Protestbewegung in den Niederlanden: Von den Füßen auf den Kopf
Mit umgedrehter Nationalflagge demonstrieren niederländische Bäuer*innen. Die Fahne ist auch Symbol einer zunehmend rechten Protestbewegung.
N eulich, am „Prinsjesdag“, waren sie auf einmal wieder da: die umgedrehten Fahnen, geschwenkt von wütenden Protestierenden. Der „Prinsjedag“ ist ein traditioneller Festtag, der im September das Parlamentsjahr in Den Haag eröffnet. Die Protestierenden reckten sich der königlichen Kutsche entgegen, in der Willem- Alexander samt Frau und Tochter vom Palast ins Parlament und zurück fuhr, wie es das folkloristische Prozedere dieses Tags vorsieht.
Beatrix, die vor Jahren abgedankte einstige Königin, musste sich hinter ihrem Fenster an der Route winden, um einen Blick auf ihre Familie zu erhaschen. Genau vor ihr wehte eine Fahne, auf der in fetten Lettern „Fuck Rutte“ stand. Mark Rutte ist der Ministerpräsident der Niederlande.
„Bauern“, dachten die Zuschauer*innen, die im ganzen Land die Livesendung verfolgten, und genau das – „boeren!“ – rief auch jemand aus der Schar der Protestierenden lauthals in Richtung der Kutsche. Doch es gab noch mehr Wortmeldungen, und die hatten nicht unbedingt mit wütenden Landwirt*innen zu tun: „Landesverräter“, schallte es dem König entgegen, „Liebe, Freiheit, keine Diktatur“. Premier Mark Rutte solle sich „verpissen“ – ein rhetorischer Querschnitt durch das niederländische Protestpotenzial der letzten Jahre.
Dass die Aktion die traditionell kitschige Oranje-Show zwischenzeitlich in den Hintergrund drängte und die eifrigen Livereporter ganz konsterniert waren, ist durchaus sinnbildlich: Im einstigen Polder-Musterland brodelt es beinahe beständig, und längst nicht mehr nur hinter den Fassaden. Die Quellen des Unbehagens sind vielfältig und nicht immer eindeutig zu erkennen. Nicht selten überschneiden sich Themen, Akteure und Symbole. Ganz besonders gilt das für die umgedrehte Landesfahne.
Massenhaft bekannt wurde das Symbol im Juni, als sich zehntausende Bäuer*innen in Stroe versammelten, einem winzigen Dorf ziemlich genau in der Mitte des Landes. Bei ihrer Kundgebung gegen den Regierungsplan, die Stickstoff- Emissionen bis 2030 zu halbieren, waren die Flaggen deutlich sichtbar. Stickstoffoxide und Ammoniak, zu denen der Stickstoff in der Luft reagiert, sind Vorläufersubstanzen von gesundheitsgefährdendem Feinstaub und Ozon, sie schädigen Ökosysteme.
In Europa stoßen die Niederlande, im Verhältnis zur Einwohnerzahl und Landesgröße, mit Abstand am meisten Stickstoff aus. Ihre intensive Landwirtschaft ist dafür zwar nicht allein verantwortlich, trägt aber am meisten dazu bei. Pläne, den Viehbestand zu halbieren und Bäuer*innen auszukaufen, gibt es seit Jahren. Proteste Betroffener, die Enteignungen fürchten, auch.
„Aus einer Bauern-Aktion wird ein Bauern-Aufstand, wenn Den Haag diese Pläne nicht einzieht“, kündigte Bart Kemp, Vorsitzender der Branchenvereinigung Agractie, in seiner Rede an. In den folgenden Wochen verursachten Traktoren an zahlreichen Orten Blockaden und Staus, Heuballen wurden neben Autobahnen angezündet, das Haus der Umweltministerin wurde zweimal belagert. Immer dabei: die umgedrehte Fahne, inzwischen als „boerenvlag“ bekannt, und das symbolische rote „Bauern-Taschentuch“.
