nicht möglich, mit ihr in Kontakt zu treten.

Im FAZ-Artikel ist auch von einem Gespräch zwischen dem Allgemeinen Studierenden-Ausschuss (Asta) der Universität Lüneburg und Asteriti die Rede, was nach Angaben der Juniorprofessorin in einem Desaster geendet sein soll. Die taz hat mit dem Asta Kontakt aufgenommen und um dessen Einschätzung gebeten. Die damaligen Sprecher meldeten sich jedoch vor Redaktionsschluss nicht zurück.

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17 Kommentare

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    Die Moderation

  • was fehlt.

    schwulissimo schreibt: "Auf Twitter soll Asteriti zeitgleich als Nazi beschimpft worden sein und Todesdrohungen erhalten haben" ( www.schwulissimo.d...einer-universitaet )

  • „Männer bekommen alles, was sie wollen. Wenn ein Mann also eine Frau sein will, warum nicht?“

    Wenn ich da an die Hochschullehrer und Industriekapitäne denke, kann ich uneingeschränkt zustimmen.



    Also Alpha-Männer würde ich schreiben.



    Und die können hervorragend Wolf im Schafpelz spielen.



    Die gendern sogar, wenn es opportun ist.

  • 6G
    659428 (Profil gelöscht)

    "Jeder, der etwas anderes behaupte, wolle den Schutz der Frau abschaffen und sei „ein potentieller Vergewaltiger“. Die Aussagen der Juniorprofessorin auf ihrem privaten Twitter-Account sorgten für Empörung bei Trans-Aktivisten, die eine Entlassung Asteritis forderten."

    Oh, das ist wirklich widerlich. Genauso wie das folgende:



    "Es ist so eine Sache mit der VORSICHT. Sie ist immer geboten, wenn cis Männer einen Raum betreten."



    (taz.de/K-o-Spritze...SuchRahmen=Print/)

  • 4G
    49732 (Profil gelöscht)

    "Asteriti hatte sich aufgrund des Protests gegen ihre Person aus eigenen Stücken dazu entschieden, nicht an dem Panel teilzunehmen."

    Also wenn ich an einem Panel nicht teilnehme weil mich z.B. Rechtsextremisten bedrohen, dann ist das keine Uunterdrückung von anderen Meinungen?

  • Ich kann diese Frauen absolut verstehen. Seit Jahrhunderten massiv benachteiligt und ausgebeutet von Männern, nehmen die sich jetzt sogar das Recht heraus, eine Frau zu sein. Und wehren sich Frauen gegen diese Aneignung, müssen sie sich auch von Männern anhören lassen, sie seien diskriminierend. Das ist zutiefst frauenfeindlich!!!! Wo sind in diesem Fall eigentlich die ganzen Verteidiger des Feminismus?

    • @Rudolf123:

      "nehmen die sich jetzt sogar das Recht heraus"



      Es ist noch viel schlimmer: gleichzeitig geben die Männer sogar den Frauen das Recht (geben, denn Frauen sind zu schwach, um sich ein Recht zu nehmen), Männer zu sein!!!!! Damit können nun Frauen als Männer andere Frauen richtig massiv benachteiligen.



      Ach, am besten wäre, alle Frauen wären Männer. Oder um es mit einer bekannten österreichischen Feministin zu sagen: Alle intelligenten, patenten Männer, die ich kenne, sind Frauen.

  • Spätestens seit Rezo und der unprofessionellen journalistischen Arbeit von Herrn Jasper von Altenbockum bei der FAZ, weiß doch jede(r) einigermaßen kritische Leser(in), dass die FAZ unseriös par excellence ist!

  • Auch bei einem "Ort der Debatte" ist es angebracht, jemanden, der die Gegenseite als "potentielle Vergewaltiger" beschimpft, aus der Diskussion auszuschließen.

    Weiterhin lohnt sich bei der "Argumentation" auch ein Blick auf die reale Welt. Ausbeutung, Unterdrückung oder Benachteiligung von Frauen ist eine Realität, doch gerade im internationalem Kontext wird sie von eben den Leuten durchgeführt, die einen essentialistischen Frauenbegriff haben. Aktuell lohnt hier insbesondere der Blick auf den Iran.

    Natürlich könnte man die Möglichkeit aufführen, dass eine Person sich als das andere Geschlecht ausgibt, um der damit verbundenen Unterdrückung zu entgehen. Doch das würde nicht zu dem Ergebnis führen, das Frau Asteriti beschreibt. Ein Mann, der sich als Frau ausgibt, würde nach der Logik zum eigenen Nachteil handeln.

    Ob jemand dafür nun "gecancelt" werden sollte ist ein anderes Thema. Darüber kann man diskutieren. Doch darum geht es der FAZ nicht: vor 6 Jahren hat Jordan Peterson Prominenz unter Konservativen erlangt, indem er sich als einsamen Kämpfer gegen eine Trans-Gedankenpolizei profilierte. Die FAZ will eine solche Geschichte. Dass dabei eine marginal eloquentere Pöbelei auf Twitter als akademischer Diskurs verkannt werden muss ist da ein akzeptabler Preis.

