Käthe-Kollwitz-Museum in Berlin: Gründlich entstaubt

Am Samstag eröffnet das Käthe-Kollwitz-Museum am neuen Standort am Schloss Charlottenburg. Das Werk der Berliner Künstlerin ist aktueller denn je.

Das Museum im noch eingerüsteten Theaterbau des Schlosses Charlottenburg Foto: Käthe-Kollwitz-Museum

BERLIN taz | Es ist immer wieder wie ein Faustschlag in die Magengrube, sich näher mit Käthe Kollwitz’ Zyklus „Krieg“ aus den Jahren 1921 und 1922 zu befassen. Aber am Tag nach Putins Ankündigung, Reservisten an die Front schicken zu wollen, kann es doch noch einmal in einem besonderen Maß frappierend sein, Holzschnitte wie „Die Freiwilligen“, „Das Opfer“, oder „Die Mütter“ anzusehen.

„Gerade weil diese Künstlerin so aktuell ist, kommen in letzter Zeit immer mehr jüngere Besucherinnen und Besucher zu uns“, sagt die Leiterin des Käthe-Kollwitz-Museums Josephine Gabler am neuen Standort im Theaterbau des Schlosses Charlottenburg. Der erste Bauabschnitt im Erdgeschoss ist geschafft, am Samstag um 11 Uhr wird dort die neue Dauerausstellung eröffnet.

36 Jahre residierte das private Kollwitz-Museum auf vier Etagen in einer so schönen wie antiquierten klassizistischen Stadtvilla in der Fasanenstraße in Wilmersdorf, in guter Nachbarschaft zum Literaturhaus Berlin und zur Villa Grisebach. Doch als das Museum über Barrierefreiheit und Klimatisierung nachzudenken begann, ließ sich das nicht mit dem Denkmalschutz vereinbaren.

Viel mehr Ausstellungsfläche

Vom Umzug erhofft sich das Museum nun nicht nur die Erfüllung dieser zeitgemäßen Anforderungen. Vom Berggruen bis zum Bröhan Museum gibt es auch neue tolle Nachbarn, mit denen man vielleicht bei Ticket­angeboten kooperieren kann. Vor allem aber verfügt das Museum, wenn der vermutlich 1,9 Millionen teure Ausbau 2024 inklusive Obergeschoss abgeschlossen sein wird, über doppelt so viel Ausstellungsfläche wie am alten Standort. Neben der Dauerausstellung wird es zum Beispiel auch zeitgenössische Ausstellungen geben.

Aber schon ohne das Obergeschoss hat die Dauerausstellung im Erdgeschoss im Vergleich zu jener in der Fasanenstraße sehr gewonnen, das zeigt die Presseführung am 22. September. Der 300 Quadratmeter große Raum wirkt elegant, perfekt ausgeleuchtet, alles kommt sehr luftig, leicht, entstaubt daher: Die Werke der 1867 geborenen Berliner Grafikerin, Bildhauerin und Malerin Käthe Kollwitz, die auf wundersame Weise nie alt geworden sind, kommen noch einmal ganz neu zur Geltung.

Dabei sind Kollwitz’ Lithografien, ­Radierungen, Kupferstiche, Holzschnitte und Plastiken auch bis heute so erschreckend realistisch – oder besser: berührend –, weil sie oft auf ihren einschneidenden, persönlichen Erfahrungen beruhten. Besonders auf dem schmerzhaften Verlust des jüngeren Sohnes Peter zu Beginn des Ersten Weltkriegs, als dieser gerade mal 18 Jahre alt war.

Hartnäckige Selbstbefragung

Kollwitz’ Werke wirken auch deshalb noch einmal viel zeitgemäßer, weil die Ausrichtung der Ausstellung mit dem Titel „Aber Kunst ist es doch“ sich verändert hat. Denn Kollwitz war weit mehr als eine Pazifistin und Sozialistin, die mit ihrer Kunst Inhalte, Engagement und Einmischung transportieren wollte. Anders als ihr berühmter Ausspruch „Ich will wirken in dieser Zeit, meine Kunst soll Zwecke haben“ nahe legt, befragte sie auch ihre künstlerischen Methoden ein Leben lang sehr hartnäckig, berichtet Gabler.

Besonders deutlich wird dies in der neuen Ausstellung in dem Raum, in dem es um den eingangs erwähnten Holzschnitt-Zyklus „Krieg“ geht. Hier werden neben dem Zyklus auch Lithografien der Künstlerin gezeigt, mit denen sie den Zyklus eigentlich beginnen wollte, die ihr dann aber nicht streng genug erschienen. Erst daraufhin entdeckte sie den Holzschnitt für sich.

Auch jenseits dessen zeigt das Museum einige ihrer über 100 berühmten, weil ungeschönten Selbstporträts, die das permanente, forschende Ringen der Künstlerin zum Ausdruck bringen, aber auch unbekanntere Werke. Gerade unter diesen werden vielleicht auch Ken­ne­r*in­nen das eine oder andere Blatt neu entdecken. So wie etwa die Zeichnung „Konrad ruft den Tod“ aus dem Jahr 1932, in der sich Kollwitz mit dem Sterben des Bruders auseinander setzt.

Der Tod und das mal vertrauensvolle, mal ängstliche Verhältnis der Menschen zu ihm war schon immer ein wichtiges Motiv bei Kollwitz, beherrschte aber ihr Spätwerk dann völlig. Im ersten Moment fällt auf der Zeichnung nur eine alter Mann mit müde erstauntem Blick auf einer Gartenbank auf, der sich gerade an seinem Gehstock hochzieht. Erst auf den zweiten Blick fällt am linken Bildrand ein nackter Fuß unter einem weißen Gewand ins Auge, der im nächsten Moment aus dem Bild treten wird. Konrad wird ihm folgen.

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