Kemp, der als Gesicht der gemäßigten Bauern gilt, sagte in diesen Tagen im Radio, die umgedrehte Flagge sei nicht respektlos gegenüber den Niederlanden gemeint. „Ein Scherz mit einem ernsten Unterton“ zwar, den man aber nicht zu schwer nehmen sollte. Schon bei den Bäuer*innen- Demos 2019, als der „Stickstoff- Konflikt“ begann, tauchte sie an Traktoren auf. Ein Verweis auf eine Tradition aus der Seefahrt, derzufolge sie gehisst wurde, wenn ein Mann über Bord gegangen war. Bedeutung: „Blau-Weiß-Rot, Schiff in Not.“ Inzwischen wurde dieser Satz umgewandelt in „Land in Not“.
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Wiederentdeckt aber haben die Bäuer*innen die Fahnen nicht. Ende 2018 formierte sich, den Beispielen aus Frankreich und Belgien folgend, auch in den Niederlanden eine Gelbwestenbewegung. Sie war kleiner als in den Nachbarländern und eher kurzlebig, doch mehrere ihrer rhetorischen Elemente sollten in den kommenden Jahren auch in anderem Kontext auftauchen. Losungen wie „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ oder „NOS Journaal = Fake News“ – NOS ist das niederländische Äquivalent zur „Tagesschau“, eine öffentlich-rechtliche Nachrichtensendung. Ebenso fielen Parolen gegen die EU und „Globalisten“. Und: die mitgebrachten niederländischen Fahnen wurden teils umgedreht getragen.
In Stroe, wo der diesjährige Protest seinen Ausgang nahm, sind die Flaggen drei Monate später noch immer allgegenwärtig. Schon kurz vor der Autobahnabfahrt bilden sie eine mehrere hundert Meter lange Wand. Im Dorf hängen sie an Laternenpfählen und Hauswänden. Am Giebel des Restaurants am Bahnübergang verkündet ein Banner den „Stolz auf unsere Bauern!“. Neben der Bushaltestelle bezichtigt ein Transparent die Regierung in Den Haag des Lügens und Betrügens. Auf dem Fahrplan klebt eine blau-weiß-rote Fahne.
Am Ende der Dorfstraße wohnt Lisa Huizen. Eigentlich heißt sie anders, doch, wie viele Menschen bei diesem Thema, behält auch sie ihren Namen gegenüber Journalist*innen lieber für sich. Im Garten steht neben der umgedrehten Fahne ein Protestschild der Juni-Demo. Huizen ist 21 Jahre alt und arbeitet in der Pflege, doch sie und ihr Mann versuchen schon seit Längerem einen landwirtschaftlichen Betrieb zu gründen. „Aber all diese Regeln aus Den Haag machen das für junge Leute unmöglich. Um das zu ändern, gibt es diese Demonstrationen und Aktionen“, sagt sie. Hat die Fahne für sie noch andere Bedeutungen? Proteste gegen Coronamaßnahmen etwa oder gegen Asylbewerberheime? „Wir wissen, dass andere sie dazu verwenden, aber für uns steht sie nur für die Bäuer*innen“, sagt Lisa Huizen.
Der Mann am anderen Ende des Dorfes, der sogar die Strohballen vor seiner Scheune in blau-weiß-rote Planen verpackt hat, ist einer dieser anderen. Er unterhält einen Pensionsstall, früher hatte er Ferkel. Seinen Namen möchte er für sich behalten, doch bereitwillig erzählt er von der Demo. „Dort hinten auf der Wiese, wir hatten hier 700, 800 Traktoren stehen.“ Was die Fahne für ihn sonst noch bedeutet: „Der Pflegebereich ist ein Chaos, der Lehrer*innenmangel, so etwas darf nicht sein. Der Andrang in Asylheimen, viel zu viel für ein kleines Ländchen.“
Was er wählt? „Rechts. Partij voor de Vrijheid oder Forum voor Democratie“, erzählt der Mann. „Und jetzt gibt es diese neue Partei, BBB.“ Die Freiheitspartei von Geert Wilders hat eine klassische rechtspopulistische Prägung. Das jüngere und radikalere „Forum“ ist tief verwurzelt in rassistischen, antisemitischen und völkischen Denkbildern und neigt zu Verschwörungstheorien. Die Bauernbürgerbewegung ist eine konservative Partei, die sich als „Stimme der Provinz“ versteht.