    Doch "shitstorm wegen Pöbelei auf Twitter, warum tut die Universitätsleitung nichts?" wäre sogar für die FAZ zu offensichtlich bescheuert.

  • Ich finde die taz super! Gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass es vermutlich nicht nur trans-Aktivist:innen sind, die empört sind über die menschenfeindlichen Äußerungen. Bei Tierschutzskandalen heisst es auch oft, die Tierschützer:innen seien empört. Naja, vielleicht auch einfach alle normal fühlenden Menschen mit einer Prise Gerechtigkeitssinn!

  • Immer dieses canceln... In Thüringen wurde gerade eine Flüchtlingsunterkunft gecancelt, wegen einer Hetzkampagne gegen den Vermieter der Halle. DAS ist canceln!

    www.mdr.de/nachric...ahmestopp-100.html

  • "Die Leuphana sei ein Ort der Debatte, an dem auf Basis wissenschaftlicher Argumentation auch zu schwierigen Themen diskutiert werde"



    Und wieso wird der ganze Schmarrn dann auf Kurznachrichtendiensten verbreitet? Für ausführliche Argumentationen ist in den paar Zeichen doch sowieso kein Platz.

    "Jeder, der etwas anderes behaupte, wolle den Schutz der Frau abschaffen und sei „ein potentieller Vergewaltiger“."



    Ach so. Ich bin also eine potentielle Vergewaltigerin und will den Schutz der Frau (Gibt es sowas überhaupt?) abschaffen. Wieder was gelernt.



    Also wirklich, das hat nichts mehr mit wissenschaftlichem Diskurs zu tun. Das sind irgendwelche Behauptungen gespickt mit impliziten Anschuldigungen und Beleidigungen. Hatte die FAZ im September noch Sommerloch oder warum beschäftigte sie sich überhaupt damit?

    • @Tetra Mint:

      Danke, dass Sie es so deutlich aussprechen. Wie so oft steckt bei näherem Hinsehen hinter der angeblich "angeblichen" Transfeindlichkeit des volle Programm übelster transphober Ressentiments. Und wie wenig überraschend folgt darauf in der konservativen Presse die genüssliche Täter-Opfer-Umkehr.

      Meine Vermutung: Als nächstes erhält die angeblich gecancelte Juniorprofessorin die Möglichkeit, ihre Hassrede auf einer viel größeren Plattform (wie in einem Leitartikel einer rechtsoffenen Tageszeitung aus Frankfurt) zu wiederholen, während sie sich darüber ausheulen darf, wie mundtot sie doch gemacht wurde. War ja bei einer gewissen Meeresbiologin auch nicht besser.

      • @Tentacle_Therapist Lalonde:

        Warum schreiben Sie von Hassreden? Wenn das schon so etwas für Sie war, dann steht es schlecht um Debatten. Aber so ist das nunmal, allein ein Hauch von anderer Meinung muß gleich massiv gekontert werden.

        • @Lars B.:

          Halten Sie



          "Jeder, der etwas anderes behaupte, wolle den Schutz der Frau abschaffen und sei 'ein potentieller Vergewaltiger'"



          für einen regulären Debattenbeitrag?



          Entgegen der landläufigen Meinung ist "Hassrede" nicht durch den Hass der Redenden gekennzeichnet, sondern dadurch, dass die Rede geeignet ist, bei einem ansprechbaten Teil der Bevölkerung den Hass auf bestimnte Personen oder Gruppen herbeizurufen. Das kann man bei der obenstehenden Aussage durchaus befürchten.

          • @Lossy:

            War Ihr Beitrag dann jetzt auch eine Hassrede? Denn auch der wäre unter Umständen geeignet, bei einem ansprechbaren Teil der Bevölkerung Hass herbeizuführen. So ist das nun mal mit gegenteiligen Meinungen, Behauptungen und steilen Thesen, die Grenze verschwimmt da schon mal oder ist manchesmal klar zu sehen.



            Und um Ihre Eingansfrage zu beantworten, ja, das tue ich. Auch wenn ich die Aussage für überzogen und in der Wortwahl sehr drastisch halte. Aber um diese Aussage geht es in dem ersten Kommentar auch nicht, wenn man aufmerksam weiterzulesen versteht.

    • @Tetra Mint:

      So ist es. Aussagen sind genau dann wissenschaftlich, wenn sie von bestimmten Personen in ganz bestimmten und klar definierten Kontexten getätigt werden (z.B. wiss. Zeitschrift, Tagungen etc.). Aussagen sind keinesfalls allein dadurch wissenschaftlich, dass eine Person sie tätigt, die aufgrund ihrer beruflichen Stellung gemeinhin als "Wissenschaftler*in" bezeichnet wird. Auch solche Personen reden und schreiben täglich zu 99% als Privatperson wie andere Menschen auch - und auf Twitter sowieso zu 100%.