Horrorfilm in Dixiklo: Dicke Luft im Innenraum
Lukas Rinkers Spielfilmdebüt „Ach du Scheiße!“ bringt äußerst blutrünstigen Horror in ein Baustellen-Dixi-Klo. Das ist bekloppt und sehr witzig.
Mit dem Gebrauch von Fäkalsprache ist es so eine Sache. Wie man sich dazu als Journalist stellt, ist Haltungsfrage. Ausnahme wäre ein Zitat, in dem ein Kraftwort sinnvoll nicht zu umgehen ist. Bei einem Film wie „Ach du Scheiße!“ etwa. Als Titel ein Witz, wie ihn jemand irgendwann einmal machen musste.
Das Langfilmdebüt des deutschen Regisseurs Lukas Rinker spielt mit diesem Ausruf erstaunten Missfallens in erwartbarer Form. Immerhin ist der Ort der Handlung ein Dixi-Klo. In dem erwacht der Architekt Frank Lamm (professionell panisch: Thomas Niehaus) zu Beginn, ohne recht zu wissen, warum.
Kurz zuvor war noch die Achtzigerjahre-Band Münchener Freiheit mit ihrem Hit „Ohne dich“ zu hören gewesen, dazu tanzte eine halbnackte Frau mit Bauarbeiterhelm (Erotikmodel Micaela Schäfer), doch diese Bilder erweisen sich als feuchter Traum: An der Klowand hängt über Franks Kopf ein ebensolches Bauarbeiter-Pin-up-Foto.
Autsch, ein Arm ist aufgespießt
Franks echte Lage ist weniger angenehm. Das Klo ist umgekippt, durch die untere Wand hat sich eine verrostete Metallstange gebohrt, wie sie auf Baustellen oft aus Betonfundamenten ragen. Diese Stange hat Franks Arm aufgespießt, was unschön anzusehen ist, seinen Bewegungsraum stark einschränkt und für wiederkehrende Schmerzensschreie des Protagonisten sorgt. Hinzu kommt, dass ihm rasch klar wird, dass er auf einer Baustelle feststeckt, auf der bald gesprengt werden soll.
„Ach du Scheiße“. Regie: Lukas Rinker. Mit Thomas Niehaus, Gedeon Burkhard u. a. Deutschland 2022, 90 Min.
Aus der Ferne hört man Blasmusik und die Mikrofonansprache eines Mannes (diabolisch jovial: Gedeon Burkhard), der sich als Horst und als Bürgermeister in spe des Örtchens Blasstetten vorstellt. Vor allem aber plant dieser Horst ein Luxushotel auf dem Grund, der für Frank zur Falle geworden ist.
In wenigen Minuten droht die Sprengung des alten Gebäudes, das dafür weichen soll. Horst fragt über Mikrofon wiederholt nach Frank, dem Architekten des Projekts, der sich aus den bekannten Gründen nicht bemerkbar machen kann.
Probleme beim Umweltschutz
Wie Rinker in flüchtigen Rückblenden erzählt, lag bei Frank schon längst einiges andere im Argen. Für seine Arbeit hat er seine Freundin Marie (Olga von Luckwald) vernachlässigt, was Horst für seine Zwecke ausnutzen will. Und mit Horst gab es am Vorabend eine Auseinandersetzung, die für Frank in der gegenwärtigen misslichen Position endete. Zudem sind bei dem Bauprojekt anscheinend nicht alle rechtlichen Dinge geklärt, besonders beim Umweltschutz.
Seinen beengten Innenraum verlässt der Film praktisch nie, ohne dass der Einfall überreizt wirken würde, was eine Leistung für sich ist. Damit variiert Rinker Ideen wie die des Horrorthrillers „Buried“ (2010) von Rodrigo Cortés, der in einem Sarg unter der Erde spielt. Und wie Frank in seiner Not sich so gut es geht zu helfen versucht und dabei immer erfinderischer wird, liefert genug krasse Situationskomik, wie das von schwarzem Humor getragene Drehbuch überhaupt für einige gute Pointen sorgt.
Weniger elegant gelingt Rinker die zum Finale angestrebte Eskalation. Da wird in Sachen Drastik zwar leidlich das Körperverletzungspotenzial von Baustellengerät ausgeschöpft, der um Plausibilität ohnehin nur begrenzt bemühten Geschichte hilft dieser Wille zur Derbheit jedoch kaum.
Andererseits: Ist der eigentliche Horror nicht das Klo selbst, dieses Gehäuse aus durchscheinend mattem Plastik, im schlechtesten Fall versifft, ein Raum, den man allein aus olfaktorischen Gründen so schnell wie möglich wieder verlassen möchte, wenn es sich denn nicht vermeiden lässt, ihn zu betreten? Lukas Rinker hat dessen Genretauglichkeit jedenfalls überzeugend erprobt.
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