Die Argumentation dieses Mannes hört man den Niederlanden häufig, vor allem dort, wo die Parole „Rutte, verpiss dich“ ertönt oder die Flagge umgedreht hängt. Aus den Zutaten all dessen, was der Mitte-rechts-Regierung in Den Haag vorgeworfen wird, entsteht ein großer Cocktail des Unmuts, und unterm Strich bleibt stets die Erkenntnis: Rutte, die Koalition, bisweilen auch die gesamte etablierte Politik interessieren sich nicht für die Nöte und Sorgen der Menschen und zwingen ihnen stattdessen realitätsferne Regeln auf.
Nicht alles davon ist nur populistischem Furor geschuldet. Auch die soziale Verelendung arbeitender Armer spielt eine Rolle oder unbezahlbare Energiepreise. Einer der wesentlichen Gründe für das miserable Image der Regierung ist die sogenannte Kindergeldaffäre: Das Finanzamt trieb mit unberechtigten Betrugsvorwürfen und horrenden Rückzahlungsforderungen gegen zehntausende, häufig migrantische Eltern zahlreiche Leistungsempfänger*innen in den Ruin.
Auf dem Weg von Stroe nach Westen steht eine kleine Gruppe Demonstrant*innen auf einer Brücke über der Autobahn A1. Der Feierabendverkehr ist zäh. Die Silhouetten auf der Brücke verschwimmen im Gegenlicht der sinkenden Sonne, doch auf ihrem Transparent ist deutlich zu lesen, dass sie die Kindergeldaffäre kritisieren. Am Brückengeländer ist ein Bauerntaschentuch befestigt. Einer der Demonstranten schwenkt eine umgedrehte Fahne.
In Albergen, einem anderen Dorf, rund 90 Kilometer östlich von Stroe nahe der deutschen Grenze, tauchte die umgedrehte Flagge im Hochsommer auf. Die niederländische Regierung hatte kurz zuvor beschlossen, Kommunen keine Mitbestimmung zu gewähren, in denen sie Asylbewerber*innen unterbringen will. Weil der Bedarf an Unterkünften viel größer ist als die Bereitschaft zur Aufnahme, kaufte die Regierung im 3.000-Seelen-Dorf Albergen ein Landhotel, um dort 300 Personen unterzubringen. Wenig später zogen etwa 500 protestierende Menschen durch Albergen, in Sommerkleidung, manche mit Kindern im Bollerwagen, in der Hand eine blau-weiß-rote Fahne.
„Wir sind keine Rassist*innen. Alle sind hier willkommen“, ist das Erste, was Marco Geelen und seine Freunde sagen. Es ist einen Monat später, ein warmer Samstagabend. Vier Männer mittleren Alters sitzen an einem Holztisch vor dem Biercafé Morshuis. Alle außer Geelen wollen anonym bleiben Sie sprechen mit dem schweren Akzent der Grenzregion Twente und lachen viel und polternd.
Marco Geelen, Demonstrant
Wer von ihnen nicht in Urlaub war, lief bei der Demo mit. „In so einem Dorf, da ist man eine Einheit. Alle sind miteinander verbunden“, erklärt Geelen und betont: „Wir sind nicht gegen Asylbewerber*innen. Es geht darum, dass uns das aufgezwungen wird. Man kann doch erst fragen, was wir davon halten!“
Wofür steht diese Fahne, mit der an jenem Tag so viele Menschen durchs Dorf zogen? Und was ist die Verbindung zwischen Stickstoff- und Asylprotesten? Gute Frage, sagt einer der Männer. Er erwähnt die bekannte Tradition aus der Seefahrt. Ein anderer unterbricht ihn: die Farben stünden für die Klassen, Rot für den Adel, Weiß für die Mittelschicht, Blau für die Arbeiter. „Normalerweise war eben immer der Adel oben.“ Bei der umgedrehten Flagge würden auch die Verhältnisse umgedreht.
