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Sinkende Hemmung

Sabine Seyb (Reach­Out) über rassistische Angriffe auf Kinder

Monika Skolimowska/dpa

Sabine Seyb

Mitbegründerin der Beratungsstelle ReachOut für Betroffene von rassistischer Gewalt.

taz: Frau Seyb, Anfang der Woche wurde ein dreijähriges Kind in Zehlendorf von einer Frau wohl aus rassistischer Motivation körperlich angegriffen. Passiert so etwas öfter?

Sabine Seyb: Wenn wir unsere Statistik anschauen, beobachten wir eine erschreckende Kontinuität von rassistischen Angriffen auf Kinder und Jugendliche. Von Anfang 2018 bis Ende Juni 2022 haben wir 170 Fälle regis­triert, in denen Kinder von rassistischer Gewalt betroffen waren. Im selben Zeitraum waren 101 Jugendliche betroffen.

Woher kommen die Zahlen?

Betroffene wenden sich direkt an uns, wenn sie Unterstützung brauchen. Außerdem beobachten wir die Medien und Pressemeldungen. Zudem informieren uns unsere Netzwerke in den Bezirken wie die Berliner Register, die unter anderem rassistische Übergriffe dokumentieren.

Warum sind so häufig Kinder betroffen?

Die Hemmschwelle der An­grei­fe­r*in­nen sinkt. Wir reden hier ja nicht in erster Linie von Neonazis, die solche Taten verüben, sondern von Personen, die rassistisch denken und ihre Überzeugung im Vorbeigehen auch gewalttätig äußern. Tä­te­r*in­nen wiegen sich in Sicherheit, was ja leider zu oft zutrifft, weil niemand eingreift und sie nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Woran liegt das?

So lange Institutionen rassistisch sprechen und handeln, lassen sich die Taten auf der Straße kaum verhindern. Je konsequenter und klarer etwa Po­li­ti­ke­r*in­nen auf rassistische Taten reagieren, desto höher die Chance, dass die An­grei­fe­r*in­nen sich in ihrem Handeln nicht länger ermutigt fühlen. Dazu gehört auch eine konsequente Strafverfolgung und dass den Betroffenen geglaubt wird. Das gleiche gilt natürlich für Päd­ago­g*in­nen und Leh­re­r*in­nen.

Was muss passieren, um die Situation für Betroffene zu verbessern?

Am wichtigsten ist, dass sich Zeu­g*in­nen solidarisch zeigen. Macht ein Kind die Erfahrung eines rassistischen Übergriffes und niemand schreitet ein, ist das Weltbild des Kindes oft zutiefst erschüttert und das Grundvertrauen zerstört. Schreitet aber eine erwachsene Person ein, können so schreckliche Erlebnisse besser verarbeitet werden.

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