Verdacht auf Spekulation mit Grundstücken: Sieben Jahre Stillstand

An der Wilhelmstraße in Mitte will die Adler Group Luxuswohnungen realisieren. Doch auf der Baustelle passiert schon seit Langem nichts mehr.

2016 wurde der DDR-Plattenbau an der Wilhelmstraße abgerissen. Jetzt soll neugebaut werden – aber wann? Foto: picture alliance / dpa | Paul Zinken

Berlin taz | Da, wo einst die teuersten Wohnungen Berlins entstehen sollten, befindet sich sieben Jahre nach der erteilten Baugenehmigung ein Loch. Das Grundstück in Filetlage an der Wilhelmstraße 56–59, vis-à-vis der britischen Botschaft, ist von einem blickdichten Zaun umgeben. Dahinter schaut man in eine Grube aus Fundament und Sandbergen. Baumaschinen oder gar Bau­ar­bei­te­r:in­nen sucht man vergebens.

Offiziell soll hier das Projekt „The Wilhelm“ realisiert werden, entworfen von dem Architekturbüro Patzschke und Partner, das auch das benachbarte Adlon baute: 165 Wohnungen auf sieben Etagen, darunter Penthouses mit 680 Quadratmetern Wohnfläche in einem „der außergewöhnlichsten und luxuriösesten Projekte in Berlin“, wie es einst in einem Ankündigungstext des Entwicklers hieß.

Auf Anfrage beim Bezirk Mitte, wieso auf dem Grundstück trotz der großen Ankündigungen nichts passiert, teilt dieser mit: „Baubeginn war am 15. Oktober 2018“. Weiterhin heißt es: Vergangenes Jahr sei ein Nachtrag zur 2015 erteilten Baugenehmigung eingereicht worden, dem aber nicht entsprochen werden konnte, „da die nachzureichenden Bauvorlagen nicht vollständig sind“. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Abgeordneten Katalin Gennburg, die der taz exklusiv vorliegt, heißt es: „Der Senat hat keine Hinweise auf Bautätigkeiten.“

Die Pläne für die Luxuswohnungen reichen weit zurück. 2002, zu Hochzeiten der Verschleuderung öffentlichen Eigentums durch die damalige Landesregierung, wurde das Grundstück privatisiert. Damals stand dort noch ein Plattenbau mit 100 Mietwohnungen, in den die ersten Mie­te­r:in­nen erst 1991 eingezogen waren. Das Haus gehörte zu den „sozialistischen Edelplatten“ für besonders verdienstvolle Kader der DDR. Hier wohnten Gregor Gysi und die Star-Eiskunstläuferin Katharina Witt.

Trotz des Widerstands der Bürgerinitiative Wilhelmstraße wurde das noch junge und intakte Gebäude Ende 2016 abgerissen. Drei Jahre später sollte „The Wilhelm“ stehen. Doch statt Bautätigkeiten gab es vor allem wechselnde Eigentümer. 2017 übernahm die Schweizer SSN Group AG das Grundstück, später wurde diese vom Immobilienentwickler Consus AG übernommen, der 2019 in die Adler Group aufgegangen ist. Sicher ist: Der Grundstückswert hat sich in all den Jahren immer weiter erhöht.

Auf Anfrage bestätigte der zuletzt ins Straucheln geratene Konzern die Eigentümerschaft. Über die Pläne mit dem Gelände heißt es: „Für das Projekt ist ein sogenannter Upfront-Sale vorgesehen, also ein Verkauf vor der Fertigstellung“. Verwiesen wird noch auf eine „aktuelle Investorenpräsentation“ auf der Website, die aber das Projekt nur unter vielen aufführt, aber nicht näher beschreibt. Der Verkauf der Wohnungen dürfte ohne eine offensive Vermarktung eher schleppend verlaufen – erst recht auf einem Berliner Markt, der mit teuren Luxusappartements inzwischen übersättigt ist.

Die naheliegende Frage, ob es „Anzeichen von Bodenspekulation“ gebe, stellte Gennburg auch dem Senat. Der teilte mit, diesbezüglich „keine Erkenntnisse“ zu haben. Für die Abgeordnete ist die Sache dagegen klar: Sie spricht von einem „Paradebeispiel für Bodenspekulation“ und angesichts der vorausgegangenen Vernichtung bezahlbaren Wohnraums von „Ressourcenverschwendung.“ Den Senat fordert sie zum Handeln auf, denn das Grundstück sei in Zeiten, in denen „Grünflächen und Hinterhöfe von Mietshäusern betoniert werden“, eines, das Berlin „dringend braucht“ für bezahlbaren Wohnungsbau.

Der Senat kann „keine Hinweise auf Bautätigkeiten“ erkennen, heißt es in einer Antwort auf eine Linken-Anfrage.

Selbst wenn Adler Bauabsichten haben sollte, ist fraglich, ob der Konzern dazu in der Lage ist. Der Aktienkonzern mit Sitz in Luxemburg, dem deutschlandweit etwa 27.000 Wohnungen gehören, davon viele Tausend in Berlin, steckt in der Krise. Der aktuelle Schuldenstand soll sich auf mehr als 7 Milliarden Euro belaufen. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG hat dem Jahresbericht des Unternehmens für 2021 aufgrund erheblicher Mängel das Testat verweigert. Der Zugang zu Krediten dürfte für das Unternehmen abgeschnitten sein.

In Hamburg griff die Politik durch

„The Wilhelm“ ist nur eines von mehreren prestigeträchtigen Großprojekten im Besitz der Adler Group beziehungsweise ihres Tochterunternehmens Consus, bei dem sich schon seit Längerem keine Bautätigkeiten beobachten lassen. So stehen auch die Arbeiten am Steglitzer Kreisel und im Hamburger Holsten-Quartier still. Anders als in Berlin griffen Bezirk und Stadt in Hamburg jedoch durch. Aufgrund von Zweifeln, dass Adler den geplanten Bau von 1.000 Wohnungen umsetzen könne, wurden bereits Anfang Juni sämtliche Planungen für das Quartier von städtischer Seite gestoppt; alle Geschäftsbeziehungen mit Adler und Consus werden überprüft.

In Berlin dagegen gehörte Adler noch Ende Juni zu den Unterzeichnern von Giffeys Wohnungsbündnis, gilt also als Partner, auf dessen Zusagen man sich verlassen kann. Linken-Politikerin Gennburg fordert nun den Senat auf „tätig zu werden und dafür zu sorgen, dass dieses Premium-Grundstück nicht mit der Insolvenzmasse der Adler Group an den nächsten Oberspekulanten geht, sondern für den Neubau von leistbaren Wohnungen gesichert wird“.

Rechtlich dürfte das allerdings nicht einfach werden, da das Land bei Spekulationen mit Boden kaum eine Handhabe hat. Was der Senat nach Meinung von Gennburg wenigstens tun sollte: „die Zusammenarbeit mit der Adler Group generell aufkündigen“.

Korrekturhinweis (19.09.22, 12:35): In einer früheren Version dieses Textes wurde behauptet, dass sich die „Investorenpräsentation“ nicht auf der Website der Adler Group befindet. Laut Aussage des Unternehmens ist sie hier zu finden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.