Einig sind sie sich, dass heute das ganze Land in einer Notlage sei: Stickstoff, Asylsuchende, Energiepreise. Zwei von ihnen, die letztes Jahr noch die Rutte-Partei VVD wählten, haben damit nun abgeschlossen. Geelen wählt ohnehin den Rechtspopulisten Wilders. „Auch wenn manche seiner Auffassungen schon seltsam sind.“
Das ehemalige Landhotel ’t Elshuys liegt außerhalb von Albergen hinter Bauzäunen. Nachdem Unbekannte versucht hatten, dort ein Feuer zu legen, ist nun ein brandkundiger Sicherheitsmann anwesend, der vor dem Gebäude eine Zigarette raucht. In den Gärten gegenüber sind Transparente angebracht: Ihnen zufolge würden Asylsuchende besser behandelt als Rentner*innen, die Regierung sei taub für Anliegen der Bevölkerung, und die Menschen in Albergen verlören ihr „geselliges Dörfchen“. Zwei umgedrehte Flaggen, daneben ein Reim: „Wenn die Niederlande nicht gehört werden, hat die Demokratie verloren.“
Unwillkürlich erinnern diese Worte an den „Atlas der abgekoppelten Niederlande“, eine aufwändige Studie, erschienen im letzten Winter, mit durchaus beunruhigenden Erkenntnissen. Das Vertrauen der niederländischen Bevölkerung in die Politik hängt demnach nicht nur von Einkommen und Bildungsstand ab, sondern auch von der jeweiligen Region.
René Cuperus, Politologe und Publizist
Vor allem entfernen sich viele Gebiete in der Provinz, dem „Platteland“, immer mehr vom politisch, kulturell und wirtschaftlich dominanten Westen des Landes. Von der „Peripherisierung der Protestwähler*innen“ wird in der Studie geschrieben. Und: „Die Trennlinie zwischen Establishment und Non-Establishment ist ein fundamentaler Konflikt für den künftigen Kurs der Gesellschaft.“
René Cuperus, ein bekannter Politologe und Publizist, ist einer der beiden Autoren. Im Sommer, als die Bauerndemos das Land ziemlich genau zur Hälfte teilten, schrieb er einen vielbeachteten Aufruf in der Abendzeitung NRC Handelsblad. Darin warnt er vor einer dauerhaften Spaltung der Bevölkerung – und davor, die Bäuer*innen pauschal als Schuldige eines Problems zu sehen, an dem Konsument*innen ebenso beteiligt sind. Cuperus empfängt im Clingendael Institut in Den Haag. Er ist besorgt über die Konfrontation zwischen „grünen Millennials in den Städten und traditionellen, konservativen Älteren im Rest der Gesellschaft.
Sind die Agrarproteste also eine Art Aufstand der Provinz? „Ja, zum Großteil schon“, glaubt Cuperus. „Genau wie der Brexit ein Aufstand gegen London war und „la France péripherique“ gegen Paris demonstriert. Die Studie zeigt, dass viele in der Provinz sich nicht mehr repräsentiert fühlen.“
Verantwortlich dafür macht Cuperus nicht zuletzt die „Effizienzgesellschaft“, zu der sich die Niederlande in den letzten 20 Jahren entwickelt hätten, womit eine rigorose Austeritätspolitik gemeint ist. Dass es durch diese Einsparungen gerade auf dem Land an Infrastruktur fehlt, nennt er „eine der wichtigsten Quellen regionalen Unbehagens“.
Ausdruck findet dieses Gefühl nun in den umgekehrten Flaggen, die, wie Cuperus bemerkt, so gut wie überall auf dem „platteland“ hängen, ohne dass man in den Städten davon Notiz nehme. „Die Flaggen sind ein Symbol des Aufstands gegen das Establishment, ein ‚wir lassen uns nicht verarschen‘, genau wie bei den Gelbwesten.“
In diesem Sinn sei der Bäuer*innen-Aufstand durchaus legitim, findet Cuperus. Zugleich warnt er, dass andere Kräfte die Bewegung als Trittbrett nutzen könnten: Verschwörungsanhänger*innen, Rechtsextreme, Antiglobalist*innen. „Es ist gut, innezuhalten und zu schauen, wer hinter dieser Flagge herläuft.“
An einem stürmischen Sonntagmittag im September bieten sich in Den Haag einige Antworten auf diese Frage. Die Bewegung „Nederland in verzet“ („Die Niederlande im Widerstand“), die nach Darstellung ihres Gründers Michel Reijinga seit 2018 für Freiheit kämpft, ruft auf, um die neue Protestsaison zu eröffnen. Bekannt wurde sie während der Lockdowns mit Kundgebungen gegen die Coronabeschränkungen, die damals als „Kaffeetrinken“ angekündigt waren. Ähnlich wie in Deutschland waren diese Proteste eine eklektische Mischung.
