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Nach dem Putsch des MilitärsTodesfolter in Myanmar

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft der Militärjunta in Myanmar vor, Oppositionelle zu Tode zu foltern.

Trauer bei der Beerdigung von Kyal Sin, getötet mit einem Kopfschuss bei einer Demonstration 2021 Foto: ap

BERLIN taz | Zahlreiche von der Militärjunta in Myanmar nach dem Putsch vom 1. Februar 2021 verhaftete Oppositionelle sind zu Tode gefoltert worden oder an der Verweigerung medizinischer Versorgung gestorben. Zu diesem Ergebnis kommt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in einem am Dienstag vorgelegten Bericht.

Darin dokumentiert HRW sechs Fälle zwischen Mai und Juli 2022 zu Tode gekommener Gegner der Junta aus den Regionen Yangon, Mandalay und Sagaing. Fünf Personen seien innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Verhaftung oder ihrem Verhör gestorben.

Die Leichen zeigten laut einer von HRW angefragten Notärztin Spuren an Körper oder Kopf, die auf Folter hindeuteten: „Es gibt so viele Anzeichen von Missbrauch und Folter, dass es schwer ist, genau zu bestimmen, was letztendlich zum Tod der Menschen führte.“ Der Bericht nennt verbrühte und mit Säure verätzte Haut, fehlende Zähne, gebrochene Knochen, tiefe Wunden und schwere Blutergüsse.

Bei den sechs dokumentierten Fällen, zu denen Zeugenaussagen gesammelt werden konnten, handelt es sich laut der HRW-Myanmar-Expertin Manny Maung nur um „die Spitze des Eisberges“.

Tod im Militär und Polizeigewahrsam an der Tagesordnung

Die myanmarische Menschenrechtsorganisation Assistance Association for Politicial Prisoners (AAPPB) beziffert die Zahl der in Polizei- und Militärstationen seit dem Putsch zu Tode Gekommenen auf mindestens 73. Die Gesamtzahl der kurz nach ihrer Festnahme Getöteten gibt AAPPB sogar mit mindestens 690 an. Oft seien die Menschen im Rahmen von Militäroperationen in Gebieten ethnischer Minderheiten getötet worden.

AAPPB gibt die Gesamtzahl der seit dem Putsch vom Militär getöteten Zivilisten mit 2.273 und der noch Inhaftierten mit 12.355 an (Stand Montag).

Die im Untergrund operierende Gegenregierung, die sich Nationale Einheitsregierung (NUG) nennt, hat am Montag die Zahl der in den letzten elf Monaten getöteten sogar Zivilisten mit mindestens 3.010 angegeben, die das oppositionsnahe Webportal Irrawaddy berichtete. Demnach seien von Juntakräften auch 20.153 Gebäude zerstört worden.

HRW beklagt, dass die Junta nur wenige Todesfälle in Gewahrsam zugebe und dann meist Vorerkrankungen oder Herzversagen verantwortlich mache. Untersuchungen über die Todesursache würden nie eingeleitet. Ein Attest oder Angaben zur Todesursache hätten die Angehörigen in den dokumentierten Fällen nicht erhalten, selbst wenn es Autopsien gab. Vielmehr seien Familien unter Druck gesetzt worden, die Leichen sofort einzuäschern.

Nach Einschätzung von HRW stellen die weit verbreiteten und systematischen Übergriffe der Junta seit dem Putsch – darunter Mord, Folger und unrechtmäßig Verhaftung – Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.

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