Um den windgepeitschten Park am Hauptbahnhof läuft eine junge Frau mit blau-weiß-roter Fahne, um Ortsunkundige einzusammeln. Adelyn Nip etwa, eine Deutschlehrerin um die 50, die über zwei Stunden aus der nördlichen Provinz Drenthe anreiste. Bis auf ein rotes Bauern-Taschentuch am Handgelenk fällt sie optisch nicht auf. Was sie hierherbringt? „Mir geht es vor allem um Respekt gegenüber der Provinz und den Bäuer*innen, die ihr Land zu verlieren drohen.“ Es ist das erste Mal, dass sie an einer solchen Kundgebung teilnimmt. „Ich hatte das starke Gefühl, dass es nötig ist, jetzt aktiv zu werden.“
Die Mehrheit der etwa 500 Personen vor der Bühne ist deutlicher als Adelyn Nip als Teil dieser Bewegung erkennbar. Viele sind in umgedrehte Landesfahnen gehüllt. Auf Kleidungsstücken und Transparenten präsentieren sie Sprüche wie „No farmers, no food“, „Wenn Unrecht zu Recht wird, ist Widerstand Pflicht“, „Medien=Virus“, „Nexit“, „Wir haben die Lügen satt“. Vereinzelt sieht man Utensilien der rechtsextrem-identitären Partei Forum voor Democratie und Aufnäher mit „Nationalist“ oder „Umvolkung, Grenzen dicht“.
Gefundenes Fressen für Rechte
Die Kluft zwischen Bürger*innen und der niederländischen Regierung ist groß. Rechtspopulist*innen haben seit dem Millenniumswechsel darauf ihre Karrieren gebaut – vom ermordeten Pim Fortuyn über Rita Verdonk und Geert Wilders („Partei für die Freiheit“) bis zu Thierry Baudet („Forum für Demokratie“). Von der starken Anti-Europa-Strömung zeugen die Referenden, bei denen das EU-Grundgesetz 2005 mit 61,5 Prozent und 2016 der Ukraine-Assoziationsvertrag mit 61 Prozent abgelehnt wurde.
Corona und Kindergeldaffäre
Mit der Pandemie verstärkte sich die Vertrauenskrise. Im Herbst 2021 hatten laut einer ipsos-Umfrage 61 Prozent wenig bis sehr wenig Vertrauen in die Politik. Die Mitte-rechts-Koalition trat Anfang 2021 nach einem Kindergeldskandal zurück. Mangels Alternativen bildetet sie in den darauf folgenden Wahlen aber erneut eine Regierung. Das beschädigte das Vertrauen weiter.
Neuwahlen erwünscht
In einer Umfrage des TV- Magazins „Een Vandaag“ im September wird die Regierung auf einer Skala von 1 bis 10 mit 3,3 benotet – der schlechteste Wert, der jemals gemessen wurde. Zudem waren 65 Prozent der Befragten für schnelle Neuwahlen – selbst zahlreiche Anhänger*innen der Koalitionsparteien. (Tobias Mülller)
Viele derer, die aus der Coronaprotestbewegung kommen, kauern unter knallgelben Regenschirmen mit roten Herzen, auf denen „Freiheit“, „Liebe“ und „Zusammenhalten“ steht. Die Redner*innen auf der Bühne sprechen von bevorstehenden Veränderungen, auf die es sich vorzubereiten gelte. Von einem Blatt, das sich wendet. Davon, dass, wer einmal aufgewacht sei, nie mehr einschlafen werde. Erweckungsrhetorik gegenüber dem globalistischen „Great Reset“ und den „12 Jahren Misswirtschaft“ unter Premier Mark Rutte mit „Energiekrise und hohen Benzinpreisen“.
Viele Protestierende sind alternativ gekleidet, es ist ein bunter Haufen. Vor einem der letzten Redner klingt „Downpressor Man“ von Peter Tosh aus den Boxen. Zum Abschluss kommt Michel Reijinga auf die Bühne, der selbsterklärte Freiheitskämpfer. Er ruft seine Mitstreiter*innen auf, interne Unstimmigkeiten zu überwinden – und zwei Tage später, zum Prinsjesdag, erneut nach Den Haag zu kommen.
Dieser Artikel wurde möglich durch finanzielle Unterstützung des Recherchefonds Ausland e.